Berlin . Horst Seehofer tritt als Chef der CSU ab, bleibt aber Innenminister. Die Rolle, die er aktuell spielt, ist aber nur eine von vielen.

Er ist wie eine Katze. Er hat viele Leben, nicht sieben, aber mindestens vier. Das vierte Politikerleben des Horst Lorenz Seehofer beginnt irgendwann Ende Januar, Anfang Februar 2019. Dann scheidet er als CSU-Chef aus.

Er hatte Zeit, sich darauf einzustellen. Und doch wirkt er arg geknickt, als die CSU-Bezirkschefs ihm zuletzt klarmachen, dass sie ihn beim Wort nehmen und am Ergebnis der Bayernwahl messen wollen. Seehofer ist für die CSU kein Erfolgsgarant mehr.

Als Innenminister macht er in Berlin weiter, in einem Ressort und in einer Stadt, mit denen er fremdelt. Er ist ein Mann der Bonner Republik. In den Bundestag kommt er 1980, damals 31 Jahre alt. Er gehört zum linken Flügel der Union und hat ein Faible für Sozialpolitik und etwas Spielerisches an sich. Norbert Blüm, damals Sozialminister, selbst ein Schlitzohr, gefällt es: Er macht ihn zu seinem Staatssekretär.

Horst Seehofer 1995 als Bundesgesundheitsminister.
Horst Seehofer 1995 als Bundesgesundheitsminister. © dpa | Michael Jung

Von 1992 bis 1998 ist Seehofer Gesundheitsminister. Bis 2004 ist er im Wesentlichen Sozialpolitiker. Aus Protest gegen die Gesundheitspauschale tritt er rollentreu als Unions-Fraktionsvize zurück. Davon erholt er sich – zweites Leben – schnell. 2005 profitiert er von der vorgezogenen Neuwahl und der großen Koalition, er darf als Agrarminister ins Kabinett.

Horst Seehofer belebte die CSU neu

2008 verliert die CSU erstmals seit vier Jahrzehnten die absolute Mehrheit in Bayern. Weite Teile der Partei wünschen sich einen Neuanfang und dass Ministerpräsidentenamt und CSU-Vorsitz in eine Hand gelegt werden – in Seehofers. Sein drittes Leben lässt sich gut an. 2013 holt Seehofer die absolute Mehrheit zurück, auf Parteitagen wird er regelmäßig mit Ergebnissen um die 90 (und mehr) Prozent im Amt bestätigt.

Im bayerischen Kabinett zahlen sich Seehofers Erfahrung und seine Ausbildung zum Verwaltungsbeamten aus. Seehofer hat zwar nicht studiert, dafür aber von der Pike auf gelernt, einen Apparat zu führen.

Die Schwächen des Politikers treten allerdings alsbald zu Tage. Er ist stimmungsabhängig und wechselt gern die Positionen. Schon bald nennen sie ihn hinter vorgehaltener Hand „Drehhofer“. Seit wann der Ruch des Scheiterns ihn umweht, lässt sich schwer datieren. Zweifellos gibt es zwei Treiber des Niedergangs.

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Söder als Treiber des Niedergangs

Da ist zum einen Markus Söder, der ihn immerzu als Leitwolf auf die Probe stellt und im Frühjahr 2018 als Regierungschef ablöst. Da ist zum anderen die Flüchtlingskrise 2015, die zum Bruch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führt.

Ein ungleiches Paar: Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.
Ein ungleiches Paar: Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. © dpa | Michael Kappeler

Auf dem CSU-Parteitag im November desselben Jahres kann man das Drama verfolgen. 21 Minuten hat die Kanzlerin geredet, weitere 13 Minuten muss sie auf der Bühne verharren. „Jetzt will ich dir einfach unsere Überzeugung sagen, damit die Standpunkte auch klar sind, auf denen wir in den nächsten Wochen weiterarbeiten“, setzt er an. „Wir sind der Auffassung“, sagt Seehofer weiter, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur Bewältigung der Flüchtlingsthematik „nicht auf Dauer zu haben ist, wenn wir nicht zu einer Obergrenze kommen.“

Ein führender CSU-Politiker erinnert sich: „Das war schrecklich peinlich, einfach kein Benehmen.“ Später wird Seehofer der Kanzlerin eine „Herrschaft des Unrechts“ vorwerfen, um sie noch später wiederum als gemeinsame Kanzlerkandidatin der Union zu bejubeln. Da ist er wieder, der Drehhofer. So wie im Sommer 2018, als er, seit März Bundesinnenminister, seinen Rücktritt ankündigt – wieder geht es um die Flüchtlinge – und zurücknimmt.

Da hatte er längst den Rückhalt der CSU verloren. An jedem Info-Stand im Wahlkampf, versichern CSU-Politiker, gab es ein Thema: Wann geht Seehofer?

Die Antwort: Jetzt. Aber nicht so ganz. Das vierte Leben – nur als Innenminister – beginnt.