Berlin. Soll die EU wegen des Ukraine-Kriegs ein Einreiseverbot für Russen verhängen? Unser Kommentator Christian Kerl warnt vor den Folgen.

Russische Bürger machen fröhlich Ferien auf griechischen Inseln oder gehen shoppen in Berlin, während ihre Landsleute Städte in der Ukraine bombardieren. Dass sich der ukrainische Präsident Selenskyj darüber ärgert und nach einem Reiseverbot für Russen in die EU ruft, ist verständlich. Dass die EU der Forderung nicht nachgibt, ist gleichwohl richtig. Es wäre ein Irrweg, wenn zur Strafe für den Ukraine-Krieg jetzt quer durch Europa ein neuer Eiserner Vorhang errichtet würde.

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Die bisherigen EU-Sanktionen zielen aus gutem Grund auf Putin, seine Regierung und die Wirtschaft, nicht direkt auf die 144 Millionen Russen. Jetzt alle Bürger für Putins Verbrechen in Sippenhaft zu nehmen, wäre ein Geschenk für die Kreml-Propaganda, die immer wieder behauptet, dem Westen gehe es gar nicht um die Ukraine, er wolle vielmehr Russland in die Knie zwingen.

Visa für Russen: Darum muss die Tür nach Europa offen bleiben für russische Bürger

Christian Kerl, Brüssel-Korrespondent
Christian Kerl, Brüssel-Korrespondent

Eine mit Visasperren erzwungene Isolation würde nur dafür sorgen, dass sich mehr Menschen hinter den Präsidenten stellen, nicht weniger. Sie wäre ungerecht all jenen gegenüber, die diesen Krieg ablehnen.

Der Westen darf den Austausch mit normalen Bürgern, mit Studenten, Künstlern, Wissenschaftlern nicht stoppen. Was sie hier an offenen Informationen über den Ukraine-Krieg erhalten, kann früher oder später Treibstoff sein für einen Sturz Putins.

Deshalb: Die Tür nach Europa muss offen bleiben für russische Bürger. Aber die EU-Staaten dürfen ruhig genauer hinschauen, wer zu ihnen kommt. Einreiseverbote und Vermögenssperren gibt es ja schon für Putin und seine Schergen. Nichts spricht dagegen, dass die EU noch deutlich mehr Kriegsprofiteure, Propagandisten und Helfer des Kremlherrschers gezielt mit Sanktionen belegt.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de

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