Berlin. In der UNO macht China Druck auf Russland. Die Chinesen pochen auf das Getreideabkommen. Wie Putin Verbündete gegen sich aufbringt.

Das Getreideabkommens ist gescheitert. Weltweit wird ein Anstieg der Preise und eine Hungersnot in den ärmeren Ländern befürchtet. Eine Anfrage beim Statistischen Bundesamt zeigt indes, wer am meisten auf Weizen, Mais oder Sonnenblumenöl aus der Ukraine angewiesen ist: China.

Es profitiert am stärksten vom Getreideabkommen. Wenn Kremlchef Wladimir Putin die Vereinbarung kündigt und seine Flotte im Schwarzen Meer Angriffe auf andere Schiffe üben lässt, stößt er einen Verbündeten vor den Kopf. Lesen Sie dazu den Kommentar: Hunger als Waffe: Putins Getreidekrieg ist blanker Zynismus

China dringt Russland zu einem neuen Getreidedeal

China hat in der Nacht zum Samstag bei den Vereinten Nationen beide Seiten aufgefordert, die Exporte rasch wieder aufzunehmen. Man hoffe, dass die Betroffenen mit den zuständigen UN-Gremien zusammenarbeiteten, um eine ausgewogene Lösung für die berechtigten Anliegen aller Parteien zu finden, sagte Chinas stellvertretender Ständiger Vertreter bei den UNO, Geng Shuang Geng, laut dem Pekinger Staatsfernsehen.

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Geng Shuang verwies auf die Zusage des UN-Generalsekretärs António Guterres, alles zu tun, um sicherzustellen, dass sowohl ukrainisches Getreide als auch russische Lebensmittel und Düngemittel auf die Weltmärkte gelangen. Ziel sei es, "die internationale Ernährungssicherheit zu erhalten und die Nahrungsmittelkrise insbesondere in den Entwicklungsländern zu lindern". China braucht die Lebensmittel nicht nur selbst – es fühlt sich auch als Verteidiger der Interessen von Entwicklungsländern auf den Plan gerufen.

Putin verärgert China und die Türkei

Laut Statistischem Bundesamt hat China 2022 Getreide im Wert von über 19,4 Milliarden US-Dollar gekauft. Es ist der weltgrößte Importeur und das wichtigste Abnehmerland für die Ukraine. Von dort haben die Chinesen laut der UN-Organisation für Handel und Weltentwicklung acht Millionen Tonnen importiert. Zwar ist die Ukraine für China nur der drittwichtigste Lieferant, auf den ersten beiden Plätzen stehen die USA und Australien.

Aber: Es rächt sich für die Regierung in Peking, dass sie ihre Bevölkerung nur dank Lebensmitteln aus dem Ausland ernähren kann und beim Getreide ausgerechnet auf die Amerikaner angewiesen ist. Der Ukraine-Krieg hat für Chinas Parteichef Xi Jinping gezeigt, dass die Landwirtschaft ein "Grundpfeiler der nationalen Sicherheit" darstelle, wie er neulich in einem Aufsatz schrieb. Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen:

  • Jinping wird es darauf anlegen wird, die Abhängigkeit in den nächsten Jahren zu reduzieren.
  • Kurzfristig wird er den Druck auf Russland verstärken, den Handel im Schwarzen Meer sicherzustellen. Zwar gibt es eine Cargo-Zuglinie zwischen Russland und China, doch sind die Einfuhrmengen gering.

Für eine Rückkehr zu dem Abkommen erwartet Russland die Aufhebung von Sanktionen. Putin verlangt unter anderem, eine staatliche russische Bank wieder an das internationale Zahlungssystem Swift anzuschließen. Eine große Rolle spielen laut dem Verband der deutschen Reeder auch die Versicherer. Auch interessant: Putin droht, Frachter anzugreifen: Das sagen deutsche Reeder

Nach dem Wegfall des Getreideabkommens und der damit verbundenen Schutzzusage durch Russland weigern sich die Versicherungen, die Risiken abzusichern; und wenn überhaupt, dann nur noch mit extrem hohen und im Ergebnis unrentablen Raten. Eine weitere Forderung Putins ist denn auch, Russland bedienende Schiffe sollten wieder von westlichen Firmen versichert werden.

Für Erdogan geht es auch um einen Prestigeerfolg

Der zweitgrößte Bezieher von Getreide aus der Ukraine ist Spanien – auf Platz drei folgt die Türkei. Ein weiterer enger Partners Putin. Weder die Türkei noch China hatten sich den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan muss sich politisch brüskiert fühlen. Er hatte das Abkommen vermittelt und alles darauf gesetzt, es zu verlängern. Wie die Chinesen ist auch er auf die Versorgung mit Getreide angewiesen und wollte sich auf der Weltbühne als Vermittler profitieren.

Ukrainisches Getreide ist vergleichsweise günstig. Deswegen ist das Scheitern des Abkommen für arme Länder besonders bitter. Man kann davon ausgehen, dass sowohl die UNO und viele Staaten der Dritten Welt als auch China den Druck auf Putin erhöhen werden. Erdogan wiederum glaubt, "dass wir, indem wir die Angelegenheit gründlich mit Präsident Putin diskutieren, die Fortführung dieser humanitären Anstrengung erreichen können". Im August erwartet er einen Besuch des Kremlchefs in der Türkei. Das könnte Sie auch interessieren: Ukraine: Streumunition könnte den Krieg radikal verändern

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