Der Regisseur Uwe Boll geht in “Max Schmeling“ einer sportlichen Legende auf den Grund. Besser wird der Film dadurch leider nicht.

Berlin. Der stämmige Mann in Jeans und Sweatshirt, der in einem Hotelsalon in Berlin sitzt und über den Realismus von Boxkämpfen spricht, möchte ernst genommen werden. Als Regisseur wie als Mensch. Uwe Boll gilt vielen als der "schlechteste Regisseur der Gegenwart". Seine bisherigen Filme schafften es nur selten überhaupt in die Kinos, Verfilmungen von Videospielen, die sich primär durch überbordende Gewalt auszeichneten. Die Skepsis gegenüber dem neuen Werk des Westfalen, der Biografie Max Schmelings mit Henry Maske in der Hauptrolle, ist also recht ausgeprägt. Obwohl sich Boll, 45, mit Boxkämpfen auskennt. Einige seiner schärfsten Kritiker bat er 2006 in den Ring und verprügelte sie nach allen Regeln der Kunst. Ein Interview mit ihm ist also eventuell nicht ganz ungefährlich. Boll aber lächelt freundlich. Er wirkt diskussionsbereit.

Hamburger Abendblatt:

Bisher kennt man Sie primär Ihrer Videospielverfilmungen wegen. Wie sind Sie zu dem für Sie neuen Genre gekommen?

Uwe Boll:

Es sind mehrere Investoren an mich herangetreten, die Geld in einen meiner Filme stecken wollten, aber nicht in einen Actionfilm, nicht in einen englischsprachigen Film. Es sollte ein deutsches Thema sein. Und das Thema Max Schmeling war das einzige, das mir spontan einfiel, das interessant hätte sein können. Für mich als Boxfan war das eine Möglichkeit, einen Sportfilm zu drehen und nicht nur einen Film über einen Typen, der im zweiten Weltkrieg zwischen den Fronten geschwommen ist. Einerseits als Hitlers Vorzeigefigur, andererseits jemand, der mit einem jüdischen Manager, mit einer "nicht arischen" Frau sehr weltoffen war und von daher gar nicht so richtig in diese Hitler-Zeit gepasst hat.

Schmeling hat sich einerseits darauf berufen, Sportler zu sein und sich nicht politisieren lassen zu wollen. Andererseits hat er Reichsparteitage besucht und von der Sportpolitik der Nazis profitiert.

Boll:

Aber man muss ihm auch zugute halten, dass er seinen jüdischen Manager Joe Jacobs nicht abgeