Enge Vertraute von Pol Pot stehen vor Gericht. Die Schreckensherrschaft der Roten Khmer hat tiefe Narben in Kambodscha hinterlassen.

Phnom Penh. In Kambodscha hat mehr als 30 Jahre nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer der Prozess gegen vier hochrangige frühere Regime-Mitglieder begonnen. Die Angeklagten, heute alt und gebrechlich, zählten zum engsten Führungszirkel des 1998 verstorbenen Diktators Pol Pot. Es ist erst der zweite Prozess gegen Rote-Khmer-Funktionäre überhaupt, nachdem vor einem Jahr der Folterchef Kaing Guek Eav alias Duch zu 35 Jahren Haft verurteilt worden war. Später wurde die Strafe auf 19 Jahre verringert. Seit Montag müssen sich vor dem Kriegsverbrechertribunal ECCC der ehemalige Präsident Khieu Samphan, der zweithöchste General des Pol-Pot-Regimes Nuon Chea, der frühere Außenminister Ieng Sary sowie dessen Ehefrau und ehemalige Ministerin Ieng Thirith verantworten. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord vorgeworfen.

Zudem sind sie wegen einer ganzen Reihe von Verbrechen angeklagt, darunter Mord, religiöse und politische Verfolgung, menschenunwürdige Behandlung sowie unrechtmäßige Inhaftierung. Die Angeklagten verfolgten den Prozessauftakt ohne sichtbare Emotionen. Es wurde erwartet, dass alle vier auf nicht schuldig plädieren. Der mittlerweile 84-jährige Nuon Chea verließ den Gerichtssaal nur wenige Minuten nach Verfahrensbeginn mit der Begründung, er befinde sich in einem schlechten Gesundheitszustand und ihm sei kalt. Er trug eine Skimütze, Sweatshirt sowie eine dunkle Sonnenbrille. Während des Pol-Pot-Regimes von 1975 bis 1979 wurden rund 1,7 Millionen Menschen getötet – fast ein Viertel der Bevölkerung Kambodschas. Nach anderen Berichten waren es zwei Millionen Tote. Bis auf Khieu Samphan hat keiner der Angeklagten angedeutet, mit dem Gericht zusammenzuarbeiten. Berichte aus erster Hand über die Beweggründe und Ideologie der Roten Khmer sind daher kaum zu erwarten.

Pol Pots ultra-maoistische Untergrundkämpfer der Roten Khmer hatten 1975 eine blutige Bauernrevolution begonnen. Fünf Jahre zuvor war König Norodom Sihanouk vom rechten Lager vom Thron geputscht worden. Viele Opfer des Regimes verhungerten aufgrund der ökonomischen Experimente, die auf die Rückkehr zu einer geldfreien Agrarwirtschaft zielten. Städtische Intellektuelle und buddhistische Priester wurden unter erbärmlichen Bedingungen zur Feldarbeit auf den sogenannten Killing Fields gezwungen. Das Regime wurde 1979 durch den Einmarsch vietnamesischer Truppen gestürzt. Diese installierten eine kommunistische Regierung, in der vor allem ehemalige Rote-Khmer-Kader saßen. Die Kämpfe zwischen der Regierung und verbliebenen Kämpfern der Roten Khmer dauerten von 1979 bis 1991 an. Millionen Kambodschaner harrten während dieser Zeit in Flüchtlingslagern aus.

Der Prozess gilt auch als Test für den 2005 eingerichteten Gerichtshof ECCC, der unter internationaler Führung steht. Das Tribunal kann Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslang verhängen. Die Todesstrafe gibt es in Kambodscha nicht. Viele Kambodschaner haben den Verdacht, dass die Regierung die Aufarbeitung der Verbrechen behindert. Einige ihrer Mitglieder sind ehemalige Rote-Khmer-Kader. Tatsächlich läuft die Aufarbeitung der Roten-Khmer-Herrschaft im Schneckentempo. Das bislang einzige Urteil des Tribunals gegen Folterchef Duch im vergangenen Jahr haben viele Kambodschaner als zu mild kritisiert. (rtr/dapd)