Berlin. Mit Kontakten nach China, Russland und Iran gehört das Land zu den Gewinnern des Ukraine-Kriegs. Das erhöht die Spannungen.

Eilmeldungen wie diese kennt man in Südkorea: „Nordkorea feuert nicht spezifizierte ballistische Rakete in Richtung des Ostmeers.“ Mal wieder hatte Südkoreas verfeindeter Bruderstaat einen nicht so freundlichen Gruß hinterlassen, in etwa mit der Botschaft: „Solltet ihr oder eure Freunde uns jemals angreifen, knallt es, aber sehr laut.“

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Und über die Jahre, in denen man sich in Südkorea an diese Nachbarschaftspolitik seitens des Nordens gewöhnt hat, war man abgestumpft, quittierte das Zündeln oft nur noch achselzuckend. Doch diese Zeit ist vorbei. Nicht nur, weil mit Yoon Suk-yeol ein Populist in Südkorea regiert, der seinerseits mit Drohungen und Aufrüstung seinen Teil dazu beiträgt, dass die Spannung auf der koreanischen Halbinsel so hoch ist wie vielleicht seit Jahrzehnten nicht.

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    Die zunehmende Nervosität im Süden hat auch damit zu tun, dass der Norden nicht mehr allein dasteht. Im Fall einer militärischen Auseinandersetzung sieht es mittlerweile so aus, als könnte nicht nur das im Westen gut vernetzte Südkorea auf kräftige Hilfe zählen, sondern auch Nordkorea. Seit gut zwei Jahren arbeitet Diktator Kim Jong-un unter Hochdruck an einer intensiven Vernetzung Nordkoreas in der Welt. Und das Netzwerk Pjöngjangs kann sich mittlerweile sehen lassen.

    Nordkorea mausert sich zum regionalen Player

    „Nordkorea ist einer der großen Gewinner des Ukraine-Krieges“, sagt Choi Eun-ju, Nordkorea-Expertin beim Sejong-Institut in Seoul, dem ältesten unabhängigen Thinktank Südkoreas. Denn bevor Russlands Präsident Wladimir Putin Anfang 2022 seine Truppen in die Ukraine einmarschieren ließ, war kaum ein Land diplomatisch so isoliert wie der von einer diktatorischen kommunistischen Partei regierte Ein-Parteien-Staat. Mehrere Runden von UN-Sanktionen verbieten seit Jahren fast jeden Handel mit Nordkorea. Die radikale Abschottungspolitik während der Pandemie schnitt sogar in die Bande zu China und Russland, mit denen Nordkorea Landgrenzen hat.

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      Putins Feldzug gegen die Ukraine hat das verändert. Denn seit nun auch Russland mit starken internationalen Sanktionen belegt ist, hat sich Moskau verstärkt dorthin orientiert, wo man ebenfalls dringend nach Freunden suchte – zum Beispiel Nordkorea. Im vergangenen Jahr erzielte Kim Jong-un einen Durchbruch, als er sich im Osten Russlands mit Wladimir Putin traf und – so sagte es Putin – „alle“ Themen besprach. Es ging offenbar um Kooperation in Sachen Militär, Wirtschaft und Technologie.

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      Nordkorea gilt seither als Lieferant von Waffenzubehör für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Im Gegenzug hat Russland Nordkorea dabei geholfen, einen Satelliten ins All zu befördern. Mitte April reiste dann ein hoher Offizieller Nordkoreas nach Russland, um sich in Sachen Kooperation bei landwirtschaftlichen Themen auszutauschen. Und das internationale Netzwerk verdichtet sich auch jenseits Russlands in hohem Tempo.

      Russland, Iran, Belarus intensivieren bilaterale Verbindungen mit Nordkorea

      Ebenfalls im April einigte sich Nordkorea auch mit Russlands Partner Belarus, die bilateralen Verbindungen zu intensivieren. Der stellvertretende belarussische Außenminister Evgeny Sestakov war dazu in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang gereist, mit dem Ergebnis: Fortan werde man wirtschafts- und kulturpolitisch kooperieren. Für das nordasiatische Land, wo laut UN-Schätzungen schon kurz vor der Pandemie rund 40 Prozent unterernährt waren, ist auch dies ein Meilenstein.

      Nordkorea hat am 31. Januar nach eigenen Angaben erfolgreich den strategischen Marschflugkörper Hwasal-2 abgefeuert. Dieser gehört zu einer Reihe von kürzlich gestarteten Waffen, die nach Ansicht von Analysten für den Krieg Russlands in der Ukraine bestimmt sein könnten.
      Nordkorea hat am 31. Januar nach eigenen Angaben erfolgreich den strategischen Marschflugkörper Hwasal-2 abgefeuert. Dieser gehört zu einer Reihe von kürzlich gestarteten Waffen, die nach Ansicht von Analysten für den Krieg Russlands in der Ukraine bestimmt sein könnten. © AFP | Str

      Ein weiterer Partner Russlands, der sich verstärkt mit Nordkorea vernetzt, ist Iran. Schon nachdem der ehemalige US-PräsidentDonald Trump 2018 aus einem Deal ausgestiegen war, der Iran davon abhalten sollte, eine Atombombe zu bauen, hat es zwischen Teheran und Pjöngjang verstärkten Austausch gegeben. Zwar hatte Nordkorea Iran auch in den 1980er-Jahren bereits in dessen Krieg mit dem Irak unterstützt. Später kühlten die Beziehungen aber wieder ab.

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      Nach 2018 ist insbesondere die Kooperation bei der Herstellung von Raketen dann wieder intensiviert worden. Einige Hinweise zeigen auch, dass die aus Iran unterstützte Hamas nordkoreanische Geräte gegen Israel verwendet hat. Vergangene Woche berichteten nordkoreanische Staatsmedien, dass eine Wirtschaftsdelegation des Landes auf dem Weg in den Iran sei. In Südkorea wird nun spekuliert, dass auch die militärische Kooperation eine neue Stufe erreicht, etwa beim Bau einer Überschallrakete.

      Zweckgemeinschaft: UN-Sanktionen betreffen immer mehr Länder

      Am wichtigsten für Nordkorea ist aber jener Staat, mit dem es die größte Landgrenze teilt und den intensivsten wirtschaftlichen Austausch hat: China. Die Schutzmacht im Koreakrieg (1950-53) hatte Nordkorea über die letzten Jahrzehnte trotz eines gemeinsamen Verteidigungspakts immer wieder auf Distanz gehalten. Die Beziehungen waren stets auch von Misstrauen geprägt. In letzter Zeit aber ist davon immer weniger zu spüren. Mitte des Monats schickte China eine hochrangige Delegation nach Nordkorea, angeführt von Zhao Leji, dem offiziell dritthöchsten Mann im chinesischen Staat. Zum 75. Jubiläum diplomatischer Beziehungen wolle man ein „Jahr der Freundschaft“ prägen.

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      Nordkorea ist damit keineswegs mehr so isoliert, wie es noch vor gut zwei Jahren war. Die UN-Sanktionen haben zwar weiterhin formal Bestand. Aber indem sich die Zahl von Staaten, die selbst mit harten Sanktionen belegt sind, erhöht, hat sich ein Netzwerk gebildet, das sich nun zu einer Zweckpartnerschaft zusammentut. Das merkt man auch in Südkorea, wo die Raketentests aus dem Norden zwar denselben Sound haben, aber doch ganz anders klingen.

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      Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit nicht mehr glaubt, dass sich Nordkorea von seinem Atomwaffenprogramm verabschieden wird. Gut 70 Prozent der Menschen in Südkorea befürworten unterdessen, dass sich das Land nicht mehr auf US-amerikanische Waffen verlasse, sondern auch eigene Atomwaffen herstelle.

      Russland-Reportagen von Jan Jessen