Die Schweiz fror Mubaraks Konten dagegen ein. Die ägyptischen Militärs nehmen den Dialog mit der Zivilgesellschaft auf.

Brüssel/Kairo. Die EU will der Bitte der Ägypter vorerst nicht nachkommen und keine Guthaben des gestürzten Staatschefs Husni Mubarak eigenmächtig einfrieren. Aus Ägypten kam jedoch die Anfrage, die Konten von bis zu sieben ägyptischen Funktionären in der EU zu sperren, wie ein EU-Diplomat am Montagabend in Brüssel sagte. In Kairo nahm der seit Mubaraks Sturz herrschende Oberste Militärrat Gespräche mit Internet-Aktivisten über die Zukunft des Landes auf.

Eine Sprecherin von EU-Außenministerin Catherine Ashton kündigte „angemessene Maßnahmen“ an, sollte die Frage nach den Kontosperren im Dialog mit Ägypten aufkommen. Brüssel stehe in der Frage „in Kontakt mit den ägyptischen Behörden“. Unter den EU-Staaten besteht nach Angaben von EU-Diplomaten Einigkeit darüber, Vermögen Mubaraks auf Anfrage aus Kairo einzufrieren. In Deutschland und Großbritannien gingen am Montag entsprechende Ersuchen Kairos ein, die Konten führender Vertreter der bisherigen Führung einzufrieren. Das bestätigten die Außenministerien in London und Berlin.

Übermittelt wurde den Angaben des EU-Diplomaten zufolge eine Liste mit sechs bis sieben Namen. Nicht darunter sei der des gestürzten Präsidenten Mubarak, hob der Diplomat hervor. Diskutiert werden soll das Thema demnach bei einem Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel.

In Ägypten startete der seit Mubaraks Sturz herrschende Oberste Militärrat Gespräche mit Internet-Aktivisten über die Zukunft des Landes. In dem Dialog habe das Gremium ein Referendum über eine neue Verfassung binnen zwei Monaten zugesagt, teilten der ägyptische Google-Manager Wael Ghonim und der Blogger Amr Salama im Internet mit. Der Rat, der seit dem Rücktritt Mubaraks am Freitag die Geschicke des Landes lenkt, will demnach in den kommenden anderthalb Wochen Verfassungsänderungen vorschlagen. Zudem habe das Gremium versichert, dass es nicht dauerhaft regieren wolle.

Die Armeespitze hatte am Sonntag das Parlament aufgelöst, in spätestens sechs Monaten soll es Neuwahlen geben. Die Verfassung wurde bis zur Volksabstimmung über die Änderungen außer Kraft gesetzt. Der Militärrat erfüllte damit zentrale Forderungen der Mubarak-Gegner. Die Armeeführung rief die Bürger und Gewerkschaften des Landes zu einem Ende der Streiks auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Ägypten Unterstützung beim politischen und wirtschaftlichen Neuanfang zu. Das gelte für die Erarbeitung einer neuen Verfassung, den Aufbau politischer Parteien und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Wirtschaft, sagte Merkel der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Dienstagsausgabe). (afp/abendblatt.de)


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Auf der ganzen Welt wird jetzt nach dem Vermögen des zurückgetretenen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak gefahndet. Die Schweiz hat das im Land angelegte Vermögen Mubaraks und seines Clans eingefroren. Antikorruptionsexperten forderten auch andere Staaten dazu auf, dem Beispiel der Schweiz zu folgen . Sie gehen jedoch davon aus, dass es kaum möglich sein wird, alle Konten des Ägypters aufzuspüren. Sein Vermögen wird auf 70 Milliarden Dollar (knapp 52 Milliarden Euro) geschätzt – mehr als das von Microsoft-Gründer Bill Gates. „Oh Mubarak, sag uns, wo du die 70 Milliarden hast“, skandierten Demonstranten kurz vor dem Rücktritt des Staatschefs. Korruption war Teil des Herrschaftssystems Mubaraks in Ägypten, wo fast die Hälfte der 80 Millionen Einwohner von weniger als zwei Dollar am Tag leben muss. Seilschaften, die mit dem Mubarak-Clan in Verbindung standen, schanzten sich gegenseitig Staatsaufträge zu, öffentliche Gelder flossen in private Taschen, und die Familie und die Anhänger des Präsidenten kassierten häufig mit. Das offizielle Gehalt Mubaraks war indes niedrig: Als Staatschef verdiente er lediglich 808 Dollar monatlich.

Sein Vermögen stammt nach Recherchen von Antikorruptionsexperten hauptsächlich aus Geschäften aus den 90er-Jahren, bei denen Staatsunternehmen und Ländereien in großem Maße privatisiert wurden. Dabei griffen der Präsident, seine Familienangehörige und seine Anhänger zu. „Die Privatisierung war die größte Korruptionsaffäre in der Geschichte Ägyptens seit den Pharaonen“, sagte Ahmed Elsayed Elnaggar, Herausgeber der Fachzeitschrift „Egypt's Economic Report“. Eine öffentliche Diskussion über das Gebaren der Elite des Landes gab es in Ägypten nicht.

Zum Teil arbeiteten Mubaraks Clan-Mitglieder selbst in Firmen, die ihnen Zugriff auf interessante Geschäfte ermöglichten. So war Mubaraks jüngerer Sohn Gamal zwischen 1996 und 2001 Direktor der Londoner Investment-Firma Medinvest Associates Ltd. und residierte in einem sechsstöckigen Haus im georgianischen Stil im Nobelstadtteil Knightsbridge. Gamal Mubarak stieg anschließend in der regierenden National Democratic Party in Kairo in höchste Ämter auf. In der vergangenen Woche wurde er vom Regime aus seinen Funktionen entfernt in der Hoffnung, damit Zeit zu gewinnen und die Erosion der Macht Mubaraks einzudämmen.

In den vergangenen Tagen forderten immer mehr Bürgerrechtsgruppen und Anwälte, die oberste Staatsanwaltschaft solle Ermittlungen wegen Mubaraks Vermögen aufnehmen. Inwieweit es dazu tatsächlich kommt, hänge von der weiteren politischen Entwicklung im Land ab, sagt Eric Lewis, ein auf internationale Korruption spezialisierter Anwalt aus Washington, der bereits in Kenia und Pakistan gearbeitet hat. Immerhin seien die Konten einiger früherer Regierungsmitglieder eingefroren worden, auch hätten die neuen Machthaber Reiseverbote gegen sie verhängt. „In einem politischen Umbruch wie jetzt in Ägypten, wird immer der Ruf nach Transparenz laut. Am Ende sieht es jedoch meist anders aus, und die Transparenz wird weniger real als eher symbolisch umgesetzt“, so Lewis.