Berlin. Hubertus Heil stellte eine „deutliche Steigerung“ des Mindestlohns in Aussicht. FDP-Vize Kubicki kritisiert diese Äußerungen nun.

  • Bundesarbeitsminister Heil zufolge sei zum Januar 2024 eine Steigerung des Mindestlohns zu erwarten
  • So soll der Mindestlohn offenbar auf 14 Euro steigen
  • Für diese Äußerungen erntet er nun Kritik von Kubicki
  • Dagegen fordert Wissler eine schnelle Umsetzung

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet zu Beginn des kommenden Jahres mit einer „deutlichen Steigerung“ des Mindestlohns, wie der Politiker im Interview mit „Bild am Sonntag“ preisgab. „Denn wir haben nicht nur weiter eine hohe Inflation, sondern auch ordentliche Tariferhöhungen, die sich bei der anstehenden Erhöhung des Mindestlohns niederschlagen werden“, so Heil weiter.

Angesichts der hohen Inflation war im vergangenen Monat bereits Streit um die nächste Mindestlohnerhöhung entbrannt. Sozialverbände forderten einen kräftigen Anstieg auf 14 Euro und mehr – Arbeitgeber warnten vor „unrealistischen Höhen“. Den nächsten Erhöhungsschritt soll laut Heil wieder die Mindestlohnkommission mit Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorschlagen. Dies soll bis zum 30. Juni mit Wirkung zum 1. Januar 2024 geschehen.

Wissler: Heil soll Mindestlohn rasch per Gesetz anheben

Linken-Chefin Janine Wissler hat Bundesarbeitsminister Heil aufgefordert, den Mindestlohn per Gesetz auf mindestens 13 Euro anzuheben. „Angesichts explodierender Preise darf der Minister nicht auf die Mindestlohn-Kommission warten. Wie im letzten Jahr muss Heil den neuen Mindestlohn per Gesetz festlegen - und zwar möglichst schnell“, sagte Wissler unserer Redaktion. „Die Beschäftigten brauchen mindestens 13 Euro – denn unterhalb davon schützt ein Mindestlohn nicht vor Altersarmut.“

Zugleich forderte die Linken-Chefin schärfere Kontrollen, ob der vorgeschriebene Mindestlohn tatsächlich gezahlt werde. „Jährlich sind mehr als zwei Millionen Beschäftigte von Mindestlohnbetrug betroffen“, rechnete Wissler vor. Die Bundesregierung muss diese Kontrolllücken endlich schließen!"

Aktuell liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12 Euro pro Stunde. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte ihn im vergangenen Jahr ausnahmsweise per Gesetz angehoben. Vor dem 1. Oktober 2022 lag er noch bei 10,45 Euro.

Mindestlohn: Kubicki kritisiert Äußerungen vom Arbeitsminister

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat Arbeitsminister Hubertus Heil aber für die Äußerungen kritisiert, er erwarte eine deutliche Steigerung des Mindestlohns. „Abgesehen davon, dass man diese prognostische Einschätzung durchaus so treffen kann, ist es aber unglücklich, wenn sich ein Bundesminister in dieser Frage öffentlich einschaltet“, sagte Kubicki, der auch Vizepräsident des Bundestages ist, unserer Redaktion. „Es kann nämlich der Eindruck entstehen, dass der eigentliche Zweck der Mindestlohnkommission, politische Forderungen aus dieser Debatte heraus zu halten, von der Bundesregierung unterlaufen wird.“

Union übt Kritik an Heils Äußerung - "Politische Lohnfindung falsch"

Kritik kommt auch vonseiten der Union. Diese hat mit Befremden auf die Aussage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) reagiert. "Für den Mindestlohn macht die unabhängige Mindestlohnkommission einen Vorschlag für 2024. Es ist irritierend, dass sich der Arbeitsminister jetzt dazu äußert", sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion gegenüber unserer Redaktion. "Eine politische Lohnfindung ist jedenfalls falsch."

Nennt die ÄÖußerungen von Heil zum Mindestlohn
Nennt die ÄÖußerungen von Heil zum Mindestlohn "irritierend": CDU-Politiker Thorsten Frei (Archivbild). © Soeren Stache/dpa

Arbeitsminister Heil will zudem bis Sommer ein Gesetz auf den Weg bringen, wonach Aufträge des Bundes künftig nur noch an Unternehmen vergeben werden dürfen, die sich an Tarifverträge halten. Das hatten SPD, Grüne und FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, um die Tarifbindung zu stärken. Bis Juni werde er mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Gesetzentwurf vorlegen, der im Bund die Tariftreue vorschreibt, sagte Heil. Wenn es im Bundestag gut laufe, solle das Gesetz zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Post: Paketboten sollen keine schweren Pakete mehr schleppen

Im Interview gab Heil weitere Anpassungen bekannt: So sollen die Arbeitsbedingungen von Paketboten verbessert werden. Diese sollen alleine keine Pakete von mehr als 20 Kilogramm tragen. „Pakete, die mehr als 20 Kilogramm wiegen, müssen dann künftig durch Speditionen mit zwei Personen zugestellt werden. Hier geht es um die Gesundheit von Menschen, die mit ihrer Arbeit unseren Alltag erleichtern und das Land am Laufen halten“, erklärt der Arbeitsminister.

Viele Paketboten würden Bandscheibenvorfälle bekommen, mahnte Heil. „Deshalb will ich durchsetzen, dass Pakete, die mehr als 20 Kilogramm wiegen, nicht mehr von einem alleine geschleppt werden müssen.“ Eine solche Gewichtsbegrenzung hatte auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefordert. Für Pakete ab zehn Kilogramm solle es künftig eine Kennzeichnungspflicht geben, sagte Heil zudem. „Damit der Bote gleich sieht, was er sich zumuten kann.“

Heil verwies auf das große Wachstum der Paketbranche. „Von 2017 bis 2021 stieg die Zahl von 2,6 auf 4,5 Milliarden Pakete.“ Es sei ja auch bequem, „vom Sofa aus alles online zu kaufen und es bis zur Wohnungstür geliefert zu bekommen“. Auch seine Familie bestelle online, sagte der Minister. „Ich profitiere also davon und will das gar nicht kritisieren. Aber wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, was mit den Beschäftigten passiert, die ein schweres Paket in den 5. Stock schleppen.“ (day/fmg/dpa)