Kanzlerin Merkel hat sich mit ihren Kollegen auf ein Bündel an Maßnahmen geeinigt. Ob das Rettungspaket für den Euro ausreicht, ist ungewiss.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich auf dem Brüsseler Krisengipfel mit ihren europäischen Kollegen auf ein ganzes Bündel an Maßnahmen verständigt. Deshalb haben die Verhandlungen auch so lange gedauert: Mehr als eine Woche wurde auf verschiedenen Ebenen diskutiert. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gelang den Regierungschefs dann der Durchbruch.

Was haben die Regierungschefs genau beschlossen?

Die europäischen Banken sollen verpflichtet werden, sich einen größeren Kapitalpuffer anzulegen, damit sie Krisen ohne staatliche Hilfe überstehen. Zudem haben sich die Euro-Staaten auf ein neues Hilfspaket für Griechenland verständigt, das auch einen Schuldenschnitt beinhaltet. Der Euro-Rettungsschirm soll mehr Schlagkraft erhalten. Und schließlich wurden Italien Reformauflagen gemacht. Als langfristiges Ziel verständigte man sich darauf, die EU-Verträge zu ändern. Die Staaten der Euro-Zone sollen enger zusammenrücken durch eine abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Wie viel Geld bekommt Athen?

Griechenland kann auf weitere 100 Milliarden Euro hoffen. Die Euro-Staaten wollen bis Ende des Jahres ein zweites Hilfspaket schnüren. Im Gegensatz zum ersten Unterstützungsprogramm über 110 Milliarden Euro vom Mai 2010 soll das Geld nun aus dem Rettungsfonds EFSF kommen. Mit den neuen 100 Milliarden Euro soll Griechenland bis 2014 über die Runden kommen. Das Hilfspaket und die damit verbundenen Sparauflagen werden nun verhandelt. In Deutschland muss auch der Bundestag dem Rettungspaket zustimmen.

Wer muss zahlen, Bürger oder Banken?

Endlich müssen die Banken bluten - das ist der Eindruck, den Politiker am Tag nach dem Gipfel verbreiteten. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Es sollen bei privaten Investoren griechische Staatsanleihen im Wert von rund 200 Milliarden Euro im Umlauf sein. Die Bonds sollen nun Anfang 2012 umgetauscht werden in Anleihen, die nur noch die Hälfte wert sind. Die privaten Gläubiger erlassen Athen die Hälfte der Schulden - also rund 100 Milliarden. Die Beteiligung ist freiwillig. Um die Banken zum Mitmachen zu bewegen, müssen die Staaten ein Lockmittel einsetzen: Die neuen, um 50 Prozent reduzierten Anleihen sollen abgesichert werden mit bis zu 30 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm. Diese Summe würden die Banken dann von der EFSF auf jeden Fall wiederbekommen, selbst im Falle eine Staatspleite. Wenn man diese Versicherungen einkalkuliert, beläuft sich der tatsächliche Beitrag der Finanzhäuser nur auf 70 Milliarden Euro - und der Anteil der Euro-Staaten am neuen Hilfspaket für Griechenland auf insgesamt 130 Milliarden Euro. Und noch einen Haken gibt es bei dem Beitrag der privaten Gläubiger: Von den ausstehenden 200 Milliarden Euro in Anleihen liegen rund 50 Milliarden bei griechischen Banken. Diese werden durch den Schuldenschnitt in Schieflage kommen. Hilfe sollen sie dann aus dem zweiten Rettungspaket erhalten.

Ist das Land nach der Umschuldung gerettet?

Zweifel sind angebracht. So wurde Griechenland im Mai 2010 Hilfe gewährt mit dem Ziel, dass das Land sich schon ab 2012 wieder am Kapitalmarkt selbst versorgen kann. Im vergangenen Juli hat man dann eingesehen, dass das Ziel nicht zu erreichen ist. Es wurde über ein neues Hilfsprogramm beraten, damals noch mit einer freiwilligen Gläubigerbeteiligung von rund 50 Milliarden Euro. Doch schon zwei Monate später wurde klar, dass dieser Beitrag nicht ausreicht. Deshalb haben die Regierungschefs den Banken nun das Doppelte abgerungen. Dadurch soll es gelingen, den Schuldenstand Griechenlands von knapp 170 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) auf 120 Prozent im Jahr 2020 zu senken. Doch ob das klappt, ist unklar. Erstens ist noch nicht ausgemacht, dass sich alle privaten Gläubiger an dem Schuldenschnitt beteiligen - wie in den Berechnungen unterstellt. Zudem hängt das Szenario entscheidend davon ab, ob sich die griechische Wirtschaft erholt. Bisher ging es durch die Sparmaßnahmen bergab.

