Berlin. Kein Geld mehr für fossile Energie-Projekte, das versprach Deutschland 2021 – passiert ist wenig. Jetzt macht der Bundestag Druck.

Im November 2021 gab die damalige Bundesregierung auf der Weltklimakonferenz in Glasgow ein Versprechen: Aus Deutschland würde es ab Ende 2022 grundsätzlich keine direkte finanzielle Unterstützung des Staates für fossile Energie-Projekte mehr geben.

Jochen Flasbarth, damals Staatssekretär im Umweltministerium, unterschrieb das „Glasgow Statement“, dem sich auch 38 weitere Länder anschlossen, noch stellvertretend für die alte Bundesregierung. Doch die neue, die gerade im Entstehen war, wusste er hinter sich – schließlich hatten SPD, Grüne und FDP in ihrem Sondierungspapier schon festgehalten, dass sie Klimaschutz als zentrale gemeinsame Aufgabe sehen.

 Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, spricht.
Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, spricht. © dpa

Doch mehr als ein Jahr später und nach der selbst gesetzten Frist Ende 2022 ist Deutschland weit davon entfernt, dieses Versprechen umzusetzen. Es gibt keine Richtlinie, kein Gesetz, keine Strategie – ob und wie Deutschland sich an seine Zusage halten wird, ist völlig offen.

Mit Außenwirtschaftsinstrumenten wurden häufig auch für fossile Projekte gefördert

Konkret geht es um neue Regeln für den Einsatz von sogenannten Außenwirtschaftsinstrumenten, unter anderem Exportkreditgarantien, auch Hermes-Bürgschaften genannt, und Ungebundene Finanzkredite. Das sind Gewährleistungen des Bundes, um Aktivitäten von deutschen Firmen im Ausland zu unterstützen.

„Die Regierung gibt mit diesen Instrumenten im Hintergrund Sicherheit und senkt so das Risiko für beteiligte Unternehmen und Banken“, sagt Regine Richter, Finanzexpertin bei der Umweltschutzorganisation Urgewald. „Dadurch wird die Finanzierung von Projekten billiger und die Angebote, die die Unternehmen machen können, attraktiver.“

Die Finanzkraft des Staates im Hintergrund ermöglicht also Geschäfte, die ohne den Staat vielleicht nicht zustande gekommen wären. Deutschland ist damit keine Ausnahme, auch andere Staaten greifen Unternehmen auf diese Art unter die Arme.

Doch dass mit dieser Art von Unterstützung in der Vergangenheit immer wieder auch fossile Energieprojekte unterstützt werden, ist problematisch, sagt Richter. „Wenn die Bundesregierung Bürgschaften für Kohlekraftwerke, Pipelines, LNG-Terminals in Entwicklungsländern gibt, dann führt das diese Länder für lange Zeit auf einen fossilen Pfad. Da wird fossile Infrastruktur geschaffen, die lange Bestand hat.“ Mit dem der 1,5-Grad-Grenze sind Investitionen in neue fossile Energie-Projekte laut Weltklimarat IPCC und der Internationalen Energieagentur IEA ohnehin nicht vereinbar.

Bundesregierung erarbeitet "umfassende wissenschaftsbasierte Strategie"

Doch welche Schlüsse die Ampel-Koalition aus all dem zieht, ist bislang nicht klar. Auf Anfrage erklärte das zuständige Bundeswirtschaftsministerium, dass von zehn Anträgen auf Exportgarantien im Zusammenhang mit fossilen Projekten, die Ende des vergangenen Jahres vorlagen, nur einer genehmigt wurde. „Hierbei handelt es sich um ein Projekt, bei dem eine Dampferweiterung, Elektro- und Leittechnik sowie Feuerlöscheinrichtungen für ein Gaskraftwerk in einem Drittland geliefert wurde“, sagte eine Sprecherin dieser Redaktion.

Die Bundesregierung sei außerdem dabei, eine „umfassende und wissenschaftsbasierte Strategie zu erarbeiten“, um die Außenwirtschaftsinstrumente des Bundes auf einen 1,5-Grad-Pfad auszurichten. Noch seien die konkreten Eckpunkte und Maßnahmen allerdings in der Ressortabstimmung.

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Der Abstimmungsbedarf dürfte dabei groß sein. Denn seit der Zusage in Glasgow hat sich die energiepolitische Situation deutlich verändert. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine war die Energie-Versorgung Deutschlands plötzlich prekär – und die Bundesregierung unter Druck, neue Quellen zu erschließen.

In Deutschland lässt sie seitdem im Eiltempo LNG-Terminals aufstellen, international hat das Spitzenpersonal des Kabinetts, vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck, im vergangenen Jahr zahlreiche Flugmeilen angehäuft im Bemühen, fossile und nicht-fossile Energiezuflüsse nach Deutschland zu sichern.

Der Haushaltsausschuss macht der Ampel-Regierung Druck

Bundeskanzler Olaf Scholz selbst stellte bei einem Besuch im Senegal im vergangenen Jahr in den Raum, dass Deutschland unterstützen könnte bei der Erschließung eines Gasfeldes vor der Küste des westafrikanischen Lands – und einen Teil der Lieferungen bekommen könnte. Ein solches Projekt ließe sich kaum vereinbaren mit der Umsetzung des Versprechens aus Glasgow. „Unser Eindruck ist, dass das Kanzleramt sehr bei der Umsetzung bremst“, sagt Richter deshalb im Hinblick auf das Versprechen aus Glasgow.

Klimakrise: Die Welt muss dringend handeln

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    Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat der Regierung jetzt eine Frist gesetzt. Bis zum 30. April soll sie schriftlich ihre Gesamtstrategie vorlegen zur Vereinbarkeit von außenwirtschaftlichen Instrumenten „mit dem Klimaschutzgesetz und dem völkerrechtlichen Pariser Klimaschutzabkommen (1,5-Grad-Ziel) in allen Sektoren“, wie es in dem entsprechenden Beschluss des Ausschusses heißt, der dieser Redaktion vorliegt.

    „Insbesondere auf die haushälterischen und ökonomischen Fragen von Klimarisiken“ solle dabei eingegangen werden, unter Beachtung „der Gefahr der spekulativen Kohlenstoffblase und gestrandeter Vermögenswerte“.

    Klimaschutz endet nicht an nationalen Grenzen, sondern muss global gedacht und angegangen werden“, sagt Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler über den Beschluss. „Das gilt auch für den mächtigen Hebel der Haushalts- und Finanzpolitik.“ Die Bundesregierung habe sich auf der Klimakonferenz in Glasgow verpflichtet, die öffentliche Finanzierung für fossile Energieprojekte im Ausland zu beenden. Noch etwas mehr als einen Monat hat die Bundesregierung, um zu erklären, wie sie diese Verpflichtung umsetzen will.