Innenminister Friedrich muss sich zur Islamkonferenz Kritik gefallen lassen. Muslime beschwichtigen: Wir haben schon viel erreicht.

Berlin. Neuer Innenminister, neue Runde im Dialog mit den Muslimen in Deutschland: Die erste Islamkonferenz mit Hans-Peter Friedrich (CSU) hat mit brisanten Themen begonnen. Zum Auftakt der Sitzung hat Friedrich (CSU) Empfehlungen der „Jungen Islamkonferenz“ erhalten. Darin fordern die rund 40 Teilnehmer zwischen 17 und 23 Jahren eine Entsendung von jugendlichen Delegierten in die Islamkonferenz. Die 22-jährige Marett Katalin Klahn übergab Friedrich den Katalog. Für die Jugend seien Pluralität und Heterogenität Selbstverständlichkeiten und ein Wir-Gefühl Normalität, sagte sie. Die „Junge Islamkonferenz“ schlägt vor, die Auswahl der Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz transparenter zu gestalten. Ferner plädieren die jungen Leute für die Einrichtung staatlich-muslimischer Dialogformen auf kommunaler Ebene sowie für eine Öffnung der Islamkonferenz für praxiserfahrene nicht-muslimische Einzelpersonen. Die „Junge Islamkonferenz“ ist ein Projekt der Stiftung Mercator in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität Berlin.

Friedrich hat vor Beginn der Islamkonferenz erneut die christliche Prägung Deutschlands hervorgehoben. „Selbstverständlich gehören die Muslime, die in Deutschland leben zu dieser Gesellschaft“, sagte Friedrich in der ARD. „Aber es bleibt dabei: Die Prägung des Landes und der Kultur aus vielen Jahrhunderten der Wertmaßstäbe ist christlich-abendländisch.“ Er wisse gar nicht, weshalb man sich „so darüber aufregen“ könne.

Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Friedrich für Empörung bei muslimischen Verbänden gesorgt, als er die Aussage von Bundespräsident Christian Wulff zurückwies, wonach der Islam zu Deutschland gehöre. „Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt“, erklärte der CSU-Politiker Anfang März.

Der Minister hatte sich bereits in den vergangenen Tagen um einen versöhnlichen Ton bemüht. Der Islam-Streit dürfte bei der Konferenz dennoch eine wichtige Rolle einnehmen. Der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Ihsan Ünlü, sagte der Nachrichtenagentur dapd, er hoffe auf eine Erklärung des Ministers im Plenum. Friedrichs Einstand sei unglücklich gewesen und dessen Aussagen „nicht sehr förderlich für die Konferenz“. Allein die Tatsache, dass der Minister die Runde leite, zeige doch, dass der Islam Teil der Gesellschaft sei.

Der Soziologe Turgut Yüksel, der als Einzelperson bei der Konferenz mit am Tisch sitzt, mahnte, Friedrich dürfe die bisherigen Fortschritte in der Integration nicht aufs Spiel setzen. Der Islam sei die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland, sagte er dapd, „das ist die Realität.“

Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kritisierte, Friedrich habe „nicht gerade sehr glücklich agiert“. Mit seiner Äußerung habe der Minister das Ziel der Islamkonferenz konterkariert, den Dialog mit den Muslimen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu verbessern. Der Vizevorsitzende der Alevitischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak, rief dagegen zu Gelassenheit auf. Er appellierte an die Beteiligten, Friedrichs Aussage „nicht überzubewerten“. Der Minister sei neu im Amt, man müsse ihm eine Chance geben, sagte Toprak dem dapd. Die Islamkonferenz komme allmählich voran. Nach der ersten eher theoretisch-philosophischen Phase kümmere sich die Runde nun um praktische Fragen. „Langsam passiert etwas“, sagte er. Das dürfe nicht in den Hintergrund rücken.

Der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Islamkonferenz 2006 ins Leben gerufen, um den Dialog zwischen Staat und Muslimen zu verbessern. Schäubles Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) übernahm die Konferenz, und Friedrich führt die Runde weiter. Bei der Sitzung berichtete Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) über die Einrichtung islamisch-theologischer Lehrstühle an deutschen Universitäten. Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bernd Althusmann (CDU), informierte über die Einführung islamischen Religionsunterrichts an den Schulen. Zudem wollte Friedrich einen Leitfaden für die landeskundliche Fortbildung von Moscheevorbetern (Imamen) in Deutschland vorstellen.

In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime. Rund 45 Prozent von ihnen sind deutsche Staatsangehörige, der Rest hat eine ausländische Nationalität. 63 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime sind türkischstämmig. Bundesweit gibt es über 150 Moscheen, rund 2600 Gebetsräume und etwa 2000 Imame.

Das sind die Teilnehmer der Islamkonferenz:

Staat: 6 Vertreter des Bundes (Innenministerium, Bundeskanzleramt, Bildungsministerium, Familienministerium, Auswärtiges Amt und Integrationsbeauftragte), 6 Vertreter der Länder (Innenministerkonferenz, Kultusministerkonferenz und Konferenz der für Integration zuständigen Minister), 5 Vertreter der Kommunen (Städte Duisburg, Göttingen, Nürnberg, Bergkamen und der Landkreis Konstanz).

Muslime: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), Verband der Islamischen Kulturzentren, Alevitische Gemeinde Deutschland, Türkische Gemeinde in Deutschland, Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland, Zentralrat der Marokkaner in Deutschland.

Einzelpersonen: Hamed Abdel-Samad, Politologe und Autor; Bernd Ridwan Bauknecht, Religionslehrer; Sineb El Masrar, Herausgeberin und Chefredakteurin; Gönül Halat-Mec, Rechtsanwältin; Abdelmalik Hibaoui, Imam; Hamideh Mohagheghi, Theologin; Armina Omerika, Islamwissenschaftlerin; Bülent Ucar, Professor für Islamische Religionspädagogik; Turgut Yüksel, Soziologe; Tuba Isik-Yigit, Doktorandin im Fach Theologie und Religionswissenschaften. (epd/rtr/dapd)