Berlin. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs stellte die kremlkritische „Nowaja Gaseta“ ihren Betrieb zunächst ein. Warum die Redaktion dennoch feiert.

Mindestens fünf Journalisten tot, doch eine Redaktion am Leben: Wenn in Russland von einer „Spezialoperation“ statt „Krieg“ gesprochen wird, dann ist unabhängiger Journalismus mehr als schwierig. Doch die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ versuchte es immer wieder. Am Mittwoch feierte sie in Berlin ihr dreißigjähriges Bestehen – und das einjährige Bestehen der Exil-Redaktion „Nowaya Gazeta Europe.“

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Schillernde Ikone von Nowaja Gaseta ist Chefredakteur Dmitri Muratow, der per Video eine Grußbotschaft nach Berlin sendete. Der Friedensnobelpreisträger hat eigens einen weißen Busch zu Ehren der Zeitung gepflanzt. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine stellte „Nowaja Gaseta“ den Betrieb zunächst ein.

Dmitri Muratow (M) ist Chefredakteur der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta
Dmitri Muratow (M) ist Chefredakteur der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta", deren Redaktion nach Beginn des Ukraine-Krieges schließen musste. Jetzt versucht die Zeitung, im Exil zu überleben. © dpa | Alexander Zemlianichenko

Dabei blickt das Moskauer Büro auf eine bewegte Geschichte zurück, scheute sich nie, unabhängig über Präsident Wladimir Putin zu berichten. Doch immer wieder kamen Journalisten der Zeitung ums Leben – wie etwa Anna Politkowskaja, die über den Tschetschenien-Krieg berichtet hatte. 2006 wurde sie vor ihrem Wohnhaus erschossen. In Erinnerung daran begleitet an diesem Abend ihr Sohn Ilya die Veranstaltung.

Ukraine: „Nowaya Gazeta Europe“ berichtet auch vom Krieg

Die Hoffnung liegt jetzt auf der Exilredaktion der „Nowaya Gazeta Europe“. Auf dem deutsch- und russischsprachige Onlineportal, das formal unabhängig von „Nowaja Gaseta“ ist, dreht sich alles um Russland und den Krieg in der Ukraine.

Auch auf sozialen Medien wie Youtube, Twitter, Telegram und TikTok ist die Exil-Redaktion vertreten. Zahlreiche Journalisten von „Nowaja Gaseta“ hatten Russland verlassen und schreiben nun aus dem Ausland für das Portal. Korrespondenten befinden sich etwa in Riga, Berlin und auch in der Ukraine. Finanzieren kann sich die Online-Zeitung einerseits durch Spenden, andererseits durch den Verein „Friends of Novaya Gazeta Europe“, der in der Schweiz ansässig ist.

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Auch einige Mitglieder der russischen Community waren auf der Feier und hörten sich die Lesung von in der Ukraine recherchierten „Tagebüchern aus Kherson“ an. Sie bringen eine andere Perspektive ein, die mit dem Klischee eines „bösen Russen“ aufräumt. Denn im Krieg leben auch Menschen russischer Abstammung, die ihn ablehnen - und „Nowaya Gazeta Europe“ versucht, auch sie zu erreichen.