Konsens in der Politik: Hilfe für den Norden, aber keine Kampftruppen in den Süden Afghanistans.

BERLIN/LONDON. Die Bundeswehr wird zum ersten Mal eine Kampfeinheit nach Nordafghanistan in Marsch setzen. Trotz massiven Drucks der USA und der Nato werden aber keine deutschen Soldaten auch in den umkämpften Süden geschickt. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) kündigte gestern in Berlin an, die schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) werde etwa 200 Soldaten umfassen. Sie soll im Sommer den seit zwei Jahren von Norwegen gestellten Verband ablösen.

Es wird davon ausgegangen, dass die 1. Panzerdivision in Hannover den Grundstock der QRF stellt. Noch befinde man sich im Stadium der Planung, sagte Jung. Er könne nicht ausschließen, dass "auch Teile aus Hannover kommen". Die vom Bundestag gebilligte Mandatsobergrenze von 3500 Soldaten wird damit nicht überschritten.

Deutschland kommt mit der Entscheidung einer Bitte der Nato nach. Jung wird dies seinen Kollegen beim Verteidigungsministertreffen der Nato heute in Litauens Hauptstadt Vilnius offiziell mitteilen. "Wir sind nach entsprechendem militärischem Ratschlag der Auffassung, dass wir dort keine militärische Lücke entstehen lassen dürfen", sagte Jung. Einen Einsatz deutscher Soldaten im umkämpften Süden Afghanistans lehnt die Bundesregierung ab. Dieser könne aber dennoch aus Gründen der Bündnissolidarität möglich werden, wenn Deutschland um dringende Hilfe ersucht wird.

Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Nachrichtensenders n-tv wollen die Deutschen keine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes. 85 Prozent der Befragten sprachen sich gegen die Forderung von US-Verteidigungsminister Robert Gates aus, die Bundeswehr auch in den umkämpften Süden Afghanistans zu schicken. Nur zwölf Prozent waren demnach dafür.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), sprach sich gegen einen Einsatz im Süden Afghanistans aus. "Eine Ausweitung auf den Süden kommt nicht infrage, das ist Konsens in allen Parteien", sagte er in der ARD. Auch der Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), lehnte einen Einsatz im Süden ab. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rechnet nicht mit einer Verstärkung des deutschen Militärengagements in Afghanistan über die QRF hinaus. "Eine weitere Ausweitung des Engagements sehe ich nicht", sagte er der in Erfurt erscheinenden "Thüringer Allgemeinen".

Die FDP-Sicherheitspolitikerin Birgit Homburger sagte, es handele sich um einen Einsatz, der vom Mandat des Bundestages gedeckt sei. Heftig war dagegen die Kritik der Partei Die Linke. Die Bundesregierung verstricke Deutschland endgültig in den völkerrechtswidrigen Krieg, sagte ihr Vorsitzender Oskar Lafontaine.

Die Mehrheit der nordafghanischen Bevölkerung sieht nach einer Umfrage die Sicherheitslage in ihrer Region aufgrund der Präsenz ausländischer Truppen verbessert. Laut einer Erhebung der Freien Universität Berlin (FU) im Nordosten Afghanistans finden 76 Prozent, dass es sehr viel sicherer geworden sei. 80 Prozent der Befragten schrieben die positive Veränderung den ausländischen Truppen zu.

Der Kommandeur der norwegischen Schnellen Eingreiftruppe, Kjell Inge Baekken, forderte die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan auf, sich aufs Töten einzustellen. Sie müssten "sich bewusst sein, dass sie der Einsatz das Leben kosten kann, und sie müssen bereit sein zu töten, wenn es die Situation verlangt", sagte der Oberstleutnant dem "Stern". Kämpfen gehöre zum Job. "Und dafür brauchen die Soldaten die Unterstützung der Bevölkerung zu Hause." Darauf müssten sich nicht nur die Bundeswehr-Soldaten, sondern auch deren Kameraden aus anderen Ländern verlassen können.