Kommentar

Das freundschaftliche Klima, das beim diesjährigen deutsch-israelischen Dialog im Berliner Verlag Axel Springer herrschte, konnte über eines nicht hinwegtäuschen: Europa und Israel mögen zu einer Familie gehören, doch in dieser herrscht offener Zwist. Dabei geht es nicht nur um antisemitische Zwischenfälle oder proarabische Neigungen in vielen europäischen Ländern, die Israel Sorgen machen, es geht um viel Grundsätzlicheres.

Zur Debatte steht, welche Optionen sich Politik in der heutigen Zeit offenhalten muß. Das EU-Konzept der sogenannten "soft power" setzt auf Pazifismus und Dialog auch in schwierigsten Fragen. Für Israel, das einen jahrzehntelangen Überlebenskampf gegen eine feindliche arabische Mehrheit führt, reicht dieses Konzept aber nicht aus.

Denn was passiert, wenn der Dialog erfolglos und als letztes Mittel nur noch die Anwendung von Gewalt übrigbleibt? Diese Frage könnte sich schon bald im Fall Iran stellen. Weder Israel noch die USA oder die EU können die Atombombe in der Hand von Kräften akzeptieren, die sich die Beseitigung des jüdischen Staates zum Ziel gesetzt haben. In Jerusalem herrschen aber Zweifel, ob die EU dieser Herausforderung gewachsen ist. Schon werden die alten Dämonen wach, die mit der Beschwichtigungspolitik (Appeasement) gegenüber Hitler verbunden sind.

Ähnlich verfahren ist die Palästina-Frage, die Israel jetzt allein zu lösen versucht. Die EU ist im nahöstlichen Friedensprozeß vorerst aus dem Spiel. Dabei wäre es gerade jetzt notwendig, daß sich Europäer und Israelis wieder ihres Zusammenhalts besinnen. Das gebietet ihnen schon die gemeinsame Geschichte.