Vor den Wahlen am Hindukusch stocken die USA ihre Truppen noch einmal auf. Doch mit einer neuen Strategie will Präsident Obama das Steuer in Afghanistan herumreißen. Er will mit gemäßigten Taliban sprechen und schließt sogar einen gänzlichen Abzug nicht aus. Experten sehen die Pläne kritisch.

Washington/Kabul. US-Präsident Barack Obama will mit einer umfassenden Strategie in Afghanistan das Steuer herumreißen und notfalls die US-Truppen ganz abziehen. Die USA müssten von der Vorstellung Abschied nehmen, den Krieg mit militärischen Mitteln gewinnen zu können.

"Und deshalb suchen wir nach einer umfassenden Strategie, zu der auch ein Ausstiegsszenario gehört", sagte Obama dem Fernsehsender CBS. Darüber hinaus wollten die Vereinigten Staaten ein größeres Augenmerk auf die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans lenken.

Vor den Wahlen in Afghanistan im August hat Obama allerdings erst einmal die Verstärkung der US-Truppen um 17 000 Soldaten befohlen. Sie sollen wegen der steigenden Gefahr von Anschlägen die bereits am Hindukusch eingesetzten 38 000 US-Soldaten unterstützen. Daneben bemühen sich die USA um eine engere Abstimmung mit ihren Verbündeten, die den Aufstand der radikal-islamischen Taliban und der al-Qaida mit etwa 30 000 Mann bekämpfen.

Der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, informierte die Alliierten über die strategische Neuausrichtung. Holbrooke traf zunächst mit Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer zusammen und wollte dann die Botschafter der anderen Nato-Staaten unterrichten.

Am Wochenende hatte der US-Diplomat zusätzliche Anstrengungen angekündigt, um die afghanische Polizei massiv zu verstärken. Zudem bemühten sich die USA darum, den afghanischen Bauern Alternativen zum Rauschgiftanbau schmackhaft zu machen. Die Taliban finanzieren ihren Kampf zum großen Teil mit dem Drogenhandel.

Ein weiterer Baustein der künftigen Afghanistan-Strategie könnte Experten zufolge ein Dialog mit gemäßigten Taliban sein, die Obama und sein Vizepräsident Joe Biden ins Gespräch gebracht haben. Vertreter radikal-islamischer Gruppen erteilten dieser Idee indes bereits eine Absage. "Die Taliban bilden eine Einheit und unter uns gibt es keine gemäßigten Taliban", sagte Sirajuddin Hakkani vom gleichnamigen Islamisten-Netzwerk, das enge Verbindungen zu den Taliban und zur al-Qaida unterhält.

Auch Politik-Experten meldeten Zweifel daran an, dass ein Dialog mit moderaten Taliban rasch Früchte tragen wird. "Das wird kein leichter Gang", warnte Professor C. Raja Mohan von der Nanyang-Universität in Singapur. "Jeder Schritt wäre mit Komplikationen verbunden." Insbesondere müssten die USA darum bemüht sein, die divergierenden Interessen Indiens und Pakistans unter einen Hut zu bringen.

Auch der Uno-Beauftragte für Afghanistan mahnte Gespräche mit der gesamten Taliban-Bewegung an. Gespräche mit einzelnen Gruppierungen sollten nicht geführt werden, sagte Kai Eide der französischen Zeitung "Le Monde".