Berlin. Malta, Slowakei, Ungarn und auch Polen – In der Europäischen Union schwindet die Pressefreiheit sehr stark. Es ist ein Alarmsignal.

„Durch die Furcht vor der Presse werden mehr Verbrechen, Korruption und Unmoral verhindert als durch das Gesetz.“

Ein Satz des legendären US-Zeitungsverlegers Joseph Pulitzer. Er ist über 100 Jahre alt und mag heute für manchen übertrieben klingen. Aber er beschreibt exakt die gesellschaftliche Funktion der freien Presse. Sie hat eine Wächterpflicht, und wer sie bekämpft, will nicht nur lästige Journalisten mundtot machen. Wer dies tut, will weniger Freiheit.

Daher ist es ein Alarmsignal, dass ausgerechnet in Europa, an der Wiege der ältesten Demokratien, die Pressefreiheit unter Druck kommt. Gefühlt ist es kein neuer Trend, aber der jüngste Jahresbericht von Reporter ohne Grenzen dokumentiert es erschreckend deutlich: Vier der fünf Länder, in denen sich die Freiheit der Presse besonders verschlechtert hat, liegen in der Europäischen Union. Und die Fälle sind gravierend.

Journalistenmorde, brutale Willkür, staatliche Einmischung

Journalistenmorde auf Malta und in der Slowakei. Staatliche Einmischung und Zensurversuche in Ungarn und Polen. Dazu kommt brutale Willkür gegen Journalisten in der Türkei. Deniz Yücel saß fast ein Jahr ohne Anklage in einem Land in Haft, das Milliarden Euro als Heranführungshilfe zur EU erhält.

Die Fakten liegen auf dem Tisch, und es muss endlich gehandelt werden. Europa hat sich schon in der Flüchtlingskrise blamiert und wenig solidarisch gezeigt. Ist die Pressefreiheit in Gefahr, muss die EU Haltung zeigen. Sie muss beweisen, dass sie mehr ist als ein Betrieb, der Subventionen verteilt und den Krümmungsgrad von Gurken kontrolliert. Die Europäische Union ist eine Werte-Union, und wer ihre gemeinsamen Werte verrät, muss es zu spüren bekommen.

Es darf nicht sein, dass gerade neue Mitgliedsländer den warmen Geldregen genießen und gleichzeitig Mindestanforderungen an demokratische Spielregeln verletzen. Daher brauchen wir eine Debatte über spürbare Sanktionen. Mit Lippenbekenntnissen sind die Feinde der Freiheit nicht zu beeindrucken.

Fernsehteams mit Personenschutz bei Pegida-Demos

Aber auch in Deutschland kann mehr für die Freiheit der Presse getan werden. Platz 15 in der Rangliste der Pressefreiheit ist zwar keine Katastrophe – aber wahrlich kein Ruhmesblatt. TV-Teams, die nur noch mit Personenschutz von Pegida-Demonstrationen berichten können, sowie offene Drohungen gegen missliebige Leitartikler sind unerträglich, und die Empörung darüber ist – bis auf wenige Ausnahmen – leider überschaubar.

Sicher, Journalisten dürfen und müssen auch kritisiert werden. Wer Kritik austeilt, muss auch Kritik einstecken können. Aber wer den Aktionsradius von Reportern einschränkt, sie versucht einzuschüchtern oder gar zu bedrohen, der trifft mehr als nur die Journalisten. Er trifft alle, die sich unabhängig informieren wollen. Aber es gibt noch viel subtilere und nicht weniger gefährliche Angriffe auf die Pres­sefreiheit. Dazu zählen das tägliche Verunglimpfen und die absurden Lügenvorwürfe, die bei vielen Medienkritikern schon zum guten Ton gehören.

Es gilt, den unabhängigen Journalismus zu verteidigen

Besonders in der Tiefe des Digitalen haben sich in einer seltsamen Parallelwelt diejenigen versammelt, die unsere Gesellschaft von einer „Lügenpresse“ bedroht sehen und dabei selbst vor schlimmsten Lügen nicht zurückschrecken.

Wer sie entlarvt und ihnen öffentlich die Stirn bietet, hat nicht nur bei Facebook und Twitter viel zu tun und braucht ein dickes Fell. Aber es lohnt sich, den unabhängigen Journalismus zu verteidigen. Denn zur Freiheit der Presse gibt es keine akzeptable Alternative.