Berlin. Bildungsministerin Stark-Watzinger spricht im Interview über Wärme im Klassenzimmer, mehr Geld für Studierende und den Corona-Winter.

Ist die Zeit von Homeschooling und Wechselunterricht wirklich vorbei? Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) macht im Interview mit unserer Redaktion eine klare Ansage an die Länder.

Was macht Ihnen die größeren Sorgen, wenn Sie an den Winter in den Schulen denken - die Energiekrise oder die Pandemie?

Bettina Stark-Watzinger: Die Kombination beider Krisen besorgt mich. Wir sind uns in der Bundesregierung und mit der Kultusministerkonferenz jedoch einig, dass die Schulen offenbleiben müssen. Wir brauchen möglichst viel Normalität für die Schülerinnen und Schüler im kommenden Herbst und Winter.

Werden die Kinder in warmen Klassenzimmern sitzen?

Stark-Watzinger: Es ist völlig klar, dass auf Schulen ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss. Die Schulen gehören zu den geschützten Kunden. Sie werden von der Bundesnetzagentur vorrangig berücksichtigt, sollte eine Gasmangellage eintreten.

Heißt für die Raumtemperatur?

Stark-Watzinger: Es war mir ein besonderes Anliegen, dass Schulen von den zusätzlichen Energiesparmaßnamen wie der Absenkung der Raumtemperatur ausgenommen werden. Die Kinder sollen nicht frieren.

Bleiben Turn- und Schwimmhallen geöffnet?

Stark-Watzinger: Der Schulsport muss stattfinden, ganz klar. Das muss gewährleistet werden von den Ländern und Kommunen.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) © dpa | Bernd von Jutrczenka

Niemand kann ausschließen, dass in manchen Regionen vorübergehend die Gasversorgung ausfällt. Sollen die Schulen vorsichtshalber Heizlüfter anschaffen?

Stark-Watzinger: Ich bin skeptisch, ob das eine gute Lösung ist. Zu viele Heizlüfter können das Stromnetz überlasten. Das müsste wenn vor Ort entschieden werden. Als Bund können wir das nicht empfehlen.

Sind die Schulen mittlerweile auf digitalen Unterricht vorbereitet?

Stark-Watzinger: Der Sommer war dazu da, das neue Schuljahr vorzubereiten, etwa digitale Stresstests an den Schulen durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass die Länder das auch gemacht haben. Die Schulen müssen zu digitalem Unterricht in der Lage sein - auch wenn es diesen Winter ausschließlich Präsenzunterricht geben soll.

Fürs Protokoll: Sie schließen aus, dass Schulen aus Energiemangel zum Homeschooling übergehen?

Stark-Watzinger: Es darf nicht passieren, dass Schulen schließen, weil die Energieversorgung knapp wird.

Gilt das auch für Hochschulen? Einige Länder überlegen schon, notfalls die Weihnachtsferien zu verlängern oder ganz in den digitalen Lehrbetrieb überzugehen.

Stark-Watzinger: Die Schließung von Hochschulen darf genauso wenig eine Option sein. Auch hier brauchen wir möglichst viel Normalität. Natürlich können wir nicht alle Szenerien vorhersehen. Aber nach derzeitigem Stand ist das eine unnötige Debatte.

Studierende sollen finanziell entlastet werden, um mit den steigenden Preisen zurechtzukommen. Reichen 200 Euro Energiepauschale, um über den Winter zu kommen?

Stark-Watzinger: Das ist ja nicht die einzige Maßnahme. Schon im ersten Entlastungspaket sind BAföG-Empfänger mit einem Heizkostenzuschuss von 230 Euro bedacht worden. Wer nebenbei arbeitet, bekommt die 300 Euro Energiepauschale. Jetzt kommt nochmal für alle Studierenden, Fachschülerinnen und Fachschüler eine Einmalzahlung von 200 Euro hinzu. Zudem haben wir bereits eine BAföG-Reform umgesetzt, mit einem um über acht Prozent höheren Förderhöchstsatz. Wenn man diese Bausteine zusammennimmt, ist die Situation für junge Leute noch nicht einfach, aber es gibt einiges an Entlastung.

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Legen Sie noch einmal nach?

