1987 war das Land aus der Atomenergie ausgestiegen, der Bau neuer Kraftwerke war in Planung. Jetzt soll ein Jahr lang pausiert werden.

Berlin/Hamburg. Angesichts des Unfalls im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 1 will Italien den geplanten Wiedereinstieg in die Atomenergie für ein Jahr aussetzen. Die Regierung werde bei einer Kabinettsitzung am Mittwoch ein einjähriges Moratorium für die Suche nach Orten für die Errichtung neuer Atomkraftwerke beschließen, sagte der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Paolo Romani, nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa am Dienstag.

Italien hatte nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1987 in einem Referendum den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen, doch musste das Land seitdem teuren Strom importieren. Deshalb beschloss Ministerpräsident Silvio Berlusconi 2008 den Bau neuer Atomkraftwerke. Die Pläne waren jedoch bereits vor dem Atomunfall in Japan in der Bevölkerung heftig umstritten, im Juni sollten sie in einem Referendum zur Abstimmung gestellt werden.

Auch in den USA könnten bald die Ereignisse in Japan Folgen zeitigen: Einer Umfrage zufolge ist eine Mehrheit für eine Pause beim Bau neuer Kernkraftwerke. In einer Erhebung im Auftrag der Denkfabrik Civil Society Institute sprachen sich 53 Prozent für ein Moratorium aus, sollte der Energiebedarf durch eine höhere Effizienz und durch erneuerbare Energie gedeckt werden können.

Auch Deutschland hatte zuvor ein Moratorium beschlossen, wonach die bundesweit sieben ältesten Atomkraftwerke für drei Monate ihren Betrieb einstellen. (afp/dpa)

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Rat der Weisen: Merkels neue Kerntruppe

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will einen „Rat der Weisen“ einrichten, der sich mit den gesellschaftlichen Fragen der Atomtechnologie auseinandersetzen soll. Er heißt offiziell „Ethik-Kommission für eine sichere Energieversorgung“. Den Vorsitz dieses Gremiums soll der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) gemeinsam mit dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, übernehmen, sagte Merkel nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Atomkraftwerke stehen. Es gebe eine Vielzahl von Fragestellungen, die im Lichte von Japan gegebenenfalls neu bewertet werden müssten, sagte Merkel zu ihrer neuen Kerntruppe.

Zu den weiteren Gremienmitgliedern zählen auch der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, der Soziologe Ulrich Beck und der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD). Für die technische Überprüfung ist nach den Worten Merkels weiterhin die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) zuständig. Beide Gremien sollten in den nächsten drei Monaten überlegen, welche Lehren aus der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima zu ziehen seien. Zur Frage, ob am Ende der drei Monate ein neues Laufzeitgesetz in den Bundestag eingebracht werde, wollte Merkel sich nicht äußern: „Ich kann ihnen das Ergebnis des Moratoriums nicht voraussagen“, sagte sie.

Für den 15. April kündigte Merkel zudem ein weiteres Treffen mit den Ministerpräsidenten aller Länder an. Dann solle über einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, über Stromnetze und eine verbesserte Energieeffizienz gesprochen werden.

Die Linke will künftig von Kanzlerin Merkel zu Gesprächen über die Zukunft der Atomkraft in Deutschland eingeladen werden. „Statt parteipolitisch zu agieren und separate Gespräche mit ihren CDU-Ministerpräsidenten zu führen, sollte die Kanzlerin sofort Allparteien-Gespräche anbieten“, sagte Linke-Chefin Gesine Lötzsch der Nachrichtenagentur dapd. Das Thema Ausstieg aus der Atomenergie bewege alle Menschen in unserem Land, fügte sie hinzu. Lötzsch kritisierte Merkels Plan, einen „Rat der Weisen“ einzurichten. „Das Expertenwissen liegt seit Jahren auf dem Tisch“, sagte sie. Unverzügliches Abschalten aller AKW sei das Gebot der Stunde.

Die Bundesregierung hatte unmittelbar nach der Atomkatastrophe in Japan die vorläufige Abschaltung der sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland angeordnet. Alle 17 Atomanlagen sollen bis zum 15. Juni einer umfassenden schärferen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden.

Schleswig-Holsteins Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) hat eine Modernisierung der Sicherheitsanforderungen an die deutschen Atomkraftwerke gefordert. Das Regelwerk zur Beurteilung der Sicherheit von Kernkraftwerken stamme aus den 70er- und 80er-Jahren, sagte der für die Atomaufsicht zuständige Minister dem „Tagesspiegel“. „Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat deshalb eine Aktualisierung des Regelwerkes befürwortet, gefordert und unterstützt“, sagte Schmalfuß.

Der Justizminister kündigte ferner an, dass die Kieler Landesregierung die schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel dauerhaft vom Netz nehmen will. „Die Landesregierung wird dazu in Kürze mit E.on und Vattenfall Gespräche führen“, sagte Schmalfuß. Im nördlichsten Bundesland gibt es drei Atomkraftwerke. Von ihnen ist derzeit nur der Atommeiler Brokdorf in Betrieb. Die AKW Brunsbüttel und Krümmel stehen nach Pannen seit Jahren still. Beide Meiler gehören zu den ältesten Reaktoren hierzulande. (dapd/rtr)