Washington. Ein Programm Obamas schützte Menschen vor Abschiebung, die als Kinder illegaler Einwanderer in die USA kamen. Trump setzt dem ein Ende.

Als Kinder oder Jugendliche in die USA gekommene illegale Einwanderer sollten nicht für die „Sünden“ ihrer Eltern büßen – und ausgewiesen werden. Das war der Grundgedanke einer präsidialen Anordnung von Präsident Barack Obama, von der bis heute 800.000 junge Menschen profitieren. Nachfolger Donald Trump hat am Dienstag gegen großen Protest von Demokraten, moderaten Republikanern, großen Wirtschaftsunternehmen und Kirchen ein Stoppschild aufgestellt.

Sein Justizminister Jeff Sessions erklärte das so genannte „Daca“-Programm („Deferred Action for Childhood Arrivals“) für verfassungswidrig. Es läuft bis März 2018 aus. Bis dahin muss der Kongress per Gesetz die Weichen neu stellen. Sonst droht Hunderttausenden die Abschiebung.

Chancen für politische Einigung stehen schlecht

Die Chancen für eine politische Einigung stehen schlecht. Die ideologischen Gräben in der republikanischen Mehrheitspartei sind noch tiefer als vor 2012. Damals blieb ein Gesetzentwurf („Dream Act“) im Verfahrensgang stecken. Es sollte minderjährigen Einwanderern, die ohne eigenes Verschulden ohne gültige Einreisepapiere in die USA kamen, einen Weg in die Legalität ebnen.

In vielen Städten demonstrierten Einwanderer ohne Papiere und andere Gegner der Entscheidung.
In vielen Städten demonstrierten Einwanderer ohne Papiere und andere Gegner der Entscheidung. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS

Als Antwort machte Obama von seinem Initiativrecht Gebrauch und sicherte unter strengen Kriterien junge Latinos ab, die aus Mexiko und Zentralamerika von ihren Eltern der besseren Lebenschancen wegen in die USA gebracht worden waren. Man nennt sie bis heute „Dreamer“ - Träumer.

Vor Ausweisung geschützt – ohne Anspruch auf Einbürgerung

Auf Antrag und nach akribischer Überprüfung konnten sie – sofern sie im Juni 2012 jünger als 31 Jahre und seit 2007 ununterbrochen in den USA waren – eine Aufenthaltsberechtigung bekommen. Und damit eine Sozialversicherungsnummer, ohne die in den USA wenig geht – ob Autokauf, Bankgeschäfte, Wohnung mieten oder ähnliches. Kandidaten durften nicht vorbestraft sein, mussten einen Schulabschluss vorweisen oder in den Streitkräften dienen.

Von 1,7 Millionen potenziell Betroffenen bekamen bis heute rund 800.000 grünes Licht. Für jeweils zwei Jahre, dann muss eine Verlängerung beantragt werden, sind sie vor Ausweisung geschützt, besitzen aber keinen Anspruch auf Einbürgerung.

Programm trifft auf breite Zustimmung

Das Programm erfreut sich in Umfragen breiter Zustimmung. „Sie arbeiten hart, sie lassen sich nichts zu Schulden kommen, sie wollen ein besseres Leben“, sagte einmal stellvertretend für viele der republikanische Senator John McCain, „amerikanischer als diese Kids kann man nicht sein.“

Firmen wie Apple, Amazon oder Facebook stellten sich gemeinsam mit 400 anderen Unternehmen in den vergangenen Tagen demonstrativ hinter das Obama-Programm und warnten vor einer Aufgabe. Die betroffene Klientel stehe für zwei Milliarden Dollar Steuereinnahmen im Jahr. Sie abzuschieben, sei mit „großem volkswirtschaftlichen Schaden verbunden“, warnen Experten im Wirtschaftsmagazin „Fortune“.

Trump hatte im Wahlkampf das Ende des Programms versprochen

Trump hatte im Wahlkampf, wo das Agitieren gegen illegale Einwanderung über Monate im Zentrum stand, zum Wohlgefallen seiner rechtskonservativen Basis das Ende des Daca-Programms fest versprochen. Nach Amtsantritt kam der Unternehmer auch auf Drängen seiner Tochter Ivanka und seines Schwiegersohns Jared Kushner ins Wanken. Er tue sich „sehr schwer“ mit der Entscheidung, erklärte Trump und sagte zuletzt sogar: „Ich liebe die Dreamer.“

US-Justizminister Jeff Sessions verkündete das Auslaufen des Programms.
US-Justizminister Jeff Sessions verkündete das Auslaufen des Programms. © dpa | Susan Walsh

Paul Ryan (Sprecher des Repräsentantenhauses) und Mitch McConnell (Mehrheitsführer im Senat) rieten Trump öffentlich zur Beibehaltung des Programms. Auf der Gegengeraden pochten Justizminister Jeff Sessions und die Berater Stephen Miller und Steve Bannon (inzwischen gefeuert) auf Einlösung des Wahlkampfversprechens. Als Vorwand brachten sie ins Spiel, dass die Justizminister von elf republikanisch regierten Bundesstaaten eine Klage angekündigt hatten, sollte Trump die Entscheidung seines Vorgängers nicht revidieren.

Sessions begründete das Aus für „Daca“ am Dienstag ausschließlich mit juristischen Argumenten. Obama habe seine Kompetenzen überschritten und dabei die Verfassung missachtet. „Wir sind ein Land der Mitmenschlichkeit“, sagte Sessions, „aber wir sind auch ein Land des Gesetzes.“ Auch der US-Präsident verteidigte seine Entscheidung schließlich in einer Erklärung, die das Weiße Haus herausgab: Es bereite ihm keine Freude, junge Erwachsene für die Handlungen ihrer Eltern zu bestrafen, hieß es darin – er müsse aber Recht und Gesetz beachten.

Ex-Präsident Obama kritisiert Entscheidung scharf

Ex-räsident Barack Obama die Entscheidung scharf kritisiert – ohne Trump direkt zu erwähnen. „Diese jungen Leute ins Visier zu nehmen, ist falsch, weil sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen“, schrieb Obama am Dienstag auf Facebook.

„Hier geht es um junge Leute, die in Amerika aufgewachsen sind. Die in unseren Schulen unterrichtet wurden, junge Erwachsene, die ihre Karriere starten, Patrioten, die den Treueschwur auf unsere Fahne leisten“, schrieb Obama. „Sie hinauszuwerfen, senkt unsere Arbeitslosenquote nicht, mindert nicht die Steuerlast von irgendwem und erhöht auch keine Arbeitslöhne“, fuhr Obama fort.

Obama erklärte, er habe jahrelang erfolglos den Kongress gebeten, endlich ein Gesetz vorzulegen, dass die Situation der sogenannten „Dreamer“ regele. Dies sei nicht geschehen, bis er selbst mit einer Präsidenten-Anordnung zur Tat geschritten sei. Es mache keinerlei Sinn, gut ausgebildete, fähige Leute des Landes zu verweisen. Darüberhinaus sei es unmenschlich. „Viele von ihnen können keine andere Sprache als Englisch“, schrieb Obama weiter. Alle seien durch strikte Prüfungen gegangen und stellten kein Sicherheitsrisiko dar. (mit dpa)