Washington. US-Präsident Donald Trump nutzt den innerparteilichen Bürgerkrieg bei den Republikanern. Steht die „Grand Old Party“ vor dem Ende?

Als Donald Trump sich zum zweiten Mal scheiden lassen wollte, die Dame hieß Marla Maples, verkündete er seinen Freiheitsdrang noch über das Boulevard-Blatt „New York Post“. Die Trennung von der Partei, auf deren Ticket er vor zehn Monaten unerwartet ins Weiße Haus einzog und die sich seit ihrer Gründung 1854 weihevoll „Grand Old Party“ nennt, vollzieht Amerikas Präsident seit einigen Wochen digital: auf Twitter.

Seit Trumps vornehmstes Wahlversprechen, die Abschaffung der Krankenversicherung seines Vorgängers („Obamacare“) an den ideologisch gespaltenen Republikanern im Kongress gescheitert ist, stehen die Zeichen auf Sturm. Es vergeht kaum ein Tag, an dem Mitch McConnell, Paul Ryan, John McCain und andere Spitzenvertreter der Konservativen nicht von Trump vor dessen 36 Millionen Twitter-Anhängern schikaniert werden. Es bewahrheitet sich, was der New Yorker Analyst David Brooks bereits im Februar feststellte: „Trump gefährdet den exis­ten­ti­ellen Charakter der Partei und der Nation.“

Autor fordert die Amtsenthebung Trumps

Wie weit das Zerwürfnis reicht, dokumentiert ein gerade erschienenes Buch von Jeff Flake. Der jugendlich anmutende republikanische Senator aus Arizona schreibt in „Das Gewissen eines Konservativen“ das, was viele Konservative denken. Aber aus Angst vor Trumps Wählern, die bei der Zwischenwahl im November 2018 böse Denkzettel verteilen könnten, so nie laut sagen würden; jedenfalls jetzt noch nicht.

Hat deutliche Worte gegen den US-Präsidenten gefunden: Senator Jeff Flake
Hat deutliche Worte gegen den US-Präsidenten gefunden: Senator Jeff Flake © REUTERS | AARON P. BERNSTEIN

Nach Flakes Lesart ist Trump ein prinzipienloser Scharlatan, der mit seinen ständigen Lügen im Weißen Haus die Republikaner in den politischen Bankrott treiben wird. Flake, auf den Trump seither wie auf einen Sandsack eindrischt und dessen Wiederwahl torpediert, fordert die Annullierung des „faustischen Paktes“, den die Republikaner eingegangen seien, als sie den politisch biegsamen Bau-Milliardär unter ihrem Segel um die Präsidentschaft in See stechen ließen. Sprich: die Amtsenthebung. Impeachment.

Die Partei von Eisenhower und Reagan schlingert

Eine Mehrheit dafür ist nicht in Sicht. Den Mann, der für sie das Weiße Haus erobert und Mehrheiten in beiden Parlamentskammern errungen hat, der immer noch ein stabiles Wähler-Reservoir hinter sich weiß, kalt auszumustern, fällt den Republikanern nicht ein.

Wie auch. Sie müssten sich selbst verleugnen. Trumps Wahlsieg ist nichts anderes als das Produkt des Zerfalls in viele feindliche „Stämme“ innerhalb der Partei und einer jahrelangen Entfremdung von einem Amerika, in dem große Republikaner wie Theodore Roosevelt, Dwight Eisenhower und Ronald Reagan prägende Kapitel geschrieben haben.

Impeachment: So kann man Trump aus dem Amt kicken

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    Ein Schlüsseldatum dabei ist das Jahr 1994. Radikale Republikaner unter dem alerten Wortführer Newt Gingrich gewannen zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Kongresswahlen. In ihrem „Vertrag mit Amerika“ war indes weniger von den traditionellen Werten der einst von Abraham Lincoln geführten Partei wie Familie, Religion und Patriotismus die Rede. Als vielmehr von unverrückbaren Forderungen, die man gegen die Demokraten kompromisslos durchsetzen werde: mehr Militärausgaben, schärfere Strafgesetze, sinkende Steuern, Abbau des schon damals leptosomen Sozialstaats.

    Partei ist in viele kleine Lager zerfallen

    Viel Erfolg hatte die autoritär und freudlos auftretende Gruppe am Ende nicht. Aber sie legte ein Fundament, auf dem sich später die noch radikalere Tea-Party-Bewegung ausbreiten konnte, die wiederum heute in Gestalt des „Freedom Caucus“ im Repräsentantenhaus eine Mutation erfahren hat, die sich in Washington wie Zucker in einem Benzintank bemerkbar macht: explosiv, zersetzend, zerstörend.

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    Es ist kein Zufall, dass gerade in diesen Tagen wieder intensiv über das Ins­trument des „Government Shutdown“ debattiert wird. Newt Gingrich, der heute den großväterlichen Trump-Versteher gibt, war der Erste, der es 1995 im Streit mit dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton darauf ankommen ließ, das Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit zu bringen.

    „Freedom-Caucus-Leute“, denen die vulgär-libertäre, staatsfeindliche Lehre über alles geht, sehen darin keine Sünde. Sondern eine notwendige Reinigung. Ging es nach ihnen, würde die Sabotage-Politik der Republikaner gegen jede Gesetzesinitiative Obamas fortgesetzt; nur diesmal gegen den eigenen Präsidenten, so er sich vom Pfad der Tugend entfernt. Diesen „Anti-Demokraten“ (Magazin „Politico“) stehen viele moderate, traditionell auf Verständigung und Interessenausgleich mit den Demokraten trainierte Republikaner alten Schlages wie Susan Collins aus Maine gegenüber, vergleichbar mit den Anhängern der katholischen Soziallehre in der CDU.

    „Dieser Präsident reitet alles zuschanden“

    Trump hat sich diesen innerparteilichen Bürgerkrieg, in dem fanatische Abtreibungsgegner, ökonomisch getriebene Globalisierungsbefürworter, Wirtschaftsnationalisten, militärische Falken, Anti-Interventionisten und Normalo-Konservative bei Reizthemen wie Einwanderung, Steuern, Homo-Ehe, Soziales und Sicherheit wie Fremdkörper gegeneinander arbeiten, zunutze gemacht. Im Vorwahlkampf hetzte er gegen die Kandidaten des Establishments. Jeb Bush, Marco Rubio, Ted Cruz, John Kasich – alle mussten sich beschimpfen und demütigen lassen, ohne dass eine Parteispitze intervenierte.

    Der vielstimmige Chor, der sich jeden Tag aus dem Weißen Haus vernehmen lässt und der sein Echo in einem de facto führungslosen Kongress findet, ist noch schriller geworden, seit Donald Trump mit seinen Äußerungen zu rechtsextremistischen Ausschreitungen in Charlottesville für viele Republikaner eine Grenze überschritten hat. Sein dumpfes Kokettieren mit der Ultrarechten und den Rassisten hat eine öffentlich noch nicht überall sichtbare Absatzbewegung in Gang gesetzt.

    Man fürchtet, dass mit dem moralisch ins Niemandsland abgerutschten Präsidenten kein Staat mehr zu machen ist. „Wir befinden uns am Scheideweg“, sagte ein klassischer Konservativer im Washingtoner Vorort Chevy Chase unserer Redation, „dieser Präsident reitet alles zuschanden, was uns heilig sein muss.“ Ob die orientierungslosen Republikaner die Kraft haben, sich von Trump zu emanzipieren? „Wenn nicht, landen wir im Orkus der Geschichte.“