Die Urheber berühmter Zitate sind häufig ganz andere, als man gemeinhin glaubt. Selbst die letzten Worte Johann Wolfgang von Goethes sind umstritten.

Hamburg. Am 21. Juli 1969, um 3.56 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, betritt der amerikanische Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch die Mondoberfläche. Dabei sagt er nicht ganz fehlerfrei die Worte: "That's one small step for man ... one ... giant leap for mankind." ("Das ist ein kleiner Schritt für den Menschen, ... ein ... riesiger Sprung für die Menschheit.")

Mehr als eine halbe Milliarde Menschen verfolgen diesen Moment weltweit an ihren - zumeist noch - Schwarz-Weiß-Fensehgeräten, oder sie sitzen mucksmäuschenstill am Radio. Der Satz, dessen schlichtes Pathos der Bedeutung der historischen Situation absolut gerecht wird, gehört ohne Zweifel zu den berühmtesten Aussprüchen der Menschheitsgeschichte, auch wenn dessen Autorenschaft nicht ganz unumstritten ist.

Da geht es dem amerikanischen Astronauten allerdings nicht viel anders als einigen anderen Persönlichkeiten der Weltgeschichte.

Zum Beispiel Martin Luther: Während bei Armstrong wenigstens unstrittig ist, dass er seinen Satz tatsächlich gesagt hat, gibt es ernsthafte Zweifel, ob ausgerechnet das berühmteste aller Luther-Zitate überhaupt gefallen ist. Belege dafür, dass der deutsche Reformator am 17. April 1521 vor dem Reichstag zu Worms tatsächlich gesagt hat: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, amen", sind jedenfalls nirgends zu finden.

Ähnlich verhält es sich mit Johann Wolfgang von Goethes letzten Worten. Ob der Dichterfürst tatsächlich im Angesicht des Todes so wunderbar vieldeutig nach "Mehr Licht" verlangt hat, kann man glauben oder eben auch nicht. Überliefert hat diesen Ausspruch zwar Goethes Leibarzt Carl Vogel (1798-1864). In einem 1833 im "Journal der praktischen Heilkunst" veröffentlichten Beitrag zitiert Vogel Goethes "letzte Worte"; fatal nur, dass sich der Medicus nachweislich im entscheidenden Moment gar nicht im Raum befand ...

Manchmal werden Aussprüche aber auch erfunden, um historische Persönlichkeiten zu diffamieren. Ein berühmtes Beispiel ist Marie Antoinette, die Gattin Ludwigs XVI., die am 16. Oktober 1793 unterm Schafott starb. Als man ihr sagte, die Armen würden hungern, soll sie gemeint haben: "Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Brioche (Kuchen) essen." Das passte gut ins Bild, gesagt hat sie's aber nachweislich nicht. Das Zitat, das übrigens von Jean-Jacques Rousseau stammt, war schon lange vor Marie Antoinettes Thronbesteigung im Umlauf gewesen.

+++ NBC verwechselt Neil Young mit Neil Armstrong +++

Manche Aussprüche historischer Persönlichkeiten sind einfach zu schön, um wahr zu sein. Ein gutes Beispiel dafür ist das berühmte Gorbatschow-Zitat, das der sowjetische Staats- und Parteichef nachweislich so niemals gesagt hat. Als er am 7. Oktober 1989 sein Flugzeug verließ, um auf Erich Honeckers Einladung am Festakt zum 40. Jahrestag der DDR teilzunehmen, übersetzte der Dolmetscher seinen verschachtelten Funktionärssatz folgendermaßen: "Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren. Und wer die vom Leben ausgehenden Impulse, die von der Gesellschaft ausgehenden Impulse aufgreift und dementsprechend seine Politik gestaltet, der dürfte keine Schwierigkeiten haben, das ist eine normale Erscheinung."

Wie daraus "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" werden konnte, gehört zu den ungelösten Rätseln der jüngeren deutschen Geschichte.

Aber zurück zu Neil Armstrong und seinem wundervollen Satz über Mensch und Menschheit, Schritt und Sprung. Hat sich der als nicht besonders eloquent geltende Astronaut diesen Ausspruch für die Ewigkeit tatsächlich in den langen Stunden des Mondflugs einfallen lassen?

+++ Neil Armstrong: Der scheue Mann vom Mond +++

Es gibt auch andere Varianten; so wird der amerikanische Dramatiker Arthur Miller als Urheber gehandelt: Die Nasa, die angesichts des historischen Moments nichts dem Zufall überlassen wollte, habe ihn um einen angemessenen Satz gebeten. Später hat Miller jedoch nie ein Copyright darauf beansprucht.

Eine kuriose Wendung nahm die Diskussion um die Urheberschaft zuletzt vor drei Jahren, als sich zum 40. Jahrestag der Mondlandung Gary Peach, ein 73 Jahre alter ehemaliger britischer Nasa-Mitarbeiter, zu Wort meldete: Demnach befürchtete der Ingenieur, der 1969 in einer Bodenstation in Australien arbeitete, Armstrong würde nur irgendwas über den Staub auf der Mondoberfläche sagen. Das habe er den Nasa-Leuten mitgeteilt, und als diese ihn fragten, welche Worte er denn der Situation für angemessen hielte, sei ihm ebenjener Satz eingefallen.

+++ Planetarium Wolfsburg zeigt Sonderschau zu Neil Armstrong +++

Wie glaubwürdig diese, vor allem von britischen Zeitungen verbreitete Version ist, sei einmal dahingestellt. Tatsache bleibt jedoch, dass der erste Satz, den ein Mensch auf dem Mond gesprochen hat, völlig zu Recht auf ewig mit dem amerikanischen Astronauten Neil Armstrong verbunden bleiben wird - wer immer ihn auch erfunden haben mag.