Deutschland schaltet ab – aber Angela Merkels Energiewende ruft die Kritiker auf den Plan. Die Sorge um die Strompreise wächst.

Berlin. Jetzt ist es amtlich! Der Bundestag hat den Atomausstieg bis zum Jahr 2022 beschlossen. Union, FDP, SPD und Grüne stimmten gemeinsam mehrheitlich für eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes. Es gab 513 Ja- und 79 Nein-Stimmen sowie 8 Enthaltungen. Acht Atomkraftwerke werden sofort stillgelegt, die übrigen neun AKW stufenweise bis 2022. Damit wird als Folge der Katastrophe von Fukushima die erst im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung zurückgenommen. Auch machte der Bundestag den Weg frei für ein umfangreiches Gesetzespaket zur Energiewende.

Nach einer ursprünglichen Verlängerung von Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke hat die schwarz-gelbe Bundesregierung, hat vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) umgedacht. Und es gibt versteckte wie offene Kritik am Umgang der Bundeskanzlerin mit dem Thema. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte, die CDU hätte einen Parteitag über den geplanten Atomausstieg entscheiden lassen sollen. Wenn eine Partei so wesentliche Grundpositionen ändere, müsse die Basis darüber diskutieren und auch abstimmen und nicht aus dem „Bundeskanzleramt von oben herab diktieren“, sagte Trittin. Zuvor hatte auch Bundespräsident Christian Wulff kritisiert, dass seine frühere Partei eine solche Entscheidung nicht auf einem Parteitag besprochen hat.

Die Grünen wollen auch bei einer Übernahme von Regierungsverantwortung im Bund am Atomausstiegsdatum 2022 festhalten. Das sagte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn der „Rheinischen Post“. „Wenn wir 2013 mitregieren sollten, werden die Grünen an dem Zeitraum festhalten, dass bis 2022 der letzte Meiler abgeschaltet werden soll“, sagte Höhn und fügte hinzu: „Das heißt, wir werden den vorzeitigen Ausstieg 2017 auch nicht mehr als Zielsetzung im nächsten Wahlkampf haben.“

Der bayerische Umweltminister Markus Söder verspricht sich von der Verabschiedung des Atomausstiegsgesetzes mehr Wettbewerb durch eine Einschränkung der Marktmacht der großen Energiekonzerne. „Wir müssen zu einer neuen Wettbewerbsstruktur kommen und dürfen die Entwicklung nicht nur den großen Konzernen überlassen“, sagte der CSU-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“. „Künftig werden die Kommunen ein starker Energiewettbewerber, auch Genossenschaftsmodelle mit Bürgern sind dabei gut vorstellbar“, sagte Söder. In Bayern sollen in Zukunft neben den Städten und Gemeinden auch die Landkreise als Energieanbieter auftreten, kündigte der Minister an.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat seine Warnung vor den Risiken der Energiewende bekräftigt. Viele Unternehmen sorgten sich, ob die Versorgung mit Energie hierzulande wirklich gesichert sei, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Tausende Kilometer neue Netze, neue Gaskraftwerke, neue Speicher müssten erst einmal gebaut werden. „Ob das alles klappt, wird sich zeigen“, betonte Driftmann.

EU-Energiekommissar Günter Oettinger sieht im Atomausstieg Deutschlands kein Konfliktpotenzial in der EU. „Zur Kernkraft stehen die Europäer sehr unterschiedlich, das war so und bleibt so“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Der Energiemix sei allein Sache der Mitgliedstaaten, weswegen die EU Deutschlands Energiepolitik „voll und ganz“ respektiere. Oettinger wies jedoch darauf hin, dass die deutsche Energiewende europaweit den Strompreis verteuern könnte. Deutschland müsse daher die Abschaltung seiner Atomkraftwerke mit Europa abstimmen und rechtzeitig etwa mit modernen Gaskraftwerken neue Kapazitäten aufbauen, forderte er. (abendblatt.de/dpa/dapd)