Stützt oder stürzt ihn seine Partei? Die FDP, ihr Vorsitzender Guido Westerwelle und seine Kritiker beim Dreikönigstreffen.

Hamburg/Stuttgart. Beim Dinner saßen sie da, als sei die liberale Welt noch in schönster Ordnung. Der Parteichef Guido Westerwelle neben der Hamburger Spitzenkandidatin Katja Suding, die bei der Bürgerschaftswahl am 20. Februar über die Fünf-Prozent-Hürde springen soll. Fünf Prozent, das ist nicht einmal das Niveau dessen, was die Partei derzeit bundesweit an Zustimmung genießt.

Doch in der Stuttgarter Reithalle war schon zu spüren, dass das traditionelle Dreikönigstreffen der FDP im Jahr 2011 einen Einschnitt bedeuten wird. Die parteiinterne Kritik an Westerwelle ist laut und fordernd. Kann er mit seiner Rede im Staatstheater die Erwartungen erfüllen und einen Sturz in diesem Jahr abwenden ? Denn die Umfragewerte für die FDP sind katastrophal. Seit dem hervorragenden Wahlergebnis von 2009 (14,6 Prozent bei der Bundestagswahl) ging es bergab mit den Versprechen (Steuersenkungen, Gesundheitsreform), der Stimmung und dem Ansehen von Westerwelle .

Verfolgen Sie hier im Live-Ticker auf abendblatt.de die wichtigsten Sätze aus der Westerwelle-Rede.

Westerwelle kam zum rhetorischen Finale auf die „guten Ratschläge“ zu reden, die er in den vergangenen Wochen bekommen habe. Damit zielte er auf die parteiinternen Kritiker, die seinen Kurs wegen des anhaltenden Umfragetiefs angegriffen hatten. Ach da setzte er sich lieber mit den anderen Parteien auseinander als mit der eigenen Führungsriege. Er sagte jedoch: „Wir liberale bleiben die einzige liberale Partei in Deutschland.“ Dann zitierte er die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch, die die Vision des Kommunismus in dieser Woche nicht aufgeben wollte. Das gelte es zu verhindern, so Westerwelle. Man merke, „dass diese FDP kämpft und kämpfen will“. Ohne FDP gäbe es linke Mehrheiten in Deutschland, warnte er in seinem Appell zum Wahljahr 2011.

Westerwelle sprach die im Iran inhaftierten deutschen Reporter an. Und das muntere Springen zwischen den innen- und außenpolitischen Themen ging weiter. Er kam auf Afghanistan zu sprechen und nannte den Einsatz richtig. Der Abzug der Bundeswehr werde 2014 abgeschlossen sein. Und schon 2011 soll er eingeleitet werden.

Kurzer Aufruhr im Saal, weil ein Plakat gegen das Bahnhofs-Projekt Stuttgart 21 aufgehängt wurde. Das Band soll von der Grünen Jugend kommen. „Lasst das ruhig hängen. (...) Ist doch nett“, rief Westerwelle. Auf dem Plakat stand „Stuttgart 21 stoppen – FDP tiefer legen“.

Zur aktuellen Sicherheitsdiskussion, zum Datenschutz und neuen Mitteln der polizeilichen Fahndung sagte Westerwelle: Die Bundeswehr dürfe keine „Hilfspolizei“ werden „Ich lehne das strikt ab.” Und: „Aus einer Datenflut wird noch keine Informationsgewinn. Im Gegenteil Jeder Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers braucht eine besondere Begründung.“

Über die höheren Sätze bei Hartz IV, das Bildungspaket und den Streit mit der SPD und den Grünen im Vermittlungsausschuss sagte Westerwelle: „Die Opposition will, dass das Geld in Alkohol und Tabak investiert wird.“ Die FDP wolle, dass die Kinder über mehr Bildung gefördert werden. Damit machte er deutlich, dass der Aufschlag von 5 Euro von 359 auf 364 Euro bei den Regelsätzen das letzte Wort der FDP ist.

Westerwelle verteidigte seine umstrittenen Äußerungen zu Hartz IV. Die FDP habe für mehr Leistungsgerechtigkeit gesorgt. Wer von den Bedürftigen arbeite, solle mehr behalten können. Außerdem dürften Menschen mit 50, die jahrelang gearbeitet und in die Sozialversicherungen eingezahlt hätten, nicht so wenig bekommen wie die, die sich „im Sozialstaat eingerichtet“ hätten.

„40 Maßnahmen zur Steuervereinfachung – man kann sagen, das reicht noch nicht. Aber der Anfang ist gemacht.“ Die Familien seien bereits entlastet worden. Westerwelle vernachlässigte dabei jedoch, dass die Sozialbeiträge für alle Bürger am Jahresbeginn 2011 gestiegen sind. Er geißelte eine angeblich jahrelang verfehlte Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt (SPD). Aber auch da sei ein Anfang gemacht mit der Gesundheitsreform der schwarz-gelben Bundesregierung. Die Reform sei das Beste für die Patienten in Deutschland.

Westerwelle sprach auch die umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers an. „Klientelpolitik – ja was ist das für ein törichtes Wort! Wir haben die Erbschaftssteuer verändert, und niemand ist ausgewandert.“ Wenn jemand einen Betrieb übernehme, sei das positiv. Allerdings hatte nicht die FDP die Erbschaftssteuer reformiert, sondern bereits die Große Koalition aus Union und SPD.

Der FDP-Vorsitzende sprang zwischen Innen- und Außenpolitik. Er sprach von der wachsenden Weltbevölkerung, nachdem er gewarnt hatte, dass Deutschland nicht den Linken überlassen werden dürfe. Und er sagte: „Frage nicht, wie kommt es an. Sondern tu' das Richtige. Und das Richtige kommt dann auch an." Solche Bonmots streute er immer wieder ein. Dabei mühte er sich sogar um Reime. „Wandelt" reimte sich auf „handelt".

Westerwelle sprach von Helmut Kohl und Hans-Dietrích Genscher und ihren Visionen von Politik. Seine Schlussfolgerung: „Zukunft braucht Mut, und wir Liberale haben Mut."

Gleich zu Beginn seiner Rede kam Westerwelle auf die großen Linien zu sprechen: Mauerfall, Uno-Sicherheitsrat und anderes: Sein Fazit: Wir können stolz auf unser Land sein. Deutschland habe viel bewegt. Er rief es hinaus, die FDP-Mitglieder jubelten.

Schon vor Westerwelles Rede ging es an die Substanz der Partei. Der allseits hoch gelobte FDP-Generalsekretär Christian Lindner lieferte eine humorvolle Grundsatzrede, in der er die Grünen attackierte und ihnen Gegnerschaft zu jeder Form der Innovatioon vorwarf. Die Grünen seien schon immer gegen alles Neue gewesen. Die Grünen dürften keine Macht erhalten. Sie seien eine Art trojanisches Pferd der deutschen Politik.

Damit war die Benchmark gesetzt, die Westerwelle noch toppen musste. Lindner sagte außerdem, die FDP werde die Union in vielen Streitfeldern treiben. Der Applaus war erwartet groß für Lindner.

Vorher hatte bereits der Spitzenkandidat der baden-württembergischen FDP, Ulrich Goll, Grüne und SPD mit heftigen Attacken überzogen. Den Grünen sprach Goll jede Kompetenz in der Wirtschaftspolitik ab, den Sozialdemokraten warf er „einfältige Staatsgläubigkeit“ vor. Wenn der Grünen-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Winfried Kretschmann, „von Wirtschaft redet, nehmen sich die Märchen aus 1000 und einer Nacht wie empirische Untersuchungen aus“, sagte der Justizminister. Goll stellte sich wie zuvor FDP-Landeschefin Birgit Homburger hinter das umstrittene Bahnhofs-Großprojekt Stuttgart 21. In Deutschland werde zu viel über Risiken und zu wenig über Chancen geredet, sagte Homburger: „Wir wollen nicht, dass Deutschland zum Museum wird.“

In Baden-Württemberg wird am 27. März ein neuer Landtag gewählt. Die FDP regiert dort seit 1996 mit der CDU. In Umfragen liegt sie um 5 Prozent. Bei der Bundestagswahl hatte die FDP im Südwesten noch 18,8 Prozent geholt, 2006 bei der Landtagswahl 10,7 Prozent.