Griechenland müsse sofort eine Regierung bekommen und er werde versuchen, so viele Parteien wie möglich in diese einzubinden, sagte der Vorsitzende der konservativen Neuen Demokratie, Antonis Samaras.

Athen/Berlin. Trotz der Weigerung der radikalen Linksallianz Syriza sich an der neuen griechischen Regierung zu beteiligen, will der griechische Wahlsieger Antonis Samaras sich weiter um die Bildung einer breiten Koalition bemühen. Griechenland müsse sofort eine Regierung bekommen und er werde versuchen, so viele Parteien wie möglich in diese einzubinden, sagte der Vorsitzende der konservativen Neuen Demokratie am Montag nach einem Treffen mit Syriza-Parteichef Alexis Tsipras. Tsipras hatte bereits am Wahlabend erklärt, in die Opposition gehen zu wollen.

Der Wahlsieg der Euro-Befürworter beruhigt die Lage in Griechenland nach Ansicht führender Wirtschaftsforscher nur vorübergehend. Die Probleme sind nicht gelöst, sagte Ökonom Clemens Fuest am Montag der Nachrichtenagentur dapd. Das Ergebnis der Neuwahlen bringe nur „kurzfristig eine Entspannung“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. „Anspannung und Turbulenzen an den Finanzmärkten dürften rasch wiederkommen.“

Die ökonomischen Probleme des Landes seien in keiner Weise gelöst, sagte der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar. Nach wie vor gebe es zahlreiche Unsicherheiten. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sprach von einer „stimmungsmäßigen Entlastung“. Mit dem Wahlsieg der konservativen Neue Demokratie (ND), die ein proeuropäisches Bündnis anstrebt, sei „Druck aus dem Karton“. Aber Griechenland stehe „ein mühsamer Weg bevor“.

Der Ökonom und Fondsmanager Max Otte hält einen Euro-Austritt des Landes für unvermeidbar. „Ein geordnetes Insolvenzverfahren, das brauchen wir.“ Ein Verbleib der Griechen im Euro nutze nur der Polit-Elite und der Finanz-Oligarchie, sagte der Ökonom, der bereits 2006 die Finanzkrise vorhersagte. Wenn Athen die Drachme einführe, sei nicht mit großen Problemen für den Rest der Welt zu rechnen.

Straubhaar rät der künftigen Regierung, von der „Kriegsrhetorik abzurücken“, die Deutschland und andere Euroländer „als Gegner verurteilten“. Athen müsse die „weiße Fahne hissen“ und die Bereitschaft zeigen, die Probleme gemeinsam mit Brüssel zu lösen. Die EU solle dies dann akzeptieren und im Gegenzug Griechenland die Fristen zur Umsetzung der Sparmaßnahmen verlängern.

Oxford-Professor Fuest, der auch die Bundesregierung berät, mahnte Griechenland zu mehr Anstrengungen. Der Reformprozess müsse unverändert fortgesetzt werden. Vor einer Aufweichung der Sparauflagen für das Land warnte Fuest. Die Politik und die Finanzinstitute machten das Land auf Dauer abhängig, wenn sie die Hilfen großzügiger gestalteten.

„Wenn die Anpassung hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit nicht gelingt, hat das Land keine Zukunft in der Eurozone“, sagte Fuest. Ähnlich wie Carstensen plädiert er für niedrigere Einkommen und Preise. „Wenn die Löhne und andere Kosten sinken, dann kommen Unternehmer auf Ideen“, erklärte Fuest. Er gab sich überzeugt, dass der Umbruch gelingen kann. „Jedes Land hat etwas anzubieten“, sagte der Regierungsberater. „Griechenland hat tolle Orte, an denen man Urlaub machen kann. Aber auch Industrien, etwa im Logistikbereich.“

Carstensen sieht mögliche Investitionsprogramme der Europäischen Union kritisch an. „Ich halte es für ganz schwierig, wenn sich Politiker in Brüssel zusammensetzen und sagen: 'Wir müssen Branchen A, B und C fördern.'“ Das müsste dezentral in Griechenland passieren. „Denn Planwirtschaft funktioniert ja – wie wir wissen - nicht.“

