Berlin. Die “Gruppe Wagner“ gilt als Russlands gefährliche Schattenarmee. Jetzt gibt es wohl Pläne, Putins Söldner in die Ukraine zu versetzen.

Sie gilt als Russlands Schattenarmee, ihren ersten Einsatz hatten Wladimir Putins heimliche Söldner zu Beginn des Ukrainekonflikts 2014: Kämpfer der sogenannten „Gruppe Wagner“ waren bei der Besetzung der Krim dabei, als „grüne Männchen“ ohne russische Uniformen und Hoheitszeichen waren sie aber nicht eindeutig der russischen Seite zuzuordnen. Und sie kämpften in der Ostukraine auf Seiten der prorussischen Separatisten.

Seitdem ist die Gruppe Wagner an zahlreichen Konflikten beteiligt, im Nahen Osten und in Afrika, immer wieder unterstützt sie Putins hybride Kriege und geopolitischen Ziele.

Jetzt könnte die Privatarmee zu ihren Ursprüngen zurückzukehren: Nach amerikanischen Medienberichten wurden erste Söldner der Gruppe Wagner bereits aus der Zentralafrikanischen Republik abgezogen und nach Russland verlegt, weitere Kämpfer sollen folgen.

Ein Ableger der Schattenarmee, die Task Force Rusich, hat offenbar Mitglieder in die Ukraine einsickern lassen, Fotos zeigten sie in der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Charkow im Nordosten des Landes. Eine Bestätigung für einen geplanten Einsatz in der Ukraine gibt es naturgemäß nicht, die Gruppe Wagner mit ihren geschätzt mindestens 3500 Soldaten agiert bevorzugt im Verborgenen.

US-Geheimdienste erwarten Sabotageakte in der Ukraine

Aber dieses Manöver würde ins Bild passen, das US-Geheimdienste von der Bedrohung der Ukraine zeichnen: Danach plant Russland, Agenten in die Ukraine einzuschleusen, die dort unter falscher Flagge Sabotageakte gegen die russischsprachige Bevölkerung oder Separatisten verüben – das würde Russland einen Anlass liefern, um offiziell die Ukraine anzugreifen. „Wir haben Informationen, wonach die Russen wahrscheinlich einen Vorwand für eine Invasion erfinden wollen“, sagt der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby.

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Ukrainische Soldaten bewachen einen Kontrollpunkt an der Trennungslinie in der Region Luhansk. US-Geheimdienste warnen, in der Region könne es zu Sabotageakten kommen.
Ukrainische Soldaten bewachen einen Kontrollpunkt an der Trennungslinie in der Region Luhansk. US-Geheimdienste warnen, in der Region könne es zu Sabotageakten kommen. © dpa | Andriy Dubchak

Gruppe Wagner hat ihren Ursprung in der Ukraine

Die Gruppe Wagner wäre dafür bestens geeignet, in der Ukraine hat sie ihren Ursprung: Sie kämpfte an der Seite der prorussischen Separatisten, angeführt vom Tschetschenien-Kriegsveteranen Dmitry Utkin, der ein Jahr zuvor seinen Dienst als Oberstleutnant im russischen Militärgeheimdienst GRU beendet hatte. Utkin soll die Gruppe aus Veteranen und Ultranationalisten nach dem deutschen Komponisten Richard Wagner benannt haben.

Als Russland 2015 dann in den syrischen Bürgerkrieg auf Seiten von Machthaber Bashar al-Assad eingriff, begann Utkin seine Söldner auch nach Syrien zu entsenden. Noch während des Syrien-Einsatzes wurde er vom russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgezeichnet, wie Fotos von einem Empfang zum „Tag der Vaterlandshelden“ belegen.

Utkin ging eine Zusammenarbeit mit dem Oligarchen und Putin-Weggefährten Jewgenij Prigoschin ein, der unter anderem Luxusrestaurants betreibt und sich damit den Spitznamen „Putins Koch“ verdiente. Unter Prigoschins Regie bauten sie die Gruppe zur florierenden Privatarmee aus: Mit Kämpfern, Ausbildern und Bodyguards für den Einsatz weltweit.

Putins Söldner unterstützen Russlands Geopolitik

Prigoschin soll Putin auch an anderen Fronten seiner hybriden Kriegsführung zu Diensten sein, US-Ermittler halten ihn für den Hintermann einer Internet-Trollfabrik, die 2016 mit Fake-News Wahlkampf für Donald Trump machte - was Prigoschin allerdings ebenso bestreitet wie seine Rolle bei Wagner.

In Syrien waren die rund 2500 eingesetzten Söldner auch in die Kämpfe um Palmyra verwickelt, zahlreiche Wagner-Mitglieder kamen ums Leben, andere fielen der Terrorgruppe Islamischer Staat in die Hände, die die Söldner in Videos vorführte. Inzwischen sind Wagner-Mitglieder im Mittleren Osten, in Jemen und in einem Dutzend afrikanischer Staaten stationiert. Sie tauchen bevorzugt dort auf, wo auch Russland geopolitische Ambitionen verfolgt, bei Bedarf auch ausgestattet mit hochmodernem russischen Kriegsgerät, wie etwa in Libyen.

