Diesen Titel von Whitney Houston kannte seit den 90er-Jahren jeder Mensch mit Liebeskummer. Sie starb ausgerechnet vor der Grammy-Verleihung.

Die Nachricht von Whitney Houstons Tod kam nur wenige Stunden vor einer der glanzvollsten Veranstaltungen, die die Musikwelt kennt: der Verleihung der Grammy Awards. Im Alter von 48 Jahren ist die Sängerin am Sonnabend tot in einer Badewanne im Beverly Hilton Hotel aufgefunden worden. In jenem Hotel, wo 24 Stunden später die Grammys verliehen werden sollen. Die Branche war erschüttert. Doch natürlich beherrscht sie das Gesetz des Showbusiness - "The Show Must Go On" - und macht aus der Veranstaltung eine Abschiedsgala für einen ihrer größten Stars.

Whitney Houston verkaufte 170 Millionen Tonträger. Die Frau mit der glasklaren, empathischen Stimme war neben Michael Jackson, der ebenso früh und tragisch starb, von 1985 bis 1995 die wichtigste Stimme der Popmusik. Und obwohl Houstons Todesursache bisher unbekannt ist: Es sieht so aus, als wäre sie wie Jackson an Medikamentenmissbrauch oder an einer Überdosis Drogen gestorben.

+++ Abschied von der Königin des Pop +++

+++ Ihr letztes Konzert in Hamburg war schon ein Abgesang +++

Die Grammys sind die höchste internationale Auszeichnung im Musikgeschäft. Sie sind so etwas wie die Oscars in der Filmbranche und die größte Leistungsschau der Popmusik. So viele Weltstars auf einer Bühne gibt es sonst nirgends zu sehen. Die das Geschäft dominieren, stehen oben, die die Fäden in der Hand halten, sitzen im Publikum. Und die, die mal jemand waren, füllen die Ränge, werden fotografiert und auf Spuren untersucht, die das Leben auf ihnen hinterlassen hat.

++++ Reaktionen auf den Tod Whitney Houstons +++

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Zu Letzteren zählte auch Whitney Houston, die erste schwarze Pop-Diva: erfolgreich, bildschön, mit einer Stimme, die über drei Oktaven reichte, mit einer frühen Karriere als Model, einer Zweitkarriere als Filmstar und mit einer Gesangsausbildung, die sie von der Elite der schwarzen Musikerinnen bekommen hatte. "Ich wuchs in der Kirche auf, und Gospel war immer der Mittelpunkt unseres Lebens", hat Whitney früh erklärt. Mit sieben sang sie im Kirchenchor, der wichtigsten Ausbildungsstätte der meisten schwarzen Soul- und Popgrößen. Ihre Mutter Cissy Houston, eine Soul- und Gospelsängerin, war mit Mahalia Jackson, Elvis Presley und Aretha Franklin aufgetreten. Franklin wurde Whitney Houstons Patentante, Dionne Warwick ist ihre Kusine. Whitney Houston war gerade 15, als sie Background bei Chaka Khan und deren Hit "I'm Every Woman" sang. Das Lied wurde später einer ihrer großen Hits, den sie wie ein Gebet ihren Hörern ins Ohr trommelte. Die Musik, ein zum Tanzen animierender Uptempo-Beat, die makellose Erscheinung und tadellosen Manieren Houstons ließen sie wie geschaffen erscheinen, die "Queen of Pop" ("New York Times") oder das "Traumgirl der amerikanischen Musikindustrie" ("Guardian") zu werden.

Wer in den 90er-Jahren jung genug für Liebeskummer war, der schluchzte zu Whitney Houstons "I Will Always Love You" aus dem Filmerfolg "The Bodyguard". Es wurde die Liebeshymne einer ganzen Generation und ist mit fünf Millionen weltweit die meistverkaufte Single einer Sängerin. Wer das Lied lange nicht mehr gehört hat, sollte es sich wieder anhören. Houstons Stimme scheint einen Abgrund von Einsamkeit zu streifen. Zwischen dem "I" und dem "you" jeder Zeile lässt sie die ganze Gefühlsbreite von Liebe, Verzweiflung und Verlust klingen. Ein vierminütiges Drama über Trauer und Abschied. Heute hat der Hit das bizarre Image, eins der meistgespielten Lieder bei Beerdigungen zu sein.

Auch die Schmachtfetzen, die eine tiefe Tradition in der Geschichte der schwarzen Musik haben, sang Whitney wie keine Zweite. Bei Aretha Franklin klangen sie fröhlicher und nach großem Orchester ("You Make Me Feel"), bei Diana Ross mehr nach Befreiung ("Ain't No Mountain High Enough") und bei Gladys Knight nach Soul und Gospelchor ("If I Were Your Woman"). Whitney Houston war der perfekte neue Star, der nach Soul und Disco und vor dem Hip-Hop den Musikgeschmack der urbanen Jugend prägte: Sie war verspielt und Diva, erfolgreich und unangepasst.

Am Vorabend der Grammy Awards, die seit mehr als 50 Jahren in Los Angeles verliehen werden, bittet der Musikproduzent Clive Davis alljährlich die ganz Großen der Branche zu einer Party ins Beverly Hilton Hotel. Auch Whitney Houston hätte kommen sollen, schließlich hat Davis, der für mehr als 300 Nummer-1-Titel in den US-Hitparaden verantwortlich ist, Houston 1983 in einem Nachtklub entdeckt. 1985 erschien ihr Debütalbum "Whitney Houston", das sich 25 Millionen Mal verkaufte. In den 80er-Jahren wurde sie zur erfolgreichsten Sängerin des Jahrzehnts, laut "Guinnessbuch der Rekorde" sogar zur "erfolgreichsten Sängerin aller Zeiten". Ihre Songs "Saving All My Love For You", "How Will I Know" und "Greatest Love of All" kletterten nacheinander auf Platz 1. Keine Künstlerin hat je wieder das erreicht, was Whitney Houston gelang: sieben Nummer-1-Hits in Folge. Ihre Balladen hatten etwas Funkiges, und sei es nur durch kleine Brüche, die sie ihrer Stimme gab. Ihre Dancefloor-Hits gingen gut los wie "I'm Your Baby Tonight", ihr wohl berühmtester Hit, oder hatten etwas Romantisches ("I Wanna Dance With Somebody", "Love That Man"). Mag sein, dass sie von Diana Ross inspiriert wurde, die viel süßlicher klang. Aber ohne sie wären Oktaven-Künstlerinnen wie Mariah Carey und Christina Aguilera oder Sängerinnen wie Beyoncé undenkbar.

+++ Stars und Drogen +++

Whitney Houston gehörte zur ersten Generation schwarzer Musiker, die keine rassistischen Repressalien mehr ertragen musste. Bis in die 60er-Jahre durften Schwarze nicht in den Hotels übernachten, in denen sie eben noch das Abendprogramm bestritten hatten. Auch die schwarzen Musiker der 60er- und 70er-Jahre, wie die Supremes, die Temptations, Marvin Gaye oder James Brown, spielten zwar für Weiße, durften sich aber nicht mit ihnen zeigen. Schwarze Schauspieler (mit Ausnahme von Sidney Poitier) bekamen nur Rollen als Kellner, Haushälterin oder Dieb.

Houston durfte im Film einen weißen Liebhaber haben (und dann auch noch Kevin Costner in "The Bodyguard"), Houston war die erste schwarze Frau auf dem Cover der "Vogue", und Houston wurde von so vielen geliebt, dass allein ihr Vorname ausreichte, dass man wusste, wer gemeint war. Houston bekam sechs Grammys - eine Ausnahmefrau. Aber die Popprinzessin mit den sechs Grammys fiel tief.

Das ehemals fröhliche, disziplinierte Mädchen hatte die letzten 20 Jahre ihres Lebens Drogen- und Alkoholprobleme. Das Bild der strahlenden Sängerin wurde überschattet von Bildern einer verschwitzten, aufgequollenen, verzweifelten Künstlerin, die sich Schlachten mit ihrem Ehemann Bobby Brown lieferte, wie man sie nur von Elizabeth Taylor und Richard Burton kannte. Houston hatte Brown (der als "One-Hit-Wonder" mit "My Prerogative" in die Popgeschichte eingeht) 1989, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, kennengelernt und 1992 geheiratet. Fortan häuften sich die Skandale. Er brachte sie mit Drogen in Kontakt, musste ins Gefängnis, Houston machte Entziehungskuren, versäumte Auftritte, klappte zusammen. Als sie 2009 auf Tour ging, irrlichterte sie atemlos über die Bühne.

Zuletzt gesehen wurde die 48-Jährige am Donnerstag vor einer Diskothek in Hollywood. Sie wirkte vernachlässigt und verwirrt. In der Nacht zum Sonnabend feierte sie lange in der Hotelbar. Am Nachmittag fand sie der R&B-Sänger Ray-J in der Hotel-Badewanne.