Dialogforum: Zwei Tage lang diskutierten hochrangige Experten auf Einladung des Springer-Verlags die Problemlage in Nahost

Berlin. Der Kampf gegen den Terror, die Konflikte mit dem Irak, die nukleare Bedrohung durch den Iran, die erbitterte israelisch-palästinensische Auseinandersetzung - selten gaben die Nachrichten aus dem krisengeschüttelten Nahen Osten Anlaß zu Optimismus. So schien es fast wie ein unheilvolles Zeichen, als zur Eröffnung des 6. Europäisch-Israelischen Dialogs im Berliner Verlagshaus Axel Springer AG eine Kerze aus dem jüdischen Chanukka-Leuchter purzelte. Aber nur beinahe. "Was herunterfällt, muß wieder aufgerichtet werden", sagte Gastgeber Mathias Döpfner. Und 120 internationale Konferenzteilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Medien stimmten dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG in dieser Einschätzung zu.

Auch im übertragenen Sinn kommt der Episode Symbolkraft zu. Der Nahe Osten steht nach dem Tod von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, nach der Wiederwahl von US-Präsident George W. Bush und der Regierungsumbildung in Israel vor einer Neuordnung - mit allen Chancen und Risiken. So hat Bundesaußenminister Joschka Fischer bei seiner jüngsten Reise in die Region eine "komplette Veränderung in der Atmosphäre" verspürt und sieht vor allem die Palästinenser an einer Wegscheide. "Der Friedensprozeß hat irgendwo zwischen Revolution und Staatsplanung stagniert", sagte Fischer. "Das hat zur Intifada und zu einem völligen Kollaps des Vertrauens geführt." Sollten die Palästinenser jetzt erkennen, daß sie die Terrorattacken stoppen und mit dem Aufbau einer zivilen Gesellschaft beginnen müssen, "dann haben wir eine reelle Chance". Für Europa forderte Fischer im Prozeß des friedlichen Wandels eine zentrale Rolle.

Damit stieß er umgehend auf den Widerspruch von Ehud Olmert, israelischer Vize-Premier, der sich bitter beklagte, daß sich "Israel von Europa allein gelassen" fühle. "In fast allen politischen Fragen hat die EU gegen Israel Stellung bezogen, manchmal beinahe automatisch", sagte Olmert und forderte eine Neuorientierung in den Beziehungen und etwas mehr Zurückhaltung der EU.

Oded Eran, israelischer Botschafter bei der EU, sieht dagegen in Europa "mehr als den Markt, auf dem Israel seine Blumen verkauft". Eran ermunterte die EU, gemeinsam mit den USA einen realistischen Marschallplan für den Nahen Osten zu entwerfen. Den langfristigen Wirtschaftsproblemen der Palästinenser sei viel zuwenig Beachtung zuteil geworden. Gleichzeitig müsse Europa Israel mit einbinden in eine psychologische Gemeinschaft. "Was ich als Israeli immer vermißt habe, ist das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Familie der Nationen."

Noch deutlicher wurde der frühere britische Botschafter bei der UNO, Sir Jeremy Greenstock: "Israel ist in der Welt extrem isoliert. Völlig ohne Freunde in der Region, fast ausgeschlossen aus der Staatengemeinschaft, ähnlich wie Nordkorea. Europa sollte für Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten, so etwas sein wie eine Familie", sagte Greenstock. "Und das, obwohl man sich seine Familie nicht aussuchen kann."

Aber seine Freunde kann man sich aussuchen. Die freundschaftliche Verbindung zwischen Israel und Europa wußte auch der frühere US-Vizeaußenminister Martin Indyk zu würdigen. Aber auch deren Grenzen: "Die USA haben in Nahost einen so großen Vorsprung bei der Vertrauensbildung, daß Europa das nicht mehr aufholen kann", sagte Indyk. Die EU sei nur flankierend in den Friedensprozeß eingebunden, auch. weil zu viele Köche bekanntlich den Brei verdürben.

Das räumte auch der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger ein. "Israelis sagen, das Beste, was die EU machen könne, ist, wenigstens nicht zu stören", sagte Pflüger. "Die Palästinenser wiederum fordern die EU zu einer größeren Rolle auf." Pflüger plädierte für den Mittelweg: Europa solle im Friedensprozeß ein "fairer Unterstützer" sein.

Zwei Tage lang diskutierten die hochrangigen Experten die nahöstliche Krisenproblematik und Lösungsansätze. Durchaus kontrovers, aber alle in einer tiefen Verbundenheit zu Israel. Friede Springer, die Witwe des Verlegers Axel Springer und Springer-Mehrheitsaktionärin, sagte zu der Konferenz: "Ich bin mit Leib und Seele dabei." Israel sei für sie eine "Liebe auf den ersten Blick gewesen", sagte sie dem Abendblatt. "Ich führe nun das weiter fort, was mein Mann mir gezeigt hat."