Warum gibt es neue Kapitalvorschriften für Banken?

Die Geldhäuser sollen vorsorglich gegen die Auswirkungen der Krise gestärkt werden. Die systemrelevanten Banken - deren Zusammenbruch Turbulenzen an den Finanzmärkten auslösen könnte - müssen ihr Eigenkapital bis Ende 2012 erhöhen. In Europa sind 70 Institute von den Vorschriften betroffen, 13 davon aus Deutschland. Durch den größeren Kapitalpuffer wollen die Regierungen verhindern, dass sie wieder Banken retten müssen. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Häuser die Auflagen aus eigener Kraft erfüllen können. Denen müssen die Staaten mit Kapitalspritzen helfen.

Wie wird der Rettungsschirm auf mehr als ein Billion gehebelt?

Ende Juli hatten die Regierungschefs beschlossen, den Euro-Rettungsschirm aufzustocken. Dazu erhöhten sie die Garantien auf 780 Milliarden Euro, Deutschland trägt dazu 211 Milliarden Euro bei. Mithilfe dieser Garantien kann die EFSF klammen Staaten rund 440 Milliarden Euro an Nothilfe gewähren. Doch es hat sich schnell herausgestellt, dass auch diese Summe nicht ausreicht. Deshalb haben sich die Staaten nun darauf geeinigt, Kredithebel einzusetzen. Zwei Modelle wurden grundsätzlich genehmigt. Bei beiden kauft die EFSF nicht mehr selbst Staatsanleihen von Euro-Ländern, sondern animiert private oder staatliche Investoren durch Garantien. Wenn die Anleihen durch den Rettungsschirm mit 20 Prozent besichert werden, könnten fünfmal mehr Bonds gekauft werden. Die Garantiesumme von 211 Milliarden Euro bliebe für Deutschland dieselbe. Allerdings könnte sich das Ausfallrisiko erhöhen. Unklar ist auch noch, ob die Finanzmärkte die Hebelmodelle überhaupt annehmen. Davon hängt ab, ob der Rettungsschirm sich tatsächlich auf über eine Billion hebeln kann.

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Warum sollen die EU-Verträge geändert werden?

Die Regierungschefs wollten neben all den Notmaßnahmen auch langfristige Signale senden. Die Änderung macht deutlich: Die Euro-Zone wird enger zusammenrücken, Spekulationen auf ein Auseinanderbrechen sind zwecklos. Eine Vertragsänderung wird allerdings Jahre dauern. Zuvor wollen die Euro-Staaten bereits ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik stärker koordinieren. Deutschland dringt darauf, dass es auch Durchgriffsrechte in die Haushalt von Schuldensündern gibt. Die Sorge ist groß, dass der nun gut gefüllte Hilfsfonds EFSF ansonsten zu nachlassenden Reformanstrengungen führen wird. Allerdings wurden auf dem Gipfel noch keine Details vereinbart, wie die neue Zusammenarbeit aussehen soll.

Ist die Euro-Zone dauerhaft stabilisiert?

Der Gipfel dürfte zumindest für eine Verschnaufpause sorgen. Die Börsen reagierten positiv, auch der Euro-Kurs stieg. Doch gelöst ist die Krise noch lange nicht. Der Schuldenschnitt dürfte Griechenland zwar Luft verschaffen. Ob er ausreicht, damit sich das Land dauerhaft erholt, ist fraglich. Zudem könnten nun Spanien und Italien verstärkt in den Fokus der Anleger geraten. Viel wird davon abhängen, ob die beiden Staaten ihre Reformen und Sparmaßnahmen tatsächlich umsetzen.

Hat sich Deutschland durchgesetzt?

Ja, zumindest bei den meisten strittigen Punkten. Die Bundesregierung konnte die höhere Gläubigerbeteiligung in Griechenland durchsetzen. Entscheidender ist aber, was verhindert wurde: Deutschland hat sich erfolgreich dagegen gewehrt, dass der Rettungsschirm für Bankenhilfe eingesetzt wird. Das ist nun nur als letzter Schritt möglich. Zudem musste Sarkozy seinen Plan zurückziehen, die EFSF mit einer Bankenlizenz auszustatten. Merkel hat verhindert, dass die Staatsschuldenkrise mit der Gelddruckmaschine bekämpft wird. Fraglich ist allerdings, ob die Europäische Zentralbank (EZB) wie geplant ihre Anleihekäufe einstellen wird.