Die Hilfe über 110 Milliarden Euro erfordert in den EU-Ländern rigide Sparmaßnahmen. IW-Chef Hüther bewertet die Brüsseler Beschlüsse.

Hamburg. Mit 110 Milliarden Euro wird Griechenland in den kommenden drei Jahren unterstützt, um die Staatspleite abzuwenden. Die EU-Finanzminister einigten sich in Brüssel auf ein Hilfspaket. Im Gegenzug stehen den Griechen scharfe Einschnitte bevor. Im Abendblatt beantwortet der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, die wichtigsten Fragen.

Wie helfen die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds?

Im ersten Jahr stehen den Griechen etwa 45 Milliarden Euro zur Verfügung: 30 Milliarden von den Euro-Partnern und bis zu 15 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Geld wird in Tranchen ausgezahlt. Vor jeder Zahlung wird überprüft, ob Griechenland seine Sparmaßnahmen umsetzt.

In Deutschland werden Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat innerhalb dieser Woche die Griechenland-Hilfe in ein Gesetz gießen. Dazu sagt Hüther: "Von der Größenordnung her ist es so, dass es die Refinanzierungsbedarfe der Griechen bis zum Jahresende deckt. Griechenland kann also auf den Zugang zum Kapitalmarkt verzichten. Damit wird es allerdings vermutlich nicht getan sein. Wir wissen aus allen Auslandsschuldenkrisen vergangener Jahrzehnte: Das ist keine Sache von neun Monaten. Argentinien etwa hat bis heute noch keinen richtigen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten."

Welchen Anteil trägt Deutschland an der Griechen-Hilfe?

Auf 22,4 Milliarden Euro beziffert Finanzminister Wolfgang Schäuble die deutschen Einlagen des Rettungspaketes. "Es ist unser Auftrag, die Stabilität der Eurozone als Ganzes zu verteidigen. Je besser wir den erfüllen, desto besser für alle Europäer und damit für alle in Deutschland", sagte Schäuble.

Wie sicher ist es, dass Deutschland das Geld zurückbekommt?

Das ist die entscheidende Frage für die skeptischen Bundesbürger. IW-Chef Hüther sagt: "Wir haben eine große Chance, das Geld wiederzusehen. Am Ende des Tages könnten wir fünf Prozent auf das bekommen, was wir ausgereicht haben, und haben selbst nur drei Prozent bezahlen müssen. Auf lange Sicht muss das Hilfspaket den Steuerzahler nicht belasten."

Wozu verpflichten sich die Griechen beim Sparen?

In diesem Jahr soll das Haushaltsdefizit (2009: 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) um fünf Punkte und 2011 um vier Punkte gesenkt werden. Das erfordert ein rigides Spardiktat. So soll die Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent steigen. Die Steuern auf Treibstoff, Zigaretten und Alkohol werden ebenso erhöht. Besonders rentable Unternehmen und Spitzenverdiener sollen eine Extrasteuer zahlen.

Die Beamtenpensionen sinken. Das Weihnachts-, Oster- und Sommerurlaubsgeld für Beamte mit mehr als 3000 Euro im Monat entfällt. Bei den unteren Beamten-Besoldungsgruppen werden die Boni bei 1000 Euro eingefroren. Frühpensionierungen soll es nicht mehr geben. Bis 2015 wird die Lebensarbeitszeit von 37 auf 40 Jahre angehoben. Der Kündigungsschutz wird gelockert.

Hüther begrüßt das: "Die Sanierung des Staatshaushaltes ist das Kernthema, das zweite ist die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft. Man muss das Handeln der griechischen Volkswirtschaft auf eine breitere Basis stellen. Die größten an den Aktienmärkten notierten Unternehmen sind ja nicht gerade Prachtunternehmen. Das sind enorme Einschnitte, eine Rosskur für die Griechen."

Welchen Beitrag leisten die Banken zum Hilfspaket der Europäer?

Die Euro-Länder erwarten, dass die Banken einen Teil der Lasten tragen. "Wir wollen nicht, dass wir zum zweiten Mal für das Zocken und Spekulieren der europäischen Banken zahlen. Das sollen die mal selbst machen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dazu sind die Institute auch bereit. Nach Informationen von Reuters sind zwei Milliarden Euro informell zugesagt.

Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, soll die Hilfen angestoßen haben. Die Versicherungen Allianz und Münchener Rück wollen sich angeblich daran beteiligen. Auch Siemens und Daimler seien um Beiträge gebeten worden. Hüther spricht sich dafür aus, die Gläubiger miteinzubeziehen: "Man muss einfach sehen: Da ist wie im Blindflug des Kapitalmarktes und der Ratingagenturen das Geld gegeben worden." Es gehe nicht nur um die Verantwortung der Griechen, sondern um die Frage: "Wie haben die gehandelt, die das Geld gegeben haben?"

Gibt es einen Domino-Effekt und bald Hilfspakete für andere Länder?

Hüther beschwichtigt: "In Griechenland war es immer weit mehr als eine Krise der Staatsfinanzen, es war eine Krise des Staates. Die Ausgangslage ist völlig anders. Die Schuldenstandsquote in Spanien ist bei etwa 54 Prozent, in Portugal etwa bei 76 Prozent. Das ist von den 115 Prozent in Griechenland doch weit entfernt." Portugal und Spanien hätten verschlafen, die Vorteile des Euro für den Umbau der Wirtschaft zu nutzen. "Aber wenn Griechenland in diese Hilfskonstruktion hineinkommt, sollten sich die Diskussionen um den Domino-Effekt beruhigen."