Auch der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, sagte, die Griechen müssten selbst identifizieren, „wo zukunftsfähige Branchen liegen“. Dies müssten Unternehmer und Investoren in der Region tun. Die Schuldenkrise wird auch nach seinen Worten noch länger dauern. „Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass sie auf der Schwel- und Brodelstufe zu kontrollieren ist.“

Die Wunschliste der neuen griechischen Regierung

Griechenland könnte schon bald eine neue Koalitionsregierung haben, deren zwei Parteien das Rettungspaket und die damit verbundenen Auflagen weitgehend akzeptieren. Allerdings haben sowohl die konservative Neue Demokratie (ND) als auch ihr potenzieller Partner, die sozialistische Pasok, angekündigt, sie würden gern einige Bedingungen neu verhandeln. Damit soll der Druck auf die tief in einer Rezession steckenden Wirtschaft verringert werden. Es folgenden einige Punkte, die auf der Wunschliste der griechischen Regierung stehen dürften:

AUSGABENKÜRZUNGEN

Griechenland will mehr Zeit, um die für 2013 und 2014 geplanten Haushaltskürzungen von 11,7 Milliarden Euro umzusetzen. ND-Chef Antonis Samaras hat sich dafür ausgesprochen, den Zeitrahmen für die Kürzungen bis 2016 auszudehnen. Pasok-Chef Evangelos Venizelos peilt sogar 2017 an.

SOZIALAUSGABEN

Samaras hat ein 650-Millionen-Euro-Paket versprochen, um die niedrigsten Renten wieder auf das Niveau von 2009 anzuheben. Außerdem sollen damit Bauern, Polizisten und kinderreiche Familien unterstützt werden, die von den Haushaltskürzungen besonders betroffen seien. Daneben hat Samaras angekündigt, dass Arbeitslosengeld zwei Jahre statt wie bislang ein Jahr gezahlt werden soll. Anspruchsberechtigt sollen auch Selbstständige und Ladenbesitzer werden, die wegen der Wirtschaftskrise ihre Geschäfte schließen mussten.

STEUERN

Die Neue Demokratie will vom kommenden Jahr an die Unternehmensteuer auf 15 von derzeit 20 Prozent senken. Die Mehrwertsteuer soll schrittweise in drei Jahren auf 19 von gegenwärtig 23 Prozent reduziert werden. Den Spitzensteuersatz für Personen will die ND schrittweise auf 32 Prozent absenken. Jetzt liegt er bei 45 Prozent. Außerdem soll eine prozentuale Obergrenze für die Steuerbelastung privater Haushalte eingeführt werden. Der Freibetrag für die Einkommensteuer von Privatpersonen soll von 5000 auf 10.000 Euro angehoben werden.

ARBEITSRECHT

Die ND und die Pasok haben angekündigt, Tarifverträge zu stärken und die Arbeiter in dem schnell schrumpfenden Arbeitsmarkt besser zu schützen. Die Sozialisten wollen zudem, dass der in der Europäischen Union (EU) geltende Standard im Arbeitsrecht auch in Griechenland gilt. Die Konservativen haben sich dafür ausgesprochen, dass es über den bisher durchgesetzten keinen weiteren Lohnabbau im privaten Sektor gibt.

SCHULDENABBAU

Beide Parteien wollen griechische Kleinanleger entschädigen, die Staatanleihen gekauft hatten und im Rahmen des Schuldenschnitts 75 Prozent ihrer Ersparnisse verloren haben. Die Gläubiger Griechenlands haben allerdings davor gewarnt, einzelne Gruppen von Anleihe-Inhabern unterschiedlich zu behandeln.

ÖFFENTLICHER DIENST

Eine Bedingung der Griechenlandhilfe ist, dass das Personal im öffentlichen Dienst des Landes bis 2015 um 150.000 Personen reduziert wird. Erreicht werden soll das vor allem dadurch, dass auf zehn Pensionierungen nur eine Neueinstellung erfolgen darf. Mindestens 15.000 Beschäftigte im Staatsdienst sollen entlassen werden, nachdem sie ein Jahr in einer sogenannten Arbeitskräftereserve geparkt wurden, wo sie lediglich ein Grundeinkommen erhalten. Die ND will erreichen, dass sie dieses Einkommen und Anteile zu den Sozialabgaben für insgesamt drei Jahre erhalten.

Mit Material von dapd und rtr