Jahrestag des berüchtigten Ulbricht-Zitats: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Neue Bewertung von Walter Ulbrichts Lüge.

Berlin. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben an die Opfer der Berliner Mauer erinnert, deren Bau am 13. August 1961 begann. „Wenn man an die Mauer erinnert, sollte man zuerst von den Menschen reden“, sagte Schäuble bei einer Gedenkstunde im ehemaligen Haus der Ministerien der DDR. In dem Saal des heutigen Bundesfinanzministeriums äußerte DDR-Staatschef Walter Ulbricht auf den Tag vor 50 Jahren am 15. Juni 1961 bei einer Pressekonferenz den mittlerweile legendären Satz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Aus dem Mauerbau und der Lüge Ulbrichts müssten auch Lehren für die Gegenwart gezogen werden, forderte Schäuble. Die „permanente Verbiegung der Wahrheit“ sei ein Zeichen der Diktatur. Wahrheit ergebe sich in der Demokratie aber auch nicht von selbst. „Die Glaubwürdigkeit von Politikern ist nicht ohne Grund ein Dauerthema bei uns“, sagte Schäuble. Auch dürften demokratische Gesellschaften sich nicht damit abfinden, „wenn freiheitliche Werte mit Füßen getreten werden“. Schäuble sagte, die Berliner Mauer sei ein „Ort der Gewalt“ und „Ort des Todes“. Und: „Für die Menschen in der DDR war sie ein Symbol der Ohnmacht. Sie wurden eingesperrt“, sagte Schäuble. Mit dem „monströsen Bauwerk“ seien vor allem Geschichten von menschlichem Leid verbunden. Weltweit sei die Mauer zugleich „das sprechende Zeichen schlechthin für die Grausamkeit und Hilflosigkeit diktatorischer Regime“ geworden.

Bundesinnenminister Friedrich bezeichnete die Mauer als „Offenbarungseid und Gewaltakt gegen die Menschen in der DDR“. Heute gelte es vor allem, die innerdeutsche Trennung über Generationen zu überwinden. „Wir müssen mit gegenseitigem Respekt aufeinander zugehen“, forderte Friedrich. Dabei sollten die Menschen in der alten Bundesrepublik bedenken, dass sich „die meisten Menschen in der DDR Diktatur, Stasi und Mauer nicht ausgesucht haben“. Zudem forderte er, bei der Aufarbeitung der Geschichte der SED-Diktatur nicht nachzulassen.

In den Augen des Leiters des SED-Forschungsverbundes an der Freien Universität Berlin, Klaus Schroeder, war Ulbrichts damalige Aussage nicht unbedingt eine Lüge, sondern der Versuch, Sowjetführer Nikita Chruschtschow unter Druck zu setzen. Eine Mauer zu bauen habe der SED-Chef nur als zweitbeste Lösung angesehen, aus der wirtschaftlichen Misere der DDR herauszukommen, sagte Schroeder im RBB-Hörfunksender „Radio Eins“.

Ulbricht habe angestrebt, West-Berlin zu entmilitarisieren, zur freien Stadt erklären zu lassen und die Kontrolle der Zufahrtswege zu übernehmen. „Langfristig wollte er so West-Berlin von der Bundesrepublik lösen und irgendwann einkassieren“, so Schroeder.

Die Sowjetunion wiederum habe aber einen heißen Krieg mit dem Westen gefürchtet. Deshalb habe Chruschtschow abgewartet, was die Westmächte, vor allem die USA, dazu sagen werden. Als diese ihr Einverständnis für eine Schließung der Grenzen signalisierten, wenn dabei West-Berlin verschont bleibe, habe Chruschtschow Ulbricht „grünes Licht“ für den Berliner Mauerbau gegeben.

Die deutsche Teilung dauerte mehr als 28 Jahre und ging erst mit dem Mauerfall vom 9. November 1989 zu Ende. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen starben an der Berliner Mauer durch das DDR-Grenzregime mindestens 136 Menschen. Der Grenzwall um das damalige West-Berlin war rund 155 Kilometer lang. Schäuble hatte 1990 nach dem Mauerfall den Einheitsvertrag mit ausgehandelt. (dapd/epd)