Berlin. Die letzte große Auslandsmission der Bundeswehr geht zu Ende: Die Truppe soll bis Mai 2024 das westafrikanische Bürgerkriegsland Mali verlassen. Darauf haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) bei einem Treffen im Kanzleramt am Dienstag geeinigt.
Es wurde vereinbart, ein Mandat für den Einsatz bis ins Jahr 2024 zu formulieren. Vom kommenden Jahr an solle jedoch mit einem "Einstieg in den Ausstieg" begonnen werden. Das Ende Mai 2023 auslaufende Bundeswehrmandat müsste vom Bundestag dafür ein weiteres Mal verlängert werden.
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Bundeswehr will sich auf anderes Gebiet konzentrieren
Nach dem Rückzug der Bundeswehr aus im Sommer 2021 ist dies der zweite Abbruch eines großen Auslandseinsatzes. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges lag dieser Schritt nah. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, hatte jüngst in einem vertraulichen Papier einen Strategiewechsel gefordert. Die Streitkräfte müssten sich für einen drohenden Konflikt mit Russland schlagkräftiger aufstellen.
"Angriffe auf Deutschland können potenziell ohne Vorwarnung und mit großer, gegebenenfalls sogar existenzieller, Schadenswirkung erfolgen", lautete Zorns alarmierender Befund. Landes- und Bündnisverteidigung und nicht Auslandseinsätze seien künftig die Prioritäten der Bundeswehr, so der Generalinspekteur.
Meinungsverschiedenheiten zwischen Lambrecht und Baerbock entschärft
Dem Mali-Treffen war ein hartes Ringen innerhalb der Ampelregierung vorausgegangen. Während Verteidigungsministerin Lambrecht und ihr Militär seit Monaten für einen Abzug geworben hatten, hatten Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre Diplomaten auf einen Verbleib gepocht. Mit dem erzielten Kompromiss schien die Meinungsverschiedenheit zwischen beiden Häusern zumindest entschärft.
Im westafrikanischen Mali sind derzeit noch 1121 Bundeswehrsoldaten stationiert. Sie operieren seit 2013 unter dem Dach einer mehr als 17.000 Kräfte umfassenden Friedenstruppe der Vereinten Nationen. Die Minusma-Mission ist der derzeit wohl gefährlichste Einsatz der UN. Sie soll islamistische Milizen stoppen, die seit rund zehn Jahren versuchen, den Sahel-Staat zum Aufmarschgebiet des Dschihadismus zu machen.
Mali: Putschistenführer pflegt enge Beziehungen zu Moskau
Doch die erhoffte Stabilisierung blieb aus. Die Demokratie in Mali kollabierte: Seit Mai 2021 herrschen Militär-Putschisten unter dem Übergangspräsidenten Assimi Goïta, der enge Beziehungen zu Moskau pflegt. Es ist der dritte Putsch seit 2012.
Die Putsch-Regierung hatte mehrmals demokratische Wahlen angekündigt, die aber immer wieder verschoben worden. Noch komplexer wird die Lage dadurch, dass auch Russland mitmischt. Seit Monaten beobachtet die Bundeswehr, wie sich Kämpfer der russischen Privatarmee "Wagner" in Mali ausbreiten.
Auch auf dem Flughafen in Gao wurden bereits Russen gesichtet. Gut 1500 der Söldner sollen im Land sein. Sie unterstützen die malische Regierung bei der Jagd nach Terroristen, arbeiten aber nicht mit den UN-Truppen zusammen.
Mali: Auch Großbritannien und die Niederlande planen Rückzug
Frankreich hatte seine Soldaten bereits aus Mali abgezogen. Großbritannien und die Niederlande haben den Rückzug ihrer Truppen angekündigt. London begründete dies mit wachsenden Sorgen vor einer militärischen Kooperation Malis mit Russland. Moskau lieferte immer wieder Kampfjets und Hubschrauber – der malische Verteidigungsminister Sadio Camara bezeichnete dies als "Win-Win-Partnerschaft".
Spätestens seit dem Sommer stand auch die Bundeswehr-Entsendung auf der Kippe. Damals sorgte für Aufregung, dass die malische Regierung den deutschen Verbänden keine Genehmigungen für Truppentransporte erteilte. Neue Probleme kamen dazu.
Die deutsche Überwachungsdrohne Heron, mit der die Bundeswehr den UN Luftbilder zur Erstellung eines Lagebilds beschaffen soll, hat seit Mitte Oktober nicht mehr vom Flughafen Gao abgehoben. Grund: anhaltende Streitigkeiten mit der malischen Regierung.
Lambrecht ging es vor allem um die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten
Bundeskanzler Scholz hatte im Spätsommer Positionspapiere des Verteidigungs- und des Außenressorts zum Mali-Einsatz bestellt. Was die beiden Häuser lieferten, hätte unterschiedlicher kaum sein können.
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Im Dossier von Lambrecht ging es vor allem um die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten. Diese sei angesichts des Dauerstreits mit der malischen Regierung kaum mehr zu gewährleisten. Zudem analysierten deutsche Militärs, dass auch die Mission selbst, die zur Stabilisierung von Nordmali führen sollte, kaum mehr durchführbar sei.
Das Fazit des Berichts: Im kommenden Jahr sollte der Abzug der Bundeswehr eingeleitet und bis Ende 2023 abgeschlossen werden.
Baerbock warb für den Schutz der malischen Zivilbevölkerung
Ganz anders die Sicht im Auswärtigen Amt. Selbst im Sommer, als die malische Militärregierung mit der Verweigerung von Überflugrechten die Deutschen offensichtlich schikanieren wollte, warb Baerbock noch vehement für die Fortsetzung des Einsatzes. Zum Schutz der malischen Zivilbevölkerung sei die Blauhelmmission nötig, hieß es im Außenamt.
Die Diplomaten sorgten sich zudem um den Ruf Deutschlands. Würde sich die Bundeswehr aus der größten Uno-Mission verabschieden, sende dies ein Signal von fehlender Verlässlichkeit in die Welt. Das dann entstehende Vakuum würden Russen und Chinesen füllen. Mali dürfe nicht "zum Vasallen Russlands" werden, warnte Baerbock.
Empfehlung: Die Bundeswehr solle noch bis 2024 bleiben. Nach dem angekündigten Abzug der Deutschen ist die Zukunft der UN-Blauhelm-Mission in Mali ungewiss.
Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.
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