Hamburg. Auf dem steil aufragenden Felsplateau von Massada, 400 Meter über dem Toten Meer gelegen, wo sich vor zweitausend Jahren 960 jüdische Männer, Frauen und Kinder selber den Tod gaben, um nicht in die Hand des römischen Feindes zu fallen, schwören israelische Rekruten jedes Jahr feierlich: Massada darf nie wieder fallen.

Der Schwur zur Wehrhaftigkeit ist die historische Lehre aus der Babylonischen Gefangenschaft, der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer, vor allem aber aus der Shoah, dem millionenfachen Tod in der NS-Zeit. Israel h a t keine Armee, Israel i s t eine Armee in ständiger Kampfbereitschaft. Diese Streitmacht, die Zahal, garantiert das Überleben des Judenstaates. Die sechseinhalb Millionen Einwohner leisten sich mehr als 180 000 aktive Soldaten, die rasch durch mehr als 445 000 hoch trainierte Reservisten verstärkt werden können.

In fünf Kriegen hat die Zahal ihre Feinde oft buchstäblich zertrümmert. Doch der Waffengang im Libanon gegen die radikal-islamische Hisbollah-Miliz war alles andere als ein Durchmarsch - und dies, obwohl die Zahl der Hisbollah-Kämpfer auf kaum mehr als 3000 geschätzt wird.

Doch diesmal gab es kein Wüsten-Schlachtfeld, auf dem die israelischen Panzertruppen ihre Überlegenheit beweisen konnten. Fehleinschätzungen der Führung in Jerusalem verhinderten einen eindeutigen Sieg. Eine Untersuchungskommission soll sich damit befassen.

So hatte man angenommen, die Luftwaffe könne die Basen und Raketenstellungen der Hisbollah allein ausschalten. Die Israelis gingen hier in eine politisch-militärische Falle. Nach alter Guerilla-Tradition hatte die Miliz ihre Katjuscha-Werfer zum Teil in Wohngebieten disloziert. Die schweren Verwüstungen ganzer Straßenzüge in Beirut und anderen südlibanesischen Orten mit rund 1000 zivilen Todesopfern durch israelische Luftangriffe brachte die öffentliche Meinung nicht nur in der islamischen Welt gegen Israel auf.

Viel zu spät wurden Reservisten mobilisiert und Bodentruppen wie die ruhmbedeckte Golani-Brigade in Marsch gesetzt - die in den Gefechten um die Hisbollah-Hochburg Bint Jbeil neun Mann verlieren sollte. In verlustreichen Straßenkämpfen fand die Zahal heraus, dass sie einem Feind gegenüberstand, der weitaus disziplinierter und schwerer bewaffnet war als angenommen.

So hatte die Hisbollah die Israelis in ein System sorgfältig vorbereiteter Hinterhalte gelockt. Und mit Entsetzen reagierte die Armee auf die Vernichtung einiger Merkava-4-Panzer, die zu den leistungsfähigsten der Welt zählen. Man hatte es für unnötig erachtet, zusätzliche Reaktivpanzerungen anzubringen.

Zurückgelassene Hülsen zeigten indes, dass die Hisbollah Panzerabwehrraketen der Typen AT-5-Spandrel und Kornet eingesetzt hatten. Die russische Spandrel wird im Iran nachgebaut. Und die gefundenen lasergelenkten Kornets, laut Experten eine der besten Waffen dieser Art, waren von Moskau an Syrien geliefert worden - wie Aufschriften bewiesen. Sie wurden auch gegen Infanteristen eingesetzt. In einem Fall stürzte ein ganzes Haus ein und begrub neun israelische Soldaten. Für den Verdacht, dass iranische Ausbilder die Hisbollah auf diesen Krieg eingestellt haben, spricht viel.

Vor der Küste wurde eine israelische Korvette der Saar-5-Klasse von einer Anti-Schiffs-Rakete des Typs C-802 schwer beschädigt. Mehrere Besatzungsmitglieder starben. Die Marine gab zu, mit dieser Gefahr nicht gerechnet zu haben. Die C-802 ist eine iranische Weiterentwicklung der chinesischen Ying Ji-802 Saccade. Der Vorfall mit dieser Waffe, die gegen Störelektronik immun sein soll, hat die US-Marine im Mittelmeer aufgeschreckt.

Insgesamt feuerte die Hisbollah mehr als 4000 Katjuschas auf Nordisrael ab. 13 000 Raketen diverser Reichweiten soll sie in ihrem Arsenal haben. Zwar ist der Siegesanspruch der weit zurückgetriebenen Hisbollah Unsinn. Das Gefährliche an diesem Konflikt ist aber, dass Israels Armee sich sehr schwer damit tut, einen asymmetrischen Krieg gegen eine kleine Truppe von Freischärlern zu führen, die Guerilla-Taktiken mit dem Einsatz von Hightech-Waffen verbindet.