Der Wandel solle mit Wirtschaftshilfen in Milliardenhöhe sowie einem erneuten Anlauf für den Frieden in Nahost gesichert werden.

Washington. Nach den massiven Umwälzungen in der arabischen Welt hat US-Präsident Barack Obama die Demokratiebewegung gepriesen und zugleich Gewaltherrscher und Terroristen scharf angegriffen. Der historische Wandel solle nun mit amerikanischen Wirtschaftshilfen in Milliardenhöhe sowie einem erneuten Anlauf für den Frieden in Nahost gesichert werden, sagte Obama am Donnerstag in einer langerwarteten außenpolitischen Grundsatzrede in Washington. Dort die universellen Menschenrechte zu sichern sei die „Top-Priorität“ seiner Politik.

Die Menschen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika hätten ihre Zukunft in die eigenen Hände genommen. Er verglich den „arabischen Frühling“ mit der amerikanischen Revolution. Sie sei längst überfällig gewesen. „Durch die moralische Kraft der Gewaltlosigkeit hat die Bevölkerung in der Region mehr Wandel in sechs Monaten erreicht als Terroristen in Jahrzehnten“, sagte er.

Gleichzeitig rief er die Menschen zu Geduld auf: „Es wird Jahre dauern, bis diese Geschichte zu Ende geht. Auf dem Weg dorthin wird es gute Tage geben und schlechte Tage...“.

An die Adresse Israels und der Palästinenser gewandt sagte Obama, dass ein andauernder Frieden nun wichtiger sei als jemals zuvor. Er machte deutlich, dass die USA weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung plädieren, mit einem in sicheren Grenzen lebenden Israel und einem existenzfähigen Palästina.

Zur strittigen Grenzfrage sagte Obama: „Die Grenzen von Israel und Palästina sollten auf den Linien von 1967 basieren, mit einem Austausch, auf den sich beide Seiten verständigen, so dass für beide Staaten sichere und anerkannte Grenzen etabliert werden“.

US-Medien interpretierten dies so, dass er sich erstmals öffentlich dafür ausgesprochen habe, die Verhandlungen auf Grundlage der Grenzen vor dem Sechstagekrieg im Juni 1967 zu führen. Diese Ausgangsposition für Verhandlungen anzusetzen entspreche der Kernforderung der Palästinenser, schrieb die „New York Times“ im Anschluss an die Rede. Dies könnte ihre Bereitschaft zu den seit Ende September auf Eis liegenden Gesprächen ermöglichen.

Der Verweis auf die Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 war vor allem ein Signal an die Israelis, dass Obama Konzessionen erwartet, hieß es. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu – der am Freitag im Weißen Haus empfangen wird – lehnt ein solches Zugeständnis strikt ab. Israel wäre dann nicht mehr zu verteidigen, meint er. Israel hatte im Sechstagekrieg weite Teile des Westjordanlandes und der Golanhöhen besetzt.

In drei weiteren wichtigen Punkten unterstützte Obama jedoch die Position Israels. Obama verlangte von Israel nicht ausdrücklich eine Baustopp in den Siedlungen. Außerdem forderte er die Palästinenser auf, einseitige Schritte zu unterlassen. „Symbolische Aktionen, um Israel im September in den Vereinten Nationen zu isolieren, werden keinen unabhängigen Staat schaffen“, sagte Obama.

Die Palästinenserführung wollte im September die UN-Generalversammlung bitten, einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 mit einer Hauptstadt Ostjerusalem anzuerkennen.

Der US-Präsident unterstützte weiterhin die israelische Position, wonach in den Friedensverhandlungen zuerst über Grenzen und Sicherheit für Israel gesprochen werden sollte.

Zum Wandel in Nahost und in Nordafrika sagte der Präsident, dieser biete eine „einzigartige Chance“. Obama hob das große politische Interesse der USA hervor, den demokratischen Wandel in der gesamten Region zu unterstützen. Die universellen Menschenrechte in den Ländern zu stützen sei nicht nebensächlich, sondern für die USA die Hauptsache. Das gelte insbesondere für Länder, wo politische Umbrüche noch ausstünden.

Obama kündigte umfassende Wirtschaftshilfen des Westens für die Region, zunächst vor allem Ägypten und Tunesien, an. Allein Ägypten erhalte eine Milliarde Dollar Schuldenerlass und eine Kreditsicherung in gleicher Höhe. „Auch wenn wir für politische Reformen und Menschenrechte in der Region werben, können wir es bei unseren Bemühungen nicht damit bewenden lassen“, sagte Obama. „So liegt der zweite Weg in der Förderung wirtschaftlicher Entwicklung für Nationen im Übergang zur Demokratie.“ Auch der G8-Gipfel nächste Woche in Frankreich müsse Initiativen auf den Weg bringen.

Eindeutig plädierte Obama für religiöse Toleranz auch in der islamischen Welt. Zudem hob er die Erfolge der US-Politik vor allem im Kampf gegen den Terrorismus hervor. Die Tötung von Osama bin Laden war demnach ein schwerer Schlag für die Al-Kaida. „Bin Laden war kein Märtyrer. Er war ein Massenmörder, der eine Botschaft des Hasses hatte.“

Zugleich forderte Obama praktisch den Rücktritt des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Entweder Assad leite den Wandel in seinem Land oder er müsse zur Seite treten.

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US-Präsident Barack Obama traf sich in Washington mit dem jordanischen König Abdullah und erörterte die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten und Nordafrika - den Sturz langjähriger Herrscher in Tunesien und Ägypten nach Massenprotesten sowie die Unruhen in Libyen, Syrien, Bahrain und im Jemen. Obama rief die Führungspersönlichkeiten in der Region zu politischen und wirtschaftlichen Reformen.

Die „rapide Transformation“ in der Nahostregion erfordere ausreichende politische und wirtschaftliche Reformen, um der jungen Generation eine Perspektive zu bieten, sagte Obama in einem Ausblick auf seine für Donnerstag geplante Rede im US-Außenministerium. „So viel von dem, was vor sich geht, hat mit den Bestrebungen der jungen Menschen in der arabischen Welt zu tun, ihr eigenes Schicksal bestimmen zu dürfen, eine Ausbildung und einen Job zu erhalten, in der Lage zu sein, eine Familie zu unterhalten“, sagte Obama. „Und das bedeutet, dass manche der alten Strukturen, die sie am Fortschritt gehindert haben, geändert werden müssen.“ Angesichts der Umbrüche in der Region sei es nötiger denn je, dass Palästinenser und Israelis an den Verhandlungstisch zurückkehrten, sagte Obama am Dienstag in Washington nach einem Gespräch mit dem jordanischen König Abdullah. Obama sagte, er wolle sich weiter für eine Zweistaatenlösung einsetzen. Allerdings präsentierte er keine neuen Überlegungen, wie er dem vor Monaten zuletzt gescheiterten Friedensprozess neues Leben einhauchen will.

Auch die jordanische Führung war Anfang des Jahres mit Protestaktionen konfrontiert, Abdullah versprach Reformen und entließ die Regierung. Beim Treffen mit Obama bedankte sich der König für die „Unterstützung der Vereinigten Staaten und einer Menge von unseren internationalen Freunden“, die es ermöglicht habe, „Reformen in unserem Land auf eine entschlossene Weise zu verfolgen“.

An diesem Freitag kommt Obama in Washington mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammen, am Sonntag wird er vor einer wichtigen proisraelischen Lobbygruppe sprechen. (dpa/reuters/abendblatt.de)