Altbundeskanzler Kohl wird heute in Berlin sprechen und hat zum Festakt am Reichstag zugesagt

Berlin. Unmittelbar vor den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung haben sich gestern die ostdeutschen Ministerpräsidenten in Warnemünde getroffen. Dort diskutierten sie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (beide CDU) den Stand und die Perspektiven des Aufbaus Ost sowie die EU-Förderpolitik nach 2013. Merkel sagte, die auf etwas mehr als drei Millionen gesunkene Zahl der Arbeitslosen sei "sehr ermutigend". Es sei richtig gewesen, in der Wirtschafts- und Finanzkrise Brücken zu bauen, die Hilfen kämen jetzt bei den Menschen an.

An der Regionalkonferenz nahmen neben Gastgeber Erwin Sellering (Mecklenburg-Vorpommern), Matthias Platzeck (Brandenburg), Klaus Wowereit (Berlin, alle SPD), Stanislaw Tillich (Sachsen), Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) und Christine Lieberknecht (Thüringen, alle CDU) teil. Sellering meinte anschließend optimistisch, die Zeiten, dass junge Leute mangels Perspektive ihre Heimat verlassen haben, seien vorbei. Der Osten brauche junge Fachleute, das sei auch ein Appell an die Firmen, gute Löhne zu zahlen.

Drei Tage vor der zentralen Jubiläumsfeier, die von der Hansestadt Bremen ausgerichtet wird, debattierte auch der Deutsche Bundestag den Stand der deutschen Einheit. Linke-Chefin Gesine Lötzsch warf der Bundesregierung und ihren Vorgängern vor, beim Aufbau Ost versagt zu haben. "Sie haben mit Ihrer Politik aus Ostdeutschland ein Hartz-IV-Land gemacht. Und das ist alles andere als eine gelungene deutsche Einheit", rief Lötzsch. Alle Bundesregierungen der vergangenen 20 Jahre hätten viel getan, um Zwietracht zwischen Ost und West zu säen. Sie habe den Eindruck, dass sich heute am meisten die feierten, die am wenigsten für die deutsche Einheit getan hätten.

Mit dieser Sicht stand die Linkspartei allerdings weitgehend isoliert da. Der Grünen-Abgeordnete Stephan Kühn meinte, es sei falsch, Ostdeutschland auf das Thema Hartz IV zu reduzieren. Die Gesamtbilanz der Einheit sei positiv. Allerdings gebe es neben dem Licht auch Schatten. So habe der wirtschaftliche Aufholprozess im Osten an Dynamik verloren.

Wolfgang Böhmer, den die Union zu ihrem Hauptredner erkoren hatte, warb um Verständnis für die noch immer notwendigen Hilfen beim Aufbau Ost und für gegenseitigen Respekt zwischen Ost- und Westdeutschen. Die Wiedervereinigung sei ein "Wunder" gewesen, sagte Böhmer. "Wir wollten die Freiheit und bekennen uns auch heute noch dazu." Eine Alternative zur Wiedervereinigung habe es damals nicht gegeben.

Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat sich unterdessen besorgt über die zunehmende Beschönigung der Verhältnisse in der untergegangenen DDR gezeigt. "Um es klar zu sagen: Die DDR war ein Unrechtsstaat. Wer etwas anderes behauptet, hat aus der Geschichte nichts, aber auch gar nichts gelernt", sagte Kohl der "Bild"-Zeitung. Der Altbundeskanzler will heute Nachmittag beim Festakt sprechen, mit dem die CDU an ihren Vereinigungsparteitag erinnert, der am 1./.2 Oktober 1990 in Hamburg stattfand.

Der gesundheitlich angeschlagene Kohl wird auch zu dem Empfang erwartet, den Bundestagspräsident Norbert Lammert am Sonntagabend vor dem Berliner Reichstag gibt.