Bei Demonstration in Damaskus wurden Intellektuelle festgenommen. Der UN-Sicherheitsrat befasst sich derweil mit Syriens Atomprogramm.

Beirut /Wien. In den letzten 24 Stunden sind bei Militäroperationen in ganz Syrien nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mindestens acht Menschen getötet und Dutzende festgenommen worden. Die Angriffe ereigneten sich in der Hauptstadt Damaskus, der nördlichen Provinz Idlib und im Nordwesten nahe der Grenze zur Türkei.

Sieben Menschen seien am späten Mittwochabend in der nördlichen Provinz Idlib ums Leben gekommen, sagte Mustafa Osso, ein in Syrien ansässiger Bürgerrechtler. Das örtliche Koordinationskomitee, das die Proteste gegen die syrische Regierung dokumentiert, bestätigte die Angaben. In der Provinz kommt es seit Wochen zu Militärangriffen, offenbar um zu verhindern, dass Menschen in die benachbarte Türkei fliehen. Das örtliche Koordinationskomitee teilte außerdem mit, dass am Donnerstag ein 45-jähriger Mann in der Provinz Deir el Sur von Sicherheitskräften erschossen wurde, als diese auf Demonstranten feuerten.

In Damaskus sei am Mittwochabend ein Demonstration gegen das Regime von Präsident Baschar Assad zerschlagen worden, sagte Ammar Kurabi, Vorsitzender der Nationalen Organisation für Menschenrechte. Sicherheitskräfte hätten einige friedliche Demonstranten geschlagen und syrische Intellektuelle, Schauspieler und Künstler festgenommen. Die Demonstration verlief zeitgleich mit einer Kundgebung von Unterstützern des Regimes, die nicht beendet wurde. Nach Angaben mehrerer Aktivisten soll es zu Zusammenstößen gekommen sein.

Seit Beginn der Proteste vor vier Monaten sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen mindestens 1.600 Menschen getötet worden. Die Regierung bestreitet die Zahlen und macht ausländische Verschwörer und bewaffnete Banden für das Blutvergießen verantwortlich. Präsident Baschar Assad gibt Reformbedarf zu, viele der Protestierenden wollen jedoch nicht mit der Regierung in Dialog treten, solange mit Gewalt gegen Demonstrationen vorgegangen wird.


UN-Sicherheitsrat befasst sich mit Atomprogramm in Syrien

Syrien hat eigene nukleare Ambitionen stets bestritten. Die Beweise dafür, dass es sich bei einer im Jahr 2007 von Israel bombardierten Anlage um einen fast fertigen Reaktor handelte, sind nach Angaben internationaler Experten jedoch erdrückend. Auf einer Sitzung am Donnerstag wollte sich der UN-Sicherheitsrat Diplomaten zufolge mit dem Thema befassen. Anlass sei vor allem die beharrliche Weigerung des syrischen Regimes, bei einer Untersuchung seines mutmaßlichen Atomprogramms zu kooperieren.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte Syrien Anfang Juni wegen des mutmaßlichen Baus einer Nuklearanlage in der Region Dair Asur dem Weltsicherheitsrat gemeldet. Das Gremium in New York könnte nun, ähnlich wie im Fall Iran, Sanktionen gegen Damaskus verhängen. Dies gilt allerdings als unwahrscheinlich: Zum einen, weil der Iran trotz Sanktionen scheinbar unbekümmert die Arbeiten an seinem Atomprogramm fortführt. Zum anderen, weil die Vorwürfe gegen Syrien sich auf die Vergangenheit beziehen und somit keine direkte Gefahr einer Weiterverbreitung besteht.

Dennoch sei die Bedeutung der Gespräche in New York nicht zu unterschätzen, sagte ein Gewährsmann aus Diplomatenkreisen der Nachrichtenagentur AP. Dies zeige allein schon die Tatsache, dass der Sicherheitsrat das Thema nur einen Monat nach der Meldung der IAEA auf die Tagesordnung gesetzt habe. Es werde zudem erwartet, dass sowohl IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano als auch der für die Nichtverbreitung von Atomwaffen zuständige IAEA-Direktor Herman Nackaerts zu der Sitzung anreisen.

Seit 2008 hat die in Wien ansässige Organisation Syrien im Visier. Doch sämtliche Bemühungen um eine Überprüfung der verdächtigen Anlage im Osten des Landes waren bisher vergeblich. 2007 hatten israelische Kampfflugzeuge bei einem Überraschungsangriff das in der Wüste gelegene Gelände bombardiert. Vieles spricht dafür, dass es ein mit nordkoreanischer Hilfe erbauter Reaktor war, den die Israelis zerstörten. Von unabhängiger Seite konnte dies jedoch nicht überprüft werden – und genau das ist der zentrale Vorwurf in dem Resolutionsentwurf, der dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde.

Dem Entwurf zufolge soll das Gremium «große Sorge» über «die mangelnde syrische Kooperation» bei Überprüfungen durch die IAEA ausdrücken, besonders zum Zustand der Atomanlage Dair Asur. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Initiative und dem gewaltsamen Vorgehen des syrischen Präsidenten Baschar Assad gegen die Protestbewegung in seinem Land bestehe nicht, heißt es weiter.

Die Anlage in Dair Asur soll dem Vorwurf zufolge dazu gedient haben, Plutonium anzureichern. Diese Einschätzung hatten zuvor sowohl Israel als auch die USA geäußert. Syrien bestreitet dies, verweigert Inspektoren aber jede Kontrolle, seit im Jahr 2008 auf dem Gelände Spuren von angereichertem Uran gefunden wurden. Angereichertes Uran ist der Ausgangsstoff für Brennstäbe, aber auch Atombomben.

Mit der Meldung an den Sicherheitsrat will die IAEA vor allem Druck auf Syrien ausüben. Westliche Staaten, die den Entwurf unterstützen, befürchten den Gewährsleuten der AP zufolge allerdings, dass der Sicherheitsrat den Fall einfach an die IAEA zurückverweisen könnte. Dies würde die Organisation demnach erheblich belasten und möglicherweise auf Kosten ihrer Anstrengungen im Fall Iran gehen – und vom Iran geht nach Ansicht der meisten Mitgliedstaaten der IAEA noch immer die wesentlich größere Gefahr aus. (dapd/abendblatt.de)