Nach dem heimtückischen Anschlag auf die Zentrale des Roten Kreuzes überdenken Hilfsorganisationen, auch das deutsche THW, ihr Engagement.

Bagdad. Die Straße vor dem Hauptquartier des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) in Bagdad - ein Bild der Verwüstung: brennende Autowracks, Staubwolken, Trümmer, dicker schwarzer Rauch, verstörte Verletzte inmitten von Blutlachen, hilflose Retter. Eine apokalyptische Szene, die vergessen lässt, das der Fastenmonat Ramadan begonnen hat, für die gläubigen Moslems eine Zeit der Besinnung und der Einkehr. Der blutigste von fünf Selbstmordanschlägen mit insgesamt mindestens 42 Toten in Bagdad traf die Helfer. Ein doppelt heimtückischer Anschlag. Die IKRK-Zentrale war anders als die Einrichtungen der Irak-Alliierten kaum bewacht. Und dann kam das Verderben auch noch mit einem Krankenwagen. "Ich stand etwa 200 Meter entfernt, die Straße war noch ziemlich leer", berichtet der 31-jährige Hilfsarbeiter Selim Raschid, der um 8.30 auf dem Weg zur Arbeit war. "Ich sah einen Krankenwagen in Richtung Rotes Kreuz fahren, er begann einen Passat zu überholen. Dann wurde der Krankenwagen schneller und explodierte plötzlich." Es war ein klassischer Selbstmordanschlag. Zwölf Menschen starben, mindestens zehn weitere wurden verletzt, überwiegend Iraker. Auch Europäer seien unter den Verletzten, teilte der irakische Vize-Innenminister Ahmed Ibrahim mit. Die internationalen Organisationen sind längst dazu übergegangen, die meisten ihrer ausländischen Mitarbeiter aus dem gefährlichen Land abzuziehen. Auch das IKRK wird nach eigenen Angaben weitere ausländische Helfer von heute an ausfliegen. Die Organisation wolle dann sehen, "wie wir die Hilfe mit unseren irakischen Mitarbeitern fortsetzen können", sagte Delegationsleiter Pierre Gassmann der ARD. Nach seinen Worten sind derzeit 35 ausländische Mitarbeiter und 800 Einheimische für das Rote Kreuz im Irak tätig. IKRK-Sprecher Florian Westphal teilte mit, es habe zwar Warnungen gegeben. Diese seien aber so wenig konkret gewesen, "dass es unmöglich war, etwas zu unternehmen". In der Fassade des dreigeschossigen IKRK-Gebäudes klaffte nach dem Anschlag ein zwölf Meter breites Loch. Viele der irakischen Rot-Kreuz-Mitarbeiter rangen in einer Mischung aus Trauer und Schock um Fassung. "Wer tut so etwas", fragte Nadia Hamdan, seit vier Jahren Angestellte der Kommunikationsabteilung. "Wir tun nichts anderes, als den Irakern zu helfen. Wem nützt so etwas?" "Ja, ich bin wütend", sagte auch die Rot-Kreuz-Sprecherin Nada Doumani, eine Libanesin. Das IKRK arbeite seit 1980 im Irak und habe sich niemals in die Politik eingemischt. Der Anschlag hätte nach ihren Worten noch verheerender ausfallen können. Viele Bedienstete seien wegen des Ramadan-Beginns zur Zeit der Explosion noch nicht zur Arbeit erschienen. In der irakischen Bevölkerung genießt das IKRK überwiegend Respekt und Vertrauen. So halfen IKRK-Mitarbeiter bei der Rückführung von Kriegsgefangenen, beim Wiederaufbau von Krankenhäusern und der Wasserversorgung und sanitärer Anlagen. Weiter organisierten die Helfer das Minen-Räumen und hält Kontakt zu Gefangenen der Koalitionstruppen. Auch andere Hilfsorganisationen, darunter Ärzte ohne Grenzen, wollen ihren Einsatz im Irak zurückfahren. Die UNO-Organisationen erklärten aber, es sei unwahrscheinlich, dass sie ihre Arbeit noch weiter einschränken würden. Auch Experten des Technischen Hilfswerks (THW) und die deutsche Organisation HELP setzen ihre Arbeit in Bagdad zunächst fort. Das Bundesinnenministerium prüft nach eigenen Angaben, ob die Sicherheitslage den Verbleib der vier deutschen THW-Mitarbeiter zulasse, die derzeit in der Trinkwasserversorgung arbeiten. Die vier weiteren Autobomben-Anschläge galten irakischen Polizeistationen. Nach Angaben irakischer Behörden starben dabei mindestens acht irakische Polizisten, ein US-Soldat und viele Zivilisten. Unter insgesamt 230 Verletzten seien auch Kinder. US-Brigadegeneral Mark Hertling sagte in Bagad, die Attentäter hätten sich bei ihrer Planung über den Zeitpunkt der Bombenserie abgesprochen. Nach seinen Worten gibt es Hinweise, dass die Anschläge "das Werk von ausländischen Kämpfern" sind. Weltweit wurden die Anschläge auch als "gegen die Interessen des irakischen Volkes gerichtet" schärfstens verurteilt.