Stark-Watzinger: Das sollten wir tun. Beispielsweise könnte der zweite Heizkostenzuschuss auch wieder BAföG-Empfänger und Azubis zugutekommen. Das wären dann noch einmal mehrere Hundert Euro.

Wie denken Sie über Forderungen, die jungen Leute - bevor sie ein Studium oder eine Ausbildung aufnehmen - zu einem Dienstjahr zu verpflichten?

Stark-Watzinger: Gerade junge Menschen haben in der Pandemie sehr viel zurückstecken müssen. Viele haben das ohne Murren getan. Zum Dank ein verpflichtendes Dienstjahr einzuführen, halte ich für absolut falsch. Ein freiwilliges Dienstjahr finde ich wunderbar, und viele junge Leute sind auch gerne bereit, sich so in die Gesellschaft einzubringen. Es geht darum, diesen Freiwilligendienst attraktiver zu machen. Aber das soll jeder für sich entscheiden können. Ein Pflichtjahr, wie es der CDU vorschwebt, wird es mit uns nicht geben.

Die Jungen sehnen sich besonders nach einem Ende der Pandemie. Was tragen die neuen Omikron-Impfstoffe dazu bei?

Stark-Watzinger: Zum Glück löst Omikron einen weniger schweren Krankheitsverlauf aus als die vorherigen Varianten - besonders, wenn man geimpft oder genesen ist. Die neuen Impfstoffe gegen die Omikron-Varianten BA.1 und BA.5 bieten noch einmal einen höheren Schutz, gerade für Risikogruppen.

Bei den Fünf- bis Elfjährigen sind - trotz Stiko-Empfehlung - gerade 20 Prozent geimpft. Zu wenig für ein sicheres Schuljahr?

Stark-Watzinger: Ich unterstütze die Empfehlung und setze mich auch für niedrigschwellige Impfangebote an den Schulen ein. Kinder gegen Corona zu impfen, bleibt aber natürlich eine persönliche Entscheidung.

Die Länder - so sieht es das neue Infektionsschutzgesetz vor - können eine Maskenpflicht ab der 5. Klasse beschließen. In welcher Situation sollte das geschehen?

Stark-Watzinger: Die Maske ist an das harte Kriterium gebunden, dass der Präsenzunterricht gefährdet wäre. Die Länder sollten mit diesem Instrument daher sehr zurückhaltend sein. Ich erwarte, dass es bei der Omikron-Variante gar nicht zum Tragen kommen muss.

Sie halten die Maske im Klassenzimmer erst dann für erforderlich, wenn eine gefährliche Virusvariante kommt?

Stark-Watzinger: Für mich zählen beide Kriterien: Das Virus löst schwerere Krankheitsverläufe aus, und es gefährdet den Präsenzunterricht. Erst dann halte ich die Maske im Klassenzimmer für gerechtfertigt.

Die Länder können die Schulen auch zu regelmäßigen Tests verpflichten. Raten Sie dazu?

Stark-Watzinger: Ich halte ein anlassloses Massentesten nicht für sinnvoll – gerade bei Omikron. Wenn testen, dann gezielt und anlassbezogen - also nur dann, wenn ein Kind die entsprechenden Symptome zeigt.

Frau Ministerin, die jungen Klimaschützer von Fridays for Future haben wieder einen globalen Schulstreik organisiert. Wie groß ist Ihre Sympathie für Aktivismus zu Lasten der Bildung?

Stark-Watzinger: Ich finde es gut, wenn sich Schülerinnen und Schüler für Ihre Zukunft engagieren. Nur ist Bildung genau das - Zukunft. Wenn ich etwa den Lehrermangel sehen, der ein großes Problem ist, dann frage ich mich, warum es eigentlich nicht Fridays for Education gibt.

Fridays for Education – was stellen Sie sich darunter vor?

Stark-Watzinger: Dass Schülerinnen und Schüler engagiert für ein besseres Bildungssystem eintreten: etwa für mehr und besser qualifizierte Lehrer, modernere und digitalere Schulen, mehr Vergleichbarkeit bei den Abschlüssen. Bildung als der Weg zur Verwirklichung der eigenen Träume braucht mehr Aufmerksamkeit und Engagement.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.