Der schneebedeckte Kreml in Moskau, der Amtssitz des russischen Präsidenten. Die Verbindungen des Kreml zur Gruppe Wagner sind nach Erkenntnisse westlicher Experten eng, was Präsident Wladimir Putin allerdings bestreitet.
Der schneebedeckte Kreml in Moskau, der Amtssitz des russischen Präsidenten. Die Verbindungen des Kreml zur Gruppe Wagner sind nach Erkenntnisse westlicher Experten eng, was Präsident Wladimir Putin allerdings bestreitet. © dpa | Bai Xueqi

Gruppe Wagner tarnt russische Beteiligung an Konflikten

Vorteil für Putin: Russland ist so an Konflikten beteiligt, ohne selbst Soldaten in umstrittene Einsätze schicken zu müssen. Für Aktionen der Söldnertruppe streitet Putin jede Verantwortung ab. Opfer muss er offiziell nicht Russland zurechnen lassen. Doch besteht kein Zweifel an der engen Verbindung in den Kreml.

„Wagner ist eng, oft direkt, mit dem russischen Staat verbunden“, analysiert der Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Andras Racz. Die Gruppe stütze sich auf die Infrastruktur des russischen Militärs, Wagner-Kämpfer würden mit Flugzeugen der russischen Luftwaffe an ihre Einsatzorte geflogen.

Der russische Präsident Wladimir Putin.
Der russische Präsident Wladimir Putin. © dpa | Yuri Kochetkov

So unterstützt der russische Staat die Gruppe Wagner

Und der russische Staat versorge die Söldner auch mit Pässen: Die Dokumente seien oftmals von jener als zentrales Migrationsbüro firmierenden Passabteilung 770-001 ausgestellt, die vorwiegend für das Verteidigungsministerium tätig ist und auch den Attentätern des Giftanschlags auf Sergei Skripal falsche Identitäten verschafft haben soll. Der Hauptstützpunkt der Gruppe Wagner liegt in Molkino in der südwestrussischen Region Krasnodar auf einem Gelände des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Rekrutiert werden vor allem ehemalige Soldaten.

Der Verdienst für Söldner im Kampfeinsatz liegt bei etwa 3000 Euro. Mehr verdient die Firma: Die Gruppe Wagner wird in mehreren afrikanischen Ländern mit Gold und Diamanten belohnt, genauer gesagt mit Schürfrechten für diese Bodenschätze. Das Geschäftsmodell entwickelte Wagner in Syrien, dort soll es Anteile am Öl- und Gasgeschäft geben.

Im Sudan etwa, wo Russland eine Marinebasis aufbaut, schlug Wagner Proteste gegen den damaligen Diktator Omar al-Bashir nieder, als Lohn gab es Schürfrechte an den Goldminen, wie es in einer neuen Studie des Washingtoner Forschungsinstituts Brookings heißt. Auch der Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik soll mit Lizenzen zur Diamant- und Goldabbau bezahlt werden.

Gruppe Wagner: UN-Bericht spricht von schweren Menschenrechtsverletzungen

Unter anderem auf diesen Einsatz beziehen sich aber auch Vorwürfe schwerer Menschenrechtsverletzungen, die die Europäische Union ebenso erhebt wie ein Expertenbericht der Vereinten Nationen. Zu den Taten zählen laut UN-Bericht wahllose Tötungen, die Plünderung von Schulen, exzessive Gewaltanwendung. Die USA werfen Wagner auch die Ermordung von Mitgliedern der mehrheitlich muslimischen Volksgruppe der Fulbe vor. Inzwischen hat die EU Sanktionen gegen Gründer Utkin, die Gruppe selbst sowie weitere Mitglieder und drei mit Wagner verbundene syrische Öl- und Gasfirmen verhängt, ähnliche Sanktionen haben die USA beschlossen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. © AFP | John Thys

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagt: „Die Aktivitäten der Wagner-Gruppe sind Indiz für die hybride Kriegsführung Russlands: Sie sind weltweit eine Bedrohung, verursachen Instabilität in einer Reihe von Staaten.“ Jetzt wohl auch, was die EU und die USA besonders ärgert, in Mali. „Hunderte russische Söldner“ sollen im Land angekommen sein, beklagt der Auswärtige Dienst der EU. Nach US-Angaben hat die Übergangsregierung in Mali der Gruppe eine monatliche Zahlung von zehn Million Dollar zugesagt.

Die Regierungen in Deutschland, Frankreich und anderen Staaten, die sich mit Soldaten an zwei Ausbildungs- und Friedensmissionen in Mali beteiligen, sind empört. Russlands Präsident Wladimir Putin bestreitet, dass sein Staat irgendetwas mit dem Söldnereinsatz zu tun hat. Bei einer Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Moskau erklärte Putin kühl, Mali habe aber das Recht, mit privaten russischen Firmen zusammenzuarbeiten.

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