Die SPD-Vorsitzenden der Nachkriegszeit – So viele Wechsel wie in den letzten Jahren gab es vorher nie.

Dresden. Von Kurt Schumacher bis Sigmar Gabriel: Die Liste der SPD-Vorsitzenden nach dem Krieg umfasst nach der Wahl des ehemaligen Bundesumweltministers zwölf verschiedene Namen. Am längsten stand mit 23 Jahren Willy Brandt an der Parteispitze, in den letzten Jahren erwies sich die Position des SPD-Chefs mit häufigen Wechseln fast als Feuerstuhl.

Kurt Schumacher

Der in der Nazi-Zeit verfolgte frühere Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher wurde 1946 erster SPD-Vorsitzender der Nachkriegszeit. Er hatte im Ersten Weltkrieg einen Arm verloren, 1948 musste ihm nach schwerer Krankheit auch ein Bein amputiert werden, so dass er seine politische Arbeit nur schwerbehindert fortsetzen konnte. Schumacher profilierte die SPD als Oppositionsführer gegen die Regierung Konrad Adenauer. Er starb am 20. August 1952 im Alter von 56 Jahren.

Erich Ollenhauer

Zu seinem Nachfolger wurde der aus Magdeburg stammende Erich Ollenhauer gewählt. Im sogenannten „Ollenhauer-Plan“ forderte dieser statt der Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem mit einem wiedervereinigten Deutschland als Kern. In Ollenhauers Amtszeit fällt auch die Verabschiedung des Godesberger Programms, mit dem die SPD 1959 ideologischen Ballast abwarf. Am 14. Dezember 1963 erlag Ollenhauer 62-jährig einer langen, schweren Krankheit.

Willy Brandt

Der dritte und wohl bedeutendste SPD-Vorsitzende in der Geschichte der Bundesrepublik war auch der mit der längsten Amtszeit: Willy Brandt stand von 1964 bis 1987 an der Spitze der Sozialdemokraten. Der ehemalige Journalist, der die Kriegszeit im norwegischen und schwedischen Exil verbracht hatte, war seit 1961 Regierender Bürgermeister von Berlin. In der Großen Koalition des CDU-Politikers Kurt Georg Kiesinger wurde er 1966 Außenminister und Vizekanzler. 1969 wurde Brandt als erster Sozialdemokrat zum Bundeskanzler gewählt. Als Regierungschef der sozialliberalen Koalition prägte er vor allem die Versöhnung mit dem Osten, für die er 1971 den Friedensnobelpreis erhielt.

1974 trat Brandt wegen der Affäre um DDR-Spion Günter Guillaume als Kanzler zurück, blieb aber Parteichef. Erst am 23. Mai 1987 gab er den Parteivorsitz ab, nachdem die von ihm betriebene Berufung der parteilosen Journalistin Margarita Mathiopoulos zur Pressesprecherin gescheitert war.

Hans-Jochen Vogel

Seine Nachfolge trat der frühere Münchner und Berliner Bürgermeister Hans-Jochen Vogel an, der zu der Zeit schon Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion war. Dem ehemaligen Bundesjustizminister gelang es, die widerstreitenden Parteiflügel zusammenzuführen. Nach der SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl Ende 1990 kündigte er seinen Rückzug an.

Björn Engholm

Neuer Vorsitzender wurde im Mai 1991 der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm. Der frühere Bildungsminister im Kabinett Helmut Schmidts trat am 3. Mai 1993 von allen politischen Ämtern zurück, nachdem ihm in der Affäre um den CDU-Politiker Uwe Barschel eine Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages vorgeworfen worden war.

Rudolf Scharping

Im Juni wählte ein SPD-Parteitag den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping zum neuen Vorsitzenden. Er hatte sich zuvor im ersten Mitgliederentscheid zu dieser Frage gegen Gerhard Schröder und die Parteilinke Heidemarie Wieczorek-Zeul durchgesetzt. Als Kanzlerkandidat verlor Scharping 1994 gegen Helmut Kohl. Im November 1995 musste er sich dem überraschend als Gegenkandidat angetretenen Oskar Lafontaine geschlagen geben.

Oskar Lafontaine

Der saarländische Ministerpräsident begeisterte die Delegierten mit einer Aufbruchrede und führte die Partei daraufhin quasi von der Bundesratsbank aus. Lafontaine blieb zunächst auch SPD-Vorsitzender, nachdem Schröder 1998 Kanzler geworden war. Als Finanzminister überwarf er sich aber mit diesem und trat am 11. März 1999 überraschend von allen Ämtern zurück. Inzwischen ist er Chef der Linkspartei.

Gerhard Schröder

Schröder wurde daraufhin am 13. April 1999 auch zum Parteichef gewählt. Trotz teils scharfer Kritik an seiner Reformpolitik erhielt er bei Wahlen zum Parteivorsitz passable Ergebnisse. Am 6. Februar 2004 kündigte er – auch zur Überraschung der Parteibasis - an, den Posten nach fünf Jahren an Franz Müntefering abzutreten. Er habe nicht die Zeit, neben der Arbeit als Kanzler, zugleich die Reformagenda 2010 SPD und Öffentlichkeit näher zu bringen. Diese „sehr schwierige Vermittlungsarbeit“ könne „der Franz besser als ich“.

Franz Müntefering

Im März 2004 zum Vorsitzenden gewählt, verkörperte Müntefering für die Parteibasis den ehrlichen Kärrner, der die SPD wieder flott macht, um Schröder das Regieren zu erleichtern. Der Sauerländer zeichnete sich dadurch aus, dass er kein Blatt vor den Mund nahm und den Parteimitgliedern die dringende Notwendigkeit sozialpolitischer Reformen vor Augen führte. Müntefering trat zurück, nachdem der Parteivorstand Anfang November 2005 gegen seinen Willen die Parteilinke Andrea Nahles als Generalsekretärin nominierte.

Matthias Platzeck

Im November 2005 mit 99,4 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt, galt der 52-jährige Matthias Platzeck den Genossen als Hoffnungsträger. Politisch hoch begabt, aber erst seit 1995 Parteimitglied, stellte sich der brandenburgische Ministerpräsident mit großem Elan und Arbeitseinsatz der neuen Aufgabe. Nach nur wenigen Monaten trat er aber im April 2006 nach zwei Hörstürzen „auf dringenden ärztlichen Rat“ zurück.

Kurt Beck

Seine Nachfolge als SPD-Vorsitzender trat der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck an, der die Partei ein wenig nach links öffnete. Bundespolitisch agierte er aber glücklos, nicht zuletzt mit dem vorzeitig ausgeplauderten Plan eines Linksbündnisses der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti. Bei einer SPD-Klausurtagung am Schwielowsee legte er im September 2008 sein Amt nieder.

Franz Müntefering

Seine Nachfolge trat im Oktober noch einmal Müntefering an, während Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat wurde. Nach der schweren SPD-Schlappe bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 verzichtete Müntefering auf eine neuerliche Kandidatur.

Sigmar Gabriel

Zu seinem Nachfolger wurde am Freitag auf dem Dresdner Parteitag mit 94,2 Prozent Zustimmung der bisherige Bundesumweltminister und ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel gewählt.