Berlin. Akw werden abgeschaltet, klimaschädliche Kohlekraftwerke laufen weiter. Das sollte andersrum sein. Doch da muss das Land jetzt durch.

Nun ist wirklich Schluss. Deutschland beendet nach mehr als 60 Jahren die Nutzung der Atomkraft. Drei Meiler waren zuletzt noch am Netz – das Kraftwerk Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Dort ist es mit der Stromproduktion nun vorbei.

Aber bis diese Anlagen – und die anderen 33 bereits stillgelegten Reaktorblöcke in Deutschland – allesamt komplett zurückgebaut sind, werden noch viele Jahrzehnte ins Land gehen. Drei Generationen nutzten in Deutschland die Atomkraft. Mit dem strahlenden Müll, der dabei angefallen ist, werden sich nach Lage der Dinge 30.000 Generationen herumschlagen müssen.

Sechs von zehn Deutschen halten den Atomausstieg gegenwärtig für falsch, wie der neueste „Deutschlandtrend“ der ARD zeigt. Als die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2011 unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima eine Kehrtwende in der Energiepolitik vollzog und den Atom-Ausstieg durchpeitschte, waren fast neun von zehn Bundesbürgern dafür.

Atomkraft: Die Strombranche hat sich längst der Energiewende verschrieben

Stimmungen und Einschätzungen können sich ändern, erst recht unter dem Eindruck von historischen Zäsuren wie Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. So muss das auch sein. Gleichwohl ist bemerkenswert, dass in der gegenwärtigen politischen Debatte ausgerechnet jene Parteien ihre Liebe zur Atomkraft wiederentdecken, die einst den Ausstieg ins Gesetz schrieben: CDU, CSU und FDP.

Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent
Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Als die Entscheidung 2011 fiel (Schwarz-Gelb hatte erst kurz zuvor das rot-grünen Ausstiegsgesetz aus dem Jahr 2002 revidiert), war die Klimakrise im öffentlichen Bewusstsein noch nicht so präsent wie heute. Und so gibt es durchaus gute Argumente für die die Position, dass vielleicht nicht der Atomausstieg als solcher falsch ist, der Zeitpunkt aber schon: Weil der Ausbau der erneuerbaren Energien in den Merkel-Jahren viel zu langsam vonstattenging, ist Deutschland in zu hohem Maße von fossilen Energieträgern abhängig. Mit dem Wissen von heute lässt sich sagen: Es wäre klüger gewesen, erst aus der klimaschädlichen Kohleverstromung auszusteigen und dann aus der Atomkraft.

Doch da muss das Land jetzt durch, eine abermalige Laufzeitverlängerung ist keine ernsthafte Option. Politik muss berechenbar sein, für die Energiepolitik gilt das allemal. Keiner der involvierten Energiekonzerne hat ein gesteigertes Interesse daran, weiter in Deutschland Atommeiler zu betreiben und womöglich noch einmal Geld in deren Sicherheit zu investieren. Die Branche hat sich in den vergangenen zehn Jahren neu erfunden. Es gab zahlreiche Abspaltungen, Fusionen, Neuausrichtungen. Die deutsche Stromwirtschaft hat sich längst der Energiewende verschrieben.

Energie: Ohne Subventionen kein Akw-Neubau möglich

Denn auch das gehört zum großen Bild: Wer an die Marktwirtschaft glaubt, der müsste der Atomkraft eigentlich mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen. In neuen Anlagen ist Ökostrom ist viel billiger herzustellen als Atomstrom, weshalb weltweit inzwischen viel mehr Geld in die Erneuerbaren investiert wird als in die Nuklear-Technologie. Ohne staatliche Haftung lässt sich kein Atommeiler betreiben, ohne Geld aus der Staatskasse lassen sich keine neuen Anlagen errichten. Es gibt einige Neubauprojekte in Europa. Aber jedes einzelne davon ist ein ökonomischer und industriepolitischer Albtraum, weil Kosten und Bauzeiten explodieren.

Es bringt deshalb nichts, der Atomkraft nachzutrauern. Sie hat in Deutschland ihre große Zeit gehabt. Die ist vorbei. Nicht erst jetzt, sondern bereits seit Jahren.