Die Griechenland-Hilfen, der Atomausstieg, Libyen und und und: Frankreich und Deutschland müssen sich als Partner wieder finden.

Berlin. Finanzkrise, Atomkraft, Libyen, Airbus: Es gab in den vergangenen Jahren gewichtige Themen, bei denen Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel große Differenzen hatten. Angeblich soll der Streit nie das Verhältnis der beiden so unterschiedlichen Temperamente belastet haben. Doch an diesem Freitag kann es in Berlin zum Showdown zwischen Merkel und Sarkozy kommen. Es geht um die Griechenland-Hilfen, den Euro und vieles mehr. Das ist mehr als ein Routinebesuch mit Mittagessen. Denn von den beiden wichtigsten EU-Staaten erwarten die europäischen Partner und die Finanzmärkte, dass sie eine gemeinsame Position vorlegen, wie die EU bei der Rettung Griechenlands vorgehen soll. Spätestens seit die Euro-Finanzminister ein Bild der Zerrissenheit bieten, rätseln viele, wie ein Ausweg aussehen könnte: Einerseits droht Griechenland sich von den Reform-Vorgaben von EU und IWF zu verabschieden. Andererseits beharren Deutschland, Finnland und die Niederlande auf einer Beteiligung privater Gläubiger – was wiederum die EZB abgelehnt.

Doch der Euro ist nicht der einzige Konfliktpunkt zwischen Deutschland und Frankreich. „So viele strittige Themen zwischen beiden Ländern gab es schon lange nicht mehr“, sagt Claire Demesmay, Expertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) für die bilateralen Beziehungen. Mit dem Euro, Libyen, dem deutschen Atomausstieg oder dem Umgang mit dem Wunsch der Palästinenser nach Unabhängigkeit gibt es ungewöhnlich viele Themen, bei denen Frankreich und Deutschland nicht an einem Strang ziehen.

„Aber eine Krise ist das nicht. Es gehört zum Wesen der deutsch-französischen Beziehungen, dass beide Länder stets weit auseinander liegende Positionen in Europa zusammenführen müssen“, sagte Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, der Nachrichtenagentur Reuters. Dennoch beklagen französische Diplomaten, es gebe einen Mangel an Vier-Augen-Gesprächen. Dazu passt das anfangs ruppige Verhältnis zwischen den Außenministern Alain Juppé und Guido Westerwelle. Angesichts der Schnelligkeit der Entwicklungen und der nötigen raschen Abstimmungen leiden die informellen, aber ausführlicheren Treffen.

So fanden auf höchster Ebene schon lange keine „Blaesheim-Treffen“ mehr statt, die früher alle sechs Wochen für informelle Kontakte zwischen Präsident Sarkozy und Kanzlerin Merkel sorgen sollten. Beide verweisen dafür auf ihre häufigen Telefonate und Treffen am Rande internationaler Konferenzen.

Dazu kommt, dass man sich in den vergangenen Monaten gegenseitig überrascht habe, räumt auch Hoyer als Beauftragter für die deutsch-französischen Beziehungen ein. Sarkozy reagierte verschnupft, dass Merkel seiner plötzlichen Interventionsfreude in Libyen nicht folgen wollte. Die Bundesregierung wiederum ärgerte sich über Sarkozys Vorpreschen in Nordafrika. Frankreich ist verunsichert über den deutschen Kurswechsel in der Energiepolitik. „Es fehlt oft der Blick und das Verständnis, unter welchem innenpolitischen Druck die Partnerregierung jeweils steht“, erklärt dies Hoyer.

Dazu kommt eine derzeit unterschiedliche Agenda. „Frankreich verhält sich bei der Partnerwahl differenzierter als noch vor einigen Monaten“, sagt DGAP-Expertin Demesmay. In der Wirtschaftspolitik sei Deutschland Wunschpartner, in der Außen- und Sicherheitspolitik dagegen Großbritannien. Frankreichs Präsident sucht wegen der derzeitigen französischen G8- und G20-Präsidentschaft zudem die große internationale Bühne.

Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass man sich längst wieder im Annäherungsmodus befinde – was wichtig sei. „Frankreich will mehr Deutschland, nicht weniger“, sagte ein französischer Diplomat. In Nordafrika ziehe man längst wieder an einem Strang und berate die Strategien etwa über eine Nachkriegsphase in Libyen. Und in der Atompolitik muss Sarkozy feststellen, dass die eigene Bevölkerung nicht seine Politik, sondern Merkels Wende begrüßt – das dürfte sich nach Demesmays Meinung auch im aufziehenden französischen Präsidentschaftswahlkampf niederschlagen.

Auch in der Eurozonen-Politik hätten sich beide stark aufeinander zu bewegt, betonten beide Seiten. Merkel akzeptiert die französische Forderung nach einer stärkeren wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EU und der Eurozone. Sarkozy denkt nicht nur an eine nationale Schuldenbremse nach deutschem Vorbild, sondern forciert nun selbst ebenfalls Reformen in den verschuldeten Südländern der Union. „Allerdings bleiben Interessensunterschiede, weil etwa französische Banken mehr Staatsanleihen der Südländer in ihren Büchern haben“, sagt Hoyer. Das erkläre die größere Vorsicht in der Debatte über eine griechische Umschuldung. Einigen müsse man sich trotzdem.

Aber wie immer werde ohnehin nur der Streit wahrgenommen, nicht ein deutsch-französischer Erfolg, meinen deutsche Diplomaten. „So hat etwa eine vertrauliche Abstimmung zwischen beiden Regierungen den Weg für eine gemeinsame EU-Position zu Kroatien freigemacht.“ Nun könne der EU-Gipfel anpeilen, einen Beitritt des Landes zu Mitte 2013 zu beschließen. (rtr/abendblatt.de)