Berlin. Alle wollen grünen Wasserstoff – doch der ist knapp. Wie die Regierung das ändern will und warum die Beschaffung so schwierig ist.

In Namibia, in Kanada, in Brasilien sowieso: Wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck in den vergangenen Monaten unterwegs war, dann häufig an Orten, an denen es Wind, Sonne oder beides im Überfluss gibt. Länder, in denen billig und im großen Stil erneuerbare Energie produziert werden kann – und damit auch grüner Wasserstoff. Auf den ist auch Deutschland angewiesen, wenn es wie geplant 2045 klimaneutral sein will.

Grüner Wasserstoff gilt als die Lösung für viele Prozesse, die derzeit noch hohe CO2-Emissionen verursachen, aber nicht einfach elektrifiziert werden können. Das Molekül, per Elektrolyse gewonnen aus Wasser, ist klimaneutral, wenn der dafür verwendete Strom erneuerbar ist. In der Industrie, im Schiff- und Luftverkehr ruhen auf dem Energieträger deshalb große Hoffnungen.

Doch grüner Wasserstoff ist nicht nur begehrt, er ist auch knapp. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wurden 2021 gerade einmal eine Millionen Tonnen „emissionsarmer“ Wasserstoff hergestellt. Und der Großteil davon war nicht einmal grüner, sondern blauer Wasserstoff. Dieser wird aus Erdgas hergestellt, CO2 dabei abgeschieden und gespeichert.

Grüner, blauer, grauer, türkiser und pinker Wasserstoff unterscheiden sich

Neben grünem und blauem Wasserstoff gibt es außerdem grauen, bei dem das entstehende CO2 einfach in die Atmosphäre entweicht. Bei türkisem Wasserstoff entsteht fester Kohlenstoff – und als pinken Wasserstoff bezeichnet man Wasserstoff, bei dem Strom für die Elektrolyse aus Kernkraft kommt.

Als wirklich klimaneutral gilt nur grüner Wasserstoff. Aber da haben mögliche Produzenten und Abnehmer des Stoffes das, was Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) ein „Henne-Ei-Problem“ nennt, wenn er über den Aufbau eines Wasserstoffmarkts spricht. Gibt es noch keinen grünen Wasserstoff, können Firmen auch ihre Produktion noch nicht darauf umstellen. Fehlen wiederum Abnehmer, die ihre Produktion umgestellt haben und zuverlässig und regelmäßig grünen Wasserstoff kaufen, ist es für Anbieter schwer, ein funktionierendes Geschäftsmodell aufzubauen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck will das „Henne-Ei-Problem“ beim Wasserstoff lösen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck will das „Henne-Ei-Problem“ beim Wasserstoff lösen. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Bundesregierung will bei Wasserstoff Henne und Ei gleichzeitig sein

Die Bundesregierung versucht deshalb, Henne und Ei gleichzeitig zu sein – etwa mit dem Projekt H2global. Die Stiftung kauft im Ausland mit langfristigen Verträgen grünen Wasserstoff oder Derivate wie Ammoniak, das sich besser transportieren lässt, ein und verkauft sie an Firmen in Deutschland. Internationale Produzenten und Abnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen sollen so zusammengebracht werden.

Die erste solche Auktion für grünen Ammoniak, grünes Methanol und synthetisches Kerosin ist kürzlich gestartet. „Es gibt erwartungsgemäß ein gutes Anbieterfeld“, sagt Franziska Brantner, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, dieser Redaktion. Und auch wenn das Bieterverfahren auf der Abnehmerseite erst nächstes Jahr beginne, gebe es auch da schon großes Interesse. „2025, 2026 werden bereits die ersten Lieferungen ankommen, die über H2Global auktioniert wurden“, sagt Brantner.

Auch darüber hinaus versucht man im Wirtschaftsministerium dafür zu sorgen, dass Wasserstoff sich etabliert. Sogenannte Klimaschutzverträge sollen dafür sorgen, dass Produktion mit dem teuren Stoff für Unternehmen rentabel wird. Und Partnerschaften mit anderen Ländern dafür, dass er auch in Deutschland ankommt: Mit 25 Ländern unterhält Deutschland Energiepartnerschaften, die unter anderem zur Entwicklung und Beschleunigung gemeinsamer Projekte dienen. Bei 15 solcher Kooperationen geht es auch um Wasserstoff, allein acht sind seit 2021 dazugekommen.

Grüner Wasserstoff wird langfristig teuer bleiben, sagen Experten

Und dann ist da noch die nationale Wasserstoffstrategie, welche die Bundesregierung weiterentwickeln will. Kommen sollte die schon 2022, doch noch wartet die Wirtschaft auf den Beschluss. „Es muss schneller gehen“, sagt dazu Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführende des Bundesverbands für Energie- und Wasserwirtschaft. „Wir brauchen jetzt Tempo.“ Es gehe nicht nur darum, die Strategie weiterzuentwickeln, man müsse gleichzeitig schon konsequent an der Umsetzung arbeiten.

Lesen Sie auch: Heizen mit Wasserstoff – mehr Ehrlichkeit, bitte

Vieles, was die Bundesregierung momentan tue, um die Entwicklung eines Wasserstoffmarkts zu beschleunigen, sei sinnvoll, sagt auch Falko Ueckerdt, der am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) unter anderem zu Wasserstoff und E-Fuels forscht. Und trotzdem sei die Herausforderung riesig: Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich der Markt für Wasserstoff schneller entwickeln als es Windkraft und Photovoltaik getan haben.

Doch die Umwandlung von Strom zu Kraftstoffen – zu grünem Wasserstoff, aber zum Beispiel auch zu E-Fuels – ist ineffizient, braucht große Mengen erneuerbare Energie und kostet viel Geld. Wasserstoff „bleibt wahrscheinlich auch langfristig teurer als die Fossilen“, sagt Ueckerdt. Erst bei einem europäischen CO2-Preis von etwa 200 Euro komme man in der Industrie langsam in den Bereich, wo grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig werde. Doch der ist noch weit entfernt, zuletzt lag der Preis bei rund 100 Euro.

Experte: Beim Heizen wird Wasserstoff wohl teuerster Weg sein

Wenn aber schon dort, wo Wasserstoff auf dem Weg zur Klimaneutralität unumgänglich ist, das Angebot knapp ist, bleibt wenig übrig für alle Bereiche, wo es elektrische Alternativen gibt. In 10 bis 15 Jahren etwa werde es einen globalen Markt für E-Fuels geben, sagt Ueckerdt. „Für PKW wird allerdings voraussichtlich wenig abfallen.“ Und auch im Heizungsbereich sieht der Forscher keine signifikante Rolle für grünen Wasserstoff.

Auch Staatssekretärin Brantner warnt davor, mit Wasserstoff Gebäude heizen zu wollen, auch wenn es nach den Plänen der Bundesregierung für das Gebäudeenergiegesetz erlaubt sein soll. „Beim Heizen, wo es Wärmepumpen, Geothermie und viele andere Alternativen gibt, wird Wasserstoff wahrscheinlich der teuerste Weg sein.“ Es müsse Klarheit geben, auch in der Wärmeplanung der Kommunen. „Wenn ich Bürgermeisterin wäre, würde ich nicht auf Wasserstoff in der Wärmeplanung setzen“, sagt Brantner.

Auch interessant: Diese Tücken lauern beim Kauf einer Wärmepumpe