Hamburg. Wo “Gott“ nach dem Lockdown die Spielzeit eröffnet, welches Theater Pausen zulässt und warum Corona beim Plattdeutsch-lernen hilft.

podcast-image

Viel ist schon geschrieben worden über gesellschaftliche und medizinische Spätfolgen dieser Coronavirus-Pandemie – und doch ist man bisweilen verblüfft: „Wenn wir einmal Corona überwunden haben, werden noch viel mehr Menschen Plattdeutsch sprechen, davon bin ich überzeugt!“ Sagt Michael Lang, Intendant am Ohnsorg Theater, und, na gut, womöglich ist an dieser Stelle auch der Wunsch Vater des Gedankens.

Michael Lang ist – wie auch Isabella Vértes-Schütter, Chefin des Ernst Deutsch Theaters – Gast im dritten Podcast der Reihe Saisonstart, mit der wir auf die beginnende Spielzeit an den Hamburger Bühnen blicken.

Nach Corona-Lockdown: Ernst Deutsch Theater hat erste Premiere gemeistert

Dass es eine Saison wie keine andere sein wird, darin sind sich alle Theatermacher einig, egal ob an den großen „Tankern“, dem Thalia Theater oder dem Deutschen Schauspielhaus, ob an der Mundsburg oder am Heidi-Kabel-Platz. Dass es nach vielen Monaten der Schließung und nur unter strengen Auflagen wieder losgeht, ist ein Geschenk – und eine ziemliche Herausforderung. Logistisch, mental, emotional und natürlich künstlerisch.

Hamburger Theater brauchen Flexibilität: "Atmende Konzepte"

„Für alles muss man etwas Neues erfinden“, erklärt Isabella Vértes-Schütter, deren Haus mit der Premiere des Kehlmann-Bestsellers „Tyll“ die erste Bewährungsprobe bereits gemeistert hat. „Dass Theater auch unter diesen Bedingungen seine Kraft entfaltet, das hat mich sehr bewegt.“ Das Ernst Deutsch Theater ist derzeit das einzige Haus, das eine Pause anbietet, das Publikum darf den Saal mit Mund-Nasen-Schutz verlassen – und sein Sektglas und die Pausenbrezel anschließend mit an den Platz nehmen.

"Theater sind sicherer als Alsterwiesen oder Elbstrand"

podcast-image

Ohnsorg und Ernst Deutsch Theater haben alle Abonnenten angerufen

„Atmende Konzepte“ nennt Michael Lang die zwangsläufig notwendige Flexibilität: „Natürlich wollen wir alle zum körpernahen Spiel zurück kommen, möglichst bald.“ Der Schutz der Belegschaft und des Publikums aber stehe über allem. Und mit beiden Gruppen ist der Austausch intensiver denn je. Sowohl Ernst Deutsch als auch Ohnsorg Theater haben alle ihre Abonnenten persönlich angerufen, um die neuen Spielpläne und die geänderten Sitzplatzmöglichkeiten zu besprechen.

In der vierten Podcast-Folge sind gleich zwei Multi-Intendanten zu Gast im Saisonstart-Studio: Corny Littmann, Theaterchef am Schmidt, am Tivoli und am Schmidtchen, sowie Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele, des Altonaer und des Harburger Theaters, Erfinder der Privattheatertage. Und der Mann, der sich die Rechte an Gott gesichert hat. Also, an „Gott“, denn nicht nur am Thalia („Paradies“ hat am 5. September Premiere) und am Schmidt („Paradiso“ läuft noch bis in den Herbst hinein) finden höhere Mächte ihren Weg in den Spielplan.

"Gott" eröffnet am Altonaer Theater die Saison

Ferdinand Schirachs „Gott“ eröffnet am 13. September die Saison am Altonaer Theater. Andere verlassen sich lieber auf sich selbst: Er habe jedenfalls nicht „ohnmächtig auf den Tag warten“ wollen, an dem sich alles ändere, sagt Corny Littmann, „das mag in der Natur eines St. Paulianers liegen“. Das Tivoli war deutschlandweit die erste Bühne, die wieder Publikum empfing. Leichtsinn sei schon aus Selbstschutz nicht im Spiel: „Der Theaterbereich ist deutlich sicherer als die Alsterwiesen oder der Elbstrand“, glaubt Axel Schneider.

"Theater sind sicherer als die Alsterwiesen oder der Elbstrand"

Ohne die Hilfe der Stadt allerdings würde es wohl keines der Häuser über die Runden schaffen. Unisono singen die Intendanten ein Loblied auf Kultursenator Carsten Brosda und seine Behörde: „So gut, wie hier in Hamburg hat es nirgendwo in der Republik funktioniert“, glaubt Ohnsorg-Chef Lang; Hamburg sei, so Axel Schneider „besonders gut aufgestellt“.

Littmann: Würde Hamburg nicht wegen Corona-Folgen verklagen

Wie einige Hamburger Gastronomen die Stadt zu verklagen, ist Corny Littmann vielleicht auch deshalb nicht in den Sinn gekommen. „Da fehlt mir auch ein bisschen das Verständnis. Da muss ich nicht lang drüber nachdenken.“

Stattdessen haben er und sein Mitgesellschafter Norbert Aust in diesem Jahr gänzlich verzichtet: „Wir sind ein privates Unternehmen und für uns versteht es sich von selbst, dass es in diesem Jahr keine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter gab.“ Finanziell komme er persönlich schließlich trotzdem zurecht: „Wer meint, sich Sorgen um mich machen zu müssen, der muss sich keine machen! Ich hab immer noch genügend, um fröhlich den Tag zu genießen.“

Weitere Podcasts des Hamburger Abendblattes:

Weihnachtsmärchen – Intendant Lang sendet Hilferuf an Schulbehörde

Als Theatermacher, so scheint es, schaut man lieber nach vorn. Auch, wenn die Lage in manchen Teilen noch nicht ganz geklärt ist. Zwar haben alle Häuser Kinderstücke im Spielplan, die Weihnachtsmärchen stehen im Programm – vor welchem Publikum sie diese spielen, steht indes in den Sternen.

Schulklassen nämlich dürfen noch nicht kommen. „Fatal“ und sogar „ganz gefährlich“, findet Michael Lang. Sein Podcast-Appell geht an die Schulbehörde: „Bitte macht es wieder möglich! Wir werden dafür sorgen, dass auch da entsprechende Schutzvorschriften eingehalten werden. Mathe, Physik und Deutsch ist nicht das einzige, was Kinder im Moment brauchen.“