Tommy Ray Franks: Der Vier-Sterne-General führt die US-Streitkräfte in die Schlacht gegen Saddam Hussein

Washington. Danach befragt, wie er sich im Vergleich zum legendären Golfkriegs-General Norman Schwarzkopf sehe, antwortete Tommy Ray Franks nur trocken: "Tommy Franks ist kein Norman Schwarzkopf." Der Vier-Sterne-General, der die US-Streitkräfte in die Schlacht gegen Saddam Hussein führen soll, ist alles andere als ein Medienmensch. Der Chef des US-Zentralkommandos in Florida, das für insgesamt 25 Staaten, darunter die Golfregion, zuständig ist, fühlt sich an kaum einem anderen Ort so unwohl wie hinter einem Rednerpult, auf dessen anderer Seite eine Horde von Journalisten sitzt, um ihn mit Fragen zu attackieren. Während der massige "Stormin Norman" seine täglichen Auftritte vor der Presse zelebrierte und diese ihm ob seiner lebhaft-poltrigen Art huldigte, könnte Franks auch gut ohne öffentliche Auftritte leben. Der pensionierte Admiral Archie Clemins, der bis vor wenigen Jahren die amerikanische Pazifik-Flotte kommandierte und Franks aus Korea kennt, erklärte unlängst: "Viele Generale haben zwei Persönlichkeiten, eine Medienversion und eine echte. Bei Tommy ist das eins, er verstellt sich nicht." Das ist so allerdings auch nicht ganz richtig. Denn während der 57-Jährige vor laufenden Kameras nur schwer ein paar Worte über die Lippen bringt, lieben ihn seine Soldaten wegen seiner herzlichen, offenen und humorvollen Art. In der Truppe wird der hager wirkende, durchtrainierte Mann gerne als "Soldat der Soldaten" und "Soldat mit schlammigen Stiefeln" bezeichnet. Generalleutnant John M. Riggs nennt Franks einen "unglaublich qualifizierten" Soldaten "ohne Allüren", der weiß, was zu tun ist. Im Auftreten ist der Mann aus dem kleinen Dorf Wynnewood in Oklahoma immer noch der gute Junge vom Lande, der nicht gerne auffallen will. "Low profile" war jedoch schon immer das Credo von Tommy Ray Franks und vermutlich das Geheimnis seiner steilen Karriere. Wäre es anders, hätte sich Amerikas First Lady Laura Bush vermutlich an den General erinnert, als er ihr das erste Mal vorgestellt wurde. Denn er besuchte, nachdem seine Eltern von Oklahoma nach Midland (Texas) umgezogen waren, nicht nur dasselbe Gymnasium wie Laura Bush, sondern war sogar in ihrer Klasse, ohne dass er ihr besonders aufgefallen wäre. Als Footballspieler bei den "Lee High School Rebels" war er unterdurchschnittlich und als Schüler still und nicht besonders leistungsfähig. Bei einem Klassentreffen meinte sein ehemaliger Schuldirektor zu Franks: "Du warst ja nun wirklich nicht der Hellste in deiner Klasse." Der General antwortete: "Leben wir nicht in einem großartigen Land, wo so etwas möglich ist?" Im staubigen Midland, wo sowohl Bush senior als auch der heutige US-Präsident ihre ersten Millionen im Ölgeschäft machten, liebte Franks die "kleinen Freuden", wie er einmal erklärte: "Vögel schießen, Motorrad fahren, Zigarren rauchen und Margaritas in der Stammkneipe trinken." Zur Armee kam der junge Franks eher durch Zufall, als er sein Studium an der Universität von Texas erfolglos abgebrochen hatte und nicht wusste, was er sonst tun sollte. Bei drei Einsätzen in Vietnam wurde er genauso oft schwer verletzt und bekam drei "Purple Hearts", den Tapferkeitsorden für Verwundete. Seiner Frau Cathy versprach er nach der Hochzeit 1968, dass er die Uniform "bald an den Nagel hängen" werde. Ein Versprechen, das Franks, der noch zwei Universitätsabschlüsse in Betriebswirtschaft und Verwaltungswissenschaften "erledigte", nicht einhielt. Nach Stationen in Korea, Texas und Deutschland landete der Wahltexaner, nachdem er in der Operation "Desert Storm" die Helikopter und Bodentruppen befehligt hatte, im Pentagon. Dort trug man ihm auf, die US-Streitkräfte neu zu ordnen. 1995 wurde Franks General und wenig später Stellvertreter von Anthony Zinni, dem Chef des US-Zentralkommandos in Florida. Seit 2000 leitet nun der "Junge vom Lande" das Kommando in Tampa. Während Präsident George W. Bush den Vier-Sterne-General seinen "Freund" nennt, sind die Differenzen zwischen Franks und US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schon lange kein Geheimnis mehr. Denn trotz seiner zurückhaltenden stillen Art lässt der Oberkommandierende der US-Truppen in Irak nie einen Zweifel daran, was er will und was er glaubt, dass getan werden muss. Als ihn Bush fragte, was er für eine Invasion in Irak brauche, antwortete Franks wie aus der Pistole geschossen: "Fünf Divisionen und fünf Flugzeugträger." Ein verärgerter Rumsfeld wies den General an, die gewünschte Truppenstärke "um mindestens die Hälfte" herunterzuschrauben und lieber auf "schnelle Spezialeinheiten" zurückzugreifen, die den Job umgehend erledigen könnten. US-Außenminister Colin Powell, der zu Zeiten des ersten Golfkriegs Generalstabschef der US-Streitkräfte war, versuchte zu vermitteln. Franks baut auf eine starke Armee, die durch ihre zahlenmäßige Stärke und überlegene Ausrüstung jeden Gegner quasi erdrückt. Rumsfeld ist dagegen technologiehörig und hält den Einsatz großer Truppenverbände für unzeitgemäß. Im Falle Irak spielte die Zeit für Franks. Durch das lange diplomatische Ringen konnten die von ihm gewünschten Soldaten und Waffen in die Golfregion gebracht werden. Ursprünglich hatte der "Soldat der Soldaten" damit gerechnet, dass die Operation in Afghanistan sein letzter großer Einsatz sein würde und er sich einen möglichen zweiten Golfkrieg auf CNN anschauen würde. Denn laut Plan hätte Franks eigentlich im vergangenen Sommer in Ruhestand gehen sollen. Auf persönliche Bitte von Bush und wegen inzwischen widerlegter Vorwürfe, er habe seiner Frau Cathy Zugang zu geheimen Materialien erlaubt, blieb er noch. Mit gemischten Gefühlen verabschiedete sich der Mann aus Oklahoma am Freitag vergangener Woche auf der McDill Air Force Base, wo er lebt, von seiner Frau, seiner Tochter Jacqueline und den beiden Enkeln, die ihn einst mit dem Kuschelbär und Cartoon Pooh verglichen und seither nur noch liebevoll "General Pooh" nennen. Ein paar herzliche Umarmungen, ein deutlich hörbares "bis bald". Fragen von Reportern, was dieser Abschied für ihn bedeutet, bleiben unbeantwortet. 15 Stunden später ist Tommy Ray Franks in Kuwait und erklärt den dort auf den Einsatz wartenden Soldaten: "Wir müssen unseren Job sehr ernst nehmen, dabei jedoch nie vergessen, dass wir uns selbst nicht zu ernst nehmen."