Berlin/Neu Delhi. Deutschland will seine Abhängigkeit von China mindern und arbeitet an den Beziehungen zum Nachbarland Indien. Alle Infos im Überblick.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist am Samstag zu seinem ersten Besuch seit Amtsantritt in Indien eingetroffen. Der Kanzler wurde am Präsidentenpalast Rashtrapati Bhavan in der Hauptstadt Neu Delhi mit militärischen Ehren empfangen und lobte im Anschluss die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern.

"Wir haben bereits sehr gute Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. Und ich hoffe, dass wir diese sehr guten Beziehungen weiter ausbauen und intensiv über alle Themen diskutieren werden, die für die Entwicklung unserer Länder, aber auch für den Frieden in der Welt wichtig sind", sagte Scholz. Die Bundesregierung sieht das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern als strategischen Partner – und als große Chance für das Engagement deutscher Unternehmen.

Doch politisch sind die Beziehungen nicht einfach: Indien ist bei Rüstung und Energielieferungen stark von Russland abhängig und hat den Angriffskrieg in der Ukraine bisher nicht verurteilt. Mit einer grundlegenden Änderung der indischen Position zu Russland rechnet die Bundesregierung auch durch Scholz' Besuch nicht; eine gemeinsame Erklärung zum Ukraine-Krieg ist nicht geplant. Stattdessen stehen Umweltschutz und der Ausbau der deutsch-indischen Beziehungen auf dem Programm des Kanzler-Besuchs.

Keine Belehrungen wegen Russland-Kurs

Scholz will die wirtschaftlichen und strategischen Beziehungen zu Indien ausbauen – um eigene Abhängigkeiten von China zu verringern, aber auch um Indien aus seiner engen Bindung an Russland zu lösen. Er will bei seinem ersten Besuch auf dem Subkontinent als Kanzler aber auch nicht belehrend daherkommen.

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Seine Reise bereitete Scholz vergangenes Wochenende in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit einem Zitat des indischen Außenministers Subrahmanyam Jaishankar vor, das er sich zu eigen machte: "Europa muss aus der Mentalität herauswachsen, dass die Probleme Europas die Probleme der Welt sind, aber die Probleme der Welt nicht die Probleme Europas sind." Bei indischen Medien kam das sehr gut an.

Auch in einem Interview der "Times of India" kurz vor seiner Reise vermied Scholz Kritik am Russland-Kurs Indiens und betonte die Gemeinsamkeiten. "Gemeinsam stehen wir für die Souveränität von Staaten und die friedliche Beilegung von Konflikten weltweit ein. Wir stehen fest hinter der Botschaft, dass der Neo-Imperialismus nicht siegen wird – die Geschichte hat dies schon mehrfach bewiesen", sagte er.

Großteil der indischen Streitkräfte von Russland ausgerüstet

Indien arbeitet nicht nur wirtschaftlich eng mit Russland zusammen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat es seine Importe von relativ günstigem russischen Öl ausgeweitet. Kritiker werfen dem Land vor, so die Sanktionen des Westens auszuhebeln.

Die Bundesregierung will das nicht problematisieren. "Es wäre falsch, wenn wir das als Provokation begreifen würden", heißt es aus Regierungskreisen. Angesichts der Größe Indiens mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern und der Herausforderungen, vor denen das Land stehe, sei es "rein marktwirtschaftlich kein unvernünftiges Verhalten" Indiens.

Auch militärisch steht Indien Russland sehr nahe. Ein Großteil der Ausrüstung der indischen Streitkräfte stammt von dort. "Dass das so bleibt, kann nicht in unserem Interesse sein", heißt es aus deutschen Regierungskreisen. Die Kooperation im Rüstungsbereich werde bei der Reise daher "eine wichtige Rolle" spielen. Es gebe da auch schon "einige interessante Projekte", vor allem im maritimen Bereich.

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Indien will neue U-Boote – vielleicht mit deutscher Hilfe

Indischen Medienberichten zufolge sucht die Regierung in Neu Delhi einen Kooperationspartner für die Produktion von sechs U-Booten. Aus Deutschland käme dafür ThyssenKrupp Marine Systems in Frage, aber auch Südkorea soll im Rennen sein. Ein solches Geschäft wäre mehrere Milliarden Euro wert.

Derzeit verfügt Indien über 16 konventionelle und ein nukleares U-Boot. Das Land zählt zu den mutmaßlich insgesamt neun Ländern, die über Atomwaffen verfügen, und steht seit Jahrzehnten in einem Konflikt mit dem ebenfalls nuklear bewaffneten Nachbarland Pakistan. Waffenexporte nach Indien sind daher umstritten.

Ein Dutzend Wirtschaftsvertreter dabei

Scholz wird auf der Reise von einem Dutzend Wirtschaftsvertretern begleitet. In Indien sind bereits 1800 deutsche Unternehmen tätig, unter anderem wird Scholz am Sonntag in der Hightech-Metropole Bengaluru – dem südindischen Silicon Valley – einen Standort des Softwarekonzerns SAP besuchen. Scholz sieht Potenzial für eine verstärkte Zusammenarbeit vor allem bei erneuerbaren Energien, Wasserstoff, Mobilität, der Pharmaindustrie und der Digitalwirtschaft.

Auch Klimaschutz soll eine wichtige Rolle bei der Reise spielen. "Ohne Schlüsselländer wie Indien werden wir es nicht schaffen, den weltweiten Temperaturanstieg so weit zu begrenzen, dass das 1,5-Grad-Ziel des Übereinkommens von Paris in Reichweite bleibt, und den grünen Wandel zu meistern", sagte Scholz der "Times of India".

Indien ist nach China und den USA der drittgrößte Produzent klimaschädlicher Treibhausgase, hinkt beim Klimaschutz aber hinterher. So stuft das Analyse-Portal Climate Action Tracker die Pläne Indiens im Kampf gegen die Erderwärmung als "hochgradig unzureichend" ein. (fmg/AFP/dpa) Lesen Sie auch: Indien-Reise des Kanzlers: Scholz auf leisen Sohlen