Moskau. Gerüchte über seinen Tod konterte Kadyrow mit einem Besuch bei Putin – und noch mehr Brutalität. Ein Blick in sein Regime der Gewalt.

Aischat Kadyrowa ist von Beruf Tochter. Für ihr Alter hat die 24-Jährige eine erstaunliche Karriere gemacht. Seit Oktober 2021 war sie Kulturministerin Tschetscheniens. Zuvor leitete sie drei Jahre lang ein Modehaus. Nun ernannte sie ihr Vater, Ramsan Kadyrow, zur stellvertretenden Ministerpräsidentin – und verlieh ihr den Titel „Volkskünstlerin der Republik Tschetschenien“. Gleichzeitig zeichnete sie Russlands Präsident Wladimir Putin mit einem Orden aus, „für ihre Verdienste um die Entwicklung der nationalen Kultur und Kunst und für viele Jahre fruchtbarer kreativer Tätigkeit.“

Ramsan Kadyrow, seit 2007 Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, folgte seinem 2004 ermordeten Vater Achmat nach. Mitte der 1990er Jahre kämpften Vater und Sohn noch im ersten Tschetschenien-Krieg gegen Russland. Im zweiten Tschetschenien-Krieg wechselten sie die Seiten, zu dieser Zeit begann auch der Aufstieg Ramsans. Kadyrow ist verheiratet, er hat zwölf Kinder. In Tschetschenien können er und sein Clan schalten und walten wie sie wollen.

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Vorgeworfen werden Kadyrow Folter, Entführungen und Morde. Homosexuelle würden verfolgt, in spezielle Gefängnisse gesperrt und dort gefoltert. „Wir haben hier solche Leute nicht. Wir haben keine Schwulen“, behauptete Kadyrow in einem Interview. Kadyrows 15-jähriger Sohn Adam hatte im Gefängnis einen wehrlosen Häftling brutal zusammengeschlagen. Stolz stellte sein Vater ein Video der Misshandlung ins Netz. Das Opfer war ein 19-jähriger Russe, der im Mai wegen einer öffentlichen Koran-Verbrennung in Wolgograd festgenommen und später in die mehrheitlich von Muslimen bewohnte russische Teilrepublik Tschetschenien verlegt worden war.

Geht es um Kritik an Kadyrow, hält sich der Kreml zurück

In Russland wurde die Tat von Ramsans Sohn heftig diskutiert, doch Konsequenzen wird der brutale Angriff keine haben. Die Polizei in Grosny habe das Verfahren mit der Begründung eingestellt, dass Kadyrows Sohn noch nicht strafmündig sei, berichtete der Telegram-Nachrichtenkanal Baza. Und der Kreml hielt sich heraus. „Ich werde die Geschichte mit Kadyrows Sohn nicht kommentieren“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern. Auf die Frage, warum er sich zu diesem Thema nicht äußern wolle, antwortete er: „Das möchte ich nicht.“

Aishat Kadyrova (mitte) and Akhmed Kadyrov (rechts).
Aishat Kadyrova (mitte) and Akhmed Kadyrov (rechts). © imago/ITAR-TASS | imago stock

Das Willkürregime in Tschetschenien bekam im Juli auch die Journalistin Jelena Milaschina zu spüren. Für die Zeitung Nowaja Gaseta wollte sie über einen Prozess in Grosny berichten. Kurz nach ihrer Ankunft in der tschetschenischen Hauptstadt wurde sie und ihr Rechtsanwalt brutal zusammengeschlagen und schwer verletzt. Vermummte brachen Milaschina mehrere Finger, mit einem Hirntrauma wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Ermittelt gegen die Täter wurde nicht, auch diese Gewalttat hatte keine Konsequenzen.

Denn Russlands Präsident Putin braucht seinen Statthalter in Grosny – und Ramsan Kadyrow weiß das. Nach Gerüchten über Kadyrows Gesundheitszustand besuchte der demonstrativ Moskau. Medien hatten spekuliert, er sei tot. Ein Sprecher von Kadyrow hatte nicht auf wiederholte Anrufe geantwortet, in denen er nach einer mutmaßlichen Behandlung von Kadyrow in einem Moskauer Krankenhaus gefragt wurde.

Kadyrow ist glühender Verfechter der „Spezialoperation“

In Moskau trat dann ein quicklebendiger Ramsan Kadyrow auf. Demonstrativ lobte Putin vor Fernsehkameras die „positive“ Entwicklung in der russischen Teilrepublik im Nordkaukasus. Dank Kadyrow gebe es eine „gute Dynamik“ in Tschetschenien. Besonders dankte Putin auch für den „heldenhaften“ Einsatz von Kadyrows Achmat-Kämpfern in der Ukraine. Gemäß Kadyrows Pressedienst seien seit Beginn der Kämpfe mehr als 28.000 Soldaten, darunter 13.000 Freiwillige, aus Tschetschenien in das Kampfgebiet entsandt worden. Derzeit stünden über 7.000 Kämpfer an vorderster Front.

Wladimir Putin weiß die Loyalität von Ramsan Kadyrow (r.) zu schätzen.
Wladimir Putin weiß die Loyalität von Ramsan Kadyrow (r.) zu schätzen. © imago images / ITAR-TASS | Alexei Nikolskyvia

„Tschetschenische Kräfte stellen einen relativ kleinen, aber prominenten Teil der russischen Streitkräfte in der Ukraine dar“, so das britische Verteidigungsministerium. Und Ramsan Kadyrow gilt als glühender Unterstützer von Putins „Spezialoperation“. Das russische Militär allerdings kritisiert er. Nach der ukrainischen Rückeroberung der Stadt Lyman ging Kadyrow den verantwortlichen russischen Befehlshaber direkt an. Dieser setzte Soldaten ein, so Kadyrow, versorgte sie aber nicht mit der erforderlichen Munition. Konsequenzen hatte eine derart harsche Kritik nicht. Im Gegenteil.

Wegen seiner „Verdienste“ in den Kämpfen wurde Kadyrow zum Generaloberst befördert. Kremlchef Putin muss an Kadyrow festhalten. Dieser hat Tschetschenien fest im Griff, unterdrückt jede separatistische Bestrebung. Eine weitere militärische Front, ein abtrünniges Tschetschenien, kann sich Putin nicht leisten. Auch deshalb wird Kadyrow von Russlands Führung umworben.

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Anfang August reiste Juri Tschaika, Putins Gesandter für den Nordkaukasus, nach Tschetschenien, um Kadyrow einen Dankesbrief des Kremls zu überreichen. Kadyrows Mutter erhielt einen Ehrenorden, seine Frau die Auszeichnung „Mutter Heldin“. Aber auch handfestere Belohnungen für die Loyalität Kadyrows gibt es. So wird ein Neffe Jakub Sakrijew die Leitung von Danone Russland übernehmen, berichtet die Nachrichtenagentur Interfax. Der französische Konzern mit dreizehn Fabriken und 7.500 Mitarbeitern in Russland hatte sich aus dem Russland-Geschäft zurückgezogen.

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