Über das verlängerte Wochenende könnte es zu Schwierigkeiten kommen. Experten halten Stromimporte grundsätzlich aber nicht für notwendig.

Hamburg. Was bringt den Deutschen die Energiewende? Während Netzbetreiber vor zu viel Strom aus Wind und Sonne an den Pfingstfeiertagen warnen und in dieser Zeit sogar Stromausfälle für möglich halten, kritisieren andere, dass Deutschland durch die Ökowende zunehmend auf Energielieferungen aus dem Ausland angewiesen ist - auch sie fürchten Blackouts.

Das erste Szenario sieht in etwa so aus: Pfingstmontag scheint die Sonne fast deutschlandweit, noch dazu weht im Osten und Norden ein starker Wind. Eine immense Menge Strom wird sofort in das Netz reingepresst. Strom, der wegen der in Industriebetrieben ruhenden Arbeit aber nicht gebraucht wird. "Die Netze sind dann unter Stress, das kann zu Schwierigkeiten führen", sagt der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth.

Bereits vor dem Atommoratorium warnten Energieexperten vor der Gefahr eines Blackouts speziell am Pfingstwochenende. "Da ist in der Regel sehr viel Energie im Netz bei wenig Verbrauch", sagt Andreas Preuß vom Netzbetreiber Amprion. Dabei hat die Lage etwa am Pfingstmontag nichts zu tun mit der Stilllegung von acht Kernkraftwerken nach der Katastrophe von Fukushima. Sie zeigt aber das prinzipielle Problem mit bisher nicht auf die Ökowende ausgerichteten Netzen.

Das andere Szenario haben Atomausstiegsskeptiker wie der RWE-Manager und frühere Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt bereits skizziert: Durch die Abschaltung mehrerer Kernkraftwerke während des Atommoratoriums würden vor allem in Süddeutschland Stromausfälle drohen, die nur durch Importe aus Atomstrom produzierenden Ländern wie Frankreich und Tschechien verhindert würden. So klang jüngst auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Angesprochen auf den Atomausstieg der Deutschen antwortete der Staatschef: "Wenn sie ihre Atomkraftwerke abstellen, dann müssen sie durch irgendwas ersetzt werden. Wir bieten uns gerne an, ihnen unseren Strom zu verkaufen." Sein Land bezieht 80 Prozent seines Stroms aus Kernreaktoren, drei- bis viermal mehr als Deutschland.

Doch trotz des Moratoriums exportiere Deutschland im Schnitt weiterhin mehr Strom, als es importieren muss, sagt ein Sprecher der Bundesnetzagentur dem Hamburger Abendblatt. Der Sprecher stellt klar: "Es gibt überhaupt keine Abhängigkeitseffekte in der Form, dass wir auf französischen Atomstrom angewiesen wären." Denn deutsche Energieversorger benutzen seit dem sich abzeichnenden Ausstieg aus der Kernkraft nun verstärkt wieder Kohle- und Gaskraftwerke, von denen sie einige schon eingemottet hatten. Allerdings tun sie es widerwillig, denn das kostet mehr, als aus dem Nachbarland Energie zu importieren. Eine Abhängigkeit vom französischen Strommarkt besteht daher eher in wirtschaftlicher statt in physikalischer Hinsicht.

Verkehrte Welt: Ausgerechnet die stolze Atomnation Frankreich könnte jetzt unter dem deutschen Atomausstieg leiden. Der französische Energieminister Eric Besson sorgt sich bereits, dass Deutschland wegen seiner abgeschalteten Meiler wohl weniger Strom bereitstellen könne. Hintergrund der Sorgen ist die derzeitige Sommerhitze in Frankreich. Laut Greenpeace könnte die diesjährige extreme Trockenheit in Frankreich dazu führen, dass die Flüsse zu wenig oder zu warmes Wasser mit sich führen, um damit Kraftwerke ausreichend kühlen zu können.

Der französische Stromkonzern EdF weist auf Anfrage des Abendblatts die Spekulation zurück, Atomkraftwerke müssten möglicherweise schon in den kommenden Tagen vom Netz genommen werden. Frankreichs Regierung ist sich allerdings offenbar nicht ganz so sicher: Am Donnerstag ist ein Krisenstab eingerichtet worden, der wegen der Hitzewelle die Stromversorgung überwachen soll. Die Leistung der vielen Wasserkraftwerke im Land ist bereits um 30 Prozent gesunken.

Unterdessen rechnet das Bundeskartellamt als Folge des geplanten Atomausstiegs in Deutschland mit steigenden Strompreisen. „Die Märkte rechnen mit einer Strompreiserhöhung – und sie wissen es am besten“, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt der „Rheinischen Post“. „Die Märkte sprechen schon jetzt eine deutliche Sprache“, so Mundt. An der Strombörse seien die Preise bereits um zehn Prozent gestiegen, nachdem die Regierung ihr Atom-Moratorium verhängt habe. „Der Preis ist auch nicht wieder zurückgegangen“, sagte Mundt.

Nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dürften die Strompreise infolge der Energiewende moderat steigen. Das Wirtschaftsministerium kalkuliert mit einem Aufschlag von jährlich 30 bis 40 Euro pro Vier-Personen-Haushalt. Nach Experteneinschätzung könnten die Belastungen für Industriekunden im Verhältnis deutlich größer ausfallen.

Die Sorge vor steigenden Tarifen sorgt auch innerhalb der Union für Unruhe. Der Wirtschaftsflügel der Partei drohte am Freitag mit der Ablehnung des Energiepakets, falls der Industrie nicht dauerhaft wettbewerbsfähige Strompreise garantiert würden. Gefordert wird eine Senkung der Stromsteuer, um die Unternehmen zu entlasten.

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen acht Kernkraftwerke sofort stillgelegt werden. Die anderen neun Anlagen sollen schrittweise bis Ende 2022 vom Netz gehen und durch erneuerbare Energien ersetzt werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangt vom Koalitionspartner FDP eine klare Unterstützung für die Energiepolitik der Bundesregierung. „Störfeuer aus den eigenen Reihen bringen uns nicht weiter“, sagte Kauder der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). FDP-Generalsekretär Lindner solle seine Energie darauf richten, die eigene Partei nach vorn zu bringen. Lindner hatte zuletzt den stufenweisen Plan zur Abschaltung der Atomkraftwerke kritisiert und die Verantwortung für mögliche Klagen und Entschädigungen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer zugewiesen.

Der Unionsfraktionschef riet den Energiekonzernen, nicht gegen den Atomausstieg anzukämpfen. Er glaube nicht, dass Klagen den Konzernen Vorteile bringen würden. „Es wird keine Deals geben“, verkündete Kauder. Der Atomkonzern Eon hat eine Klage gegen die umstrittene Brennelementesteuer angekündigt, weitere Energieversorger prüfen juristische Schritte.