Aktivisten melden heftige Kämpfe gegen Assads Truppen. Immer mehr Menschen fliehen aus Syrien. Ab Dienstag sollen die Waffen ruhen.

Beirut. Wenige Tage vor dem Inkrafttreten eines vereinbarten Waffenstillstands haben syrische Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten am Freitag mehrere Ortschaften unter Beschuss genommen und Scharfschützen zum Kampf gegen Rebellen in die Vororte der Hauptstadt Damaskus entsandt. Damit weitete die Regierung von Präsident Baschar Assad ihre Offensive aus, die sich offenbar gegen Gebiete des Widerstands richtet.

In der zentralen Stadt Homs war dichter schwarzer Rauch über einem Wohngebiet zu sehen, während schweres Geschützfeuer und Explosionen zu hören waren. Laut dem Syrischen Observatorium für Menschenrechte, nahmen Regierungstruppen auch die Stadt Rastan nördlich von Homs unter Beschuss. Soldaten der Regierung hätten versucht, in die Stadt vorzudringen und sich Gefechte mit Kämpfern der Opposition geliefert.

Auch in den Damaskus-Vororten Duma, Sakba, Arbeen und Dumair hätten die Regierungstruppen ihre Offensive ausgeweitet und mit Rebellen gekämpft, sagten Aktivisten. Dabei seien vier Soldaten ums Leben gekommen. In Duma hätten Panzer in verlassenen Straßen patrouilliert, berichtete der Aktivist Mohammed Said. Zudem hätten sich Scharfschützen auf einem zwölfstöckigen Gebäude in Stellung gebracht.

Unterdessen gingen am Freitag zehntausende Menschen landesweit auf die Straße, um den Sturz des Assad-Regimes zu fordern, berichtete das Syrische Observatorium für Menschenrechte. In der zentralen Provinz Hama hätten Truppen das Feuer auf Demonstranten eröffnet und drei Menschen verletzt.

Annan spricht von "besorgniserregenden Dimensionen"

Bereits am Donnerstag hatten Oppositionelle eine der gewaltsamsten Offensiven seit Beginn der Unruhen im Land gemeldet. Dabei hätten syrische Regierungstruppen mehrere Städte im Land angegriffen. Vertreter der Regierung verwiesen bei den Vereinten Nationen darauf, dass sich Truppen aus einigen umkämpften Gebieten schon zurückgezogen hätten. Allerdings sprach der Sondergesandte der UN und Arabischen Liga für Syrien, Kofi Annan, mit Blick auf Opferzahlen, die täglich aus Syrien gemeldet werden, von "besorgniserregenden Dimensionen".

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Die Opposition wirft dem Regime vor, es versuche, noch vor dem am Dienstag in Kraft tretenden Waffenstillstand so viel Boden wie möglich gut zu machen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte die UN-Vollversammlung, es bestehe die Gefahr, dass die Kämpfe im Land eskalierten. Er appellierte am Donnerstag an den syrischen Präsidenten Assad, "Vision und Führungsstärke zu zeigen". Er drängte die Opposition dazu, die Gewalt zu beenden, wenn die Regierung die Frist einhalte. Zugleich konstatierte Ban, dass sich die Lage in Syrien verschlechtert habe. Städte, Gemeinden und Ortschaften seien zu Kriegsgebieten geworden.

Sicherheitsrat unterstützt Plan für Rückzug

Durch die Berichte über die Kämpfe sieht sich die Opposition in ihrer Befürchtung bestätigt, dass Assad sich mit der Ankündigung eines Truppenabzugs nur mehr Zeit verschaffen will, um sein militärisches Vorgehen gegen den Aufstand fortsetzen zu können. Der Waffenstillstand ist der Kernpunkt des Friedensplans von Annan, mit dem er die seit mehr als einem Jahr anhaltenden Auseinandersetzungen beenden will.

In einer Videokonferenz teilte Annan der UN-Vollversammlung aus Genf mit, Vertreter der syrischen Regierung hätten erklärt, dass die Truppen sich schon teilweise aus den drei Orten Daraa, Idlib und Sabadani zurückgezogen hätten. Der in Sabadani ansässige Aktivist Mohammed Fares widersprach dieser Darstellung. „Truppen und Panzer sind immer noch in Sabadani und Umgebung“, sagte Fares telefonisch.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verständigte sich nach Angaben von Diplomaten auf eine sogenannte Erklärung des Präsidenten, in der ein Abzug aller schweren Waffen und Soldaten aus den Städten in Syrien bis zum 10. April unterstützt wird. Darin werden auch „weitere Schritte“ angedeutet, wenn Syrien nicht den Friedensplan von Annan umsetzt. Nach Schätzungen der UN wurden schon mehr als 9.000 Menschen seit Beginn der Unruhen getötet.

Immer mehr Menschen fliehen aus Syrien. Die Türkei benötigt nach Aussage von Außenminister Ahmet Davutoglu womöglich die Hilfe der Vereinten Nationen, sollten weitere Flüchtlinge aus Syrien in das Land kommen. Er habe am Freitagmorgen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gesprochen, um diesem mitzuteilen, dass am Donnerstag 2.500 Flüchtlinge in die Türkei gekommen seien, sagte Davutoglu. Seit Beginn des Aufstands im Nachbarland seien fast 24.000 Syrer über die Grenze gekommen.