Saddam-Verfolgung: BND-Mitarbeiter sollen ein Treffen von Söhnen des Diktators ausgespäht haben. Bundesregierung und Ex-Minister Fischer bestreiten die Vorwürfe. Opposition will Untersuchung.

Hamburg. Diejenigen, die behaupteten, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) hätten im Irak-Krieg die USA mit Angriffskoordinaten versorgt, bewegten sich "auf ganz dünnem Eis", hieß es gestern in Sicherheitskreisen. Der Vorwurf, auf den sich dies bezog, ist schwerwiegend und könnte den jetzigen Außen- und ehemaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in starke Bedrängnis bringen. Wäre das geschehen, hätte die damalige rot-grüne Bundesregierung, anders als offiziell verkündet, doch die Kampfhandlungen im Irak unterstützt.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" und der ARD-Sendung "Panorama" überprüfte einer der beiden während des Krieges in Bagdad verbliebenen BND-Agenten am 7. April 2003 für den US-Militärgeheimdienst DIA (Defense Intelligence Agency) im Stadtteil Mansur in der Nähe der BND-Residenz Häuser, in denen ein Treffen der Söhne Saddam Husseins, Udai und Kusai, mit Regierungstreuen, vielleicht sogar mit Hussein selbst vermutet wurde. Der BND-Mann habe das Treffen bestätigt, und zwölf Minuten später seien die US-Bomben eingeschlagen. Vier Häuser wurden zerstört, zwölf Zivilisten getötet, nicht aber die Gesuchten. Die Medien berufen sich auf Aussagen eines nicht namentlich genannten ehemaligen Mitarbeiters des US-Verteidigungsministeriums.

Steinmeier und BND-Chef Ernst Uhrlau stritten dies gestern ab. Beide waren damals - Steinmeier als Kanzleramtsminister, Uhrlau als Geheimdienstkoordinator - für Aktionen des BND verantwortlich. BND-Mitarbeiter seien während des Krieges zwar in Bagdad gewesen, bestätigten sie. Steinmeier sagte aber, die Agenten hätten "in deutschem Auftrag ein Mindestmaß an eigenen Erkenntnissen über die Entwicklung im Irak und den Kriegsverlauf" erlangen sollen. Die Gefährdungslage der in Kuwait stationierten Bundeswehrsoldaten habe zuverlässig abgeschätzt werden müssen. Die politische Entscheidung der Bundesregierung, den Irak-Krieg abzulehnen, habe aber auch für die BND-Agenten gegolten.

Uhrlau setzte in der "Welt" hinzu: "Wir waren nicht an der Verfolgung Saddam Husseins beteiligt." Anders als behauptet, seien vor dem Angriff der US-Luftwaffe am 7. April keine BND-Mitarbeiter am Ort gewesen. Sein Sprecher Philip Lechtape nannte gegenüber dem Abendblatt "die Annahme, daß unsere Leute als taktisches Feldkommando unterwegs waren und den Amerikanern Zielkoordinaten geliefert haben, weltfremd, um nicht zu sagen absurd". Man habe vor dem Krieg "mit anderen nicht-kriegführenden Nationen" Koordinaten von nicht zu bombardierenden Zielen an die USA gegeben. "Mit dem Ziel Botschaften, Krankenhäuser und Kindergärten zu schützen", sagte Lechtape. "Das ist ganz normal." Das Kanzleramt sei über alles informiert gewesen.

Ob wirklich alles "normal" gelaufen ist, wollen jetzt vor allem die Oppositionsparteien aufgeklärt wissen. Der Sachverhalt sage ihm nichts, sagte der ehemalige Grünen-Außenminister Joschka Fischer bei der Fraktionsklausur seiner Partei gestern in Wörlitz. Ein Untersuchungsauschuß könnte ans Licht bringen, ob das stimmt - und von dem ist auch seine eigene Partei nicht mehr weit entfernt. Sie beantragte eine aktuelle Stunde dazu im Bundestag und die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Geheimdienste überwacht. Ein Untersuchungsausschuß wird auch von der FDP und der Linkspartei erwogen. Dafür müssen alle drei Oppositionsparteien gemeinsam stimmen.