Berlin. Das Grundgesetz wurde schon oft nachgebessert, auch zum Jubiläum gibt es Pläne: Dürfen schon 16-Jährige bald den Bundestag wählen?

Braucht das Grundgesetz mit 75 Jahren eine Auffrischungskur? Pläne dazu gibt es viele. Zu den wichtigsten, aber umstrittenen Forderungen für eine Modernisierung der Verfassung gehören die Verpflichtung zum Klimaschutz und die Verankerung von sozialen Rechten – etwa das Recht auf Wohnen oder die Aufnahme von Kinderrechten. „Keine Party ohne Kinderrechte“, trommeln Verbände wie der Kinderschutzbund oder Unicef pünktlich zum Jubiläum für diese seit Langem diskutierte Reform, die 2021 schon recht weit gediehen war, aber dann doch noch scheiterte.

Neue Hoffnungen hat die Ampelkoalition gemacht, als sie zu Beginn dieser Wahlperiode Pläne für eine größere Nachbesserung des Grundgesetzes vorlegte: von der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre schon zur nächsten Bundestagswahl über ein Staatsziel Sport und Kultur bis zur Streichung des Begriffs Rasse in Artikel 3 zum Diskriminierungsverbot. Und auch die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung wollte die Ampel endlich realisieren. Allein, geworden ist aus all diesen Plänen bis jetzt nichts.

Für die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat bräuchte die Ampel die Union. Die war sowieso skeptisch, vor wenigen Monaten hat CDU-Chef Friedrich Merz dann klargemacht, dass die Koalition nicht mehr auf Unterstützung bei diesen Vorhaben rechnen kann – weil die Ampel ohnehin an einer Zusammenarbeit mit der Union „nicht ernsthaft interessiert“ sei.

Die Idee zur Streichung des Rasse-Begriffs hatte die Koalition vorher selbst beerdigt. Immerhin hatte die Union 2022 dem Verfassungseingriff für das Sondervermögen Bundeswehr zugestimmt; aktuell wird über eine Änderung verhandelt, um das Bundesverfassungsgericht besser zu schützen. So bleiben Verfassungsänderungen eine Daueraufgabe: In den 75 Jahren ist das Grundgesetz schon 67-mal nachgebessert worden, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zum Jubiläum vorrechnet. Dabei wurden 122 der aktuell 203 Grundgesetz-Artikel geändert.

Bundeswehr-Soldaten bei einer Marschübung. Die Aufstellung der Bundeswehr machte 1956 die erste große Änderung des Grundgesetzes erforderlich.
Bundeswehr-Soldaten bei einer Marschübung. Die Aufstellung der Bundeswehr machte 1956 die erste große Änderung des Grundgesetzes erforderlich. © FMN | Bundeswehr/Sebastian Tappeser

Erste bedeutende Ergänzung war 1956 die Wehrverfassung zur Aufstellung der Bundeswehr, die ebenso umstritten war wie zwölf Jahre später die Notstandsgesetze. Nach der Wiedervereinigung wurde der einschlägige Artikel 23 durch das Ziel der europäischen Integration ersetzt. Große Debatten lösten in den 90er-Jahren die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und die Erlaubnis zum heimlichen Lauschangriff aus. In diese Zeit fällt aber auch die Verankerung eines – nicht einklagbaren – Staatsziels Umweltschutz, das später um Tierschutz ergänzt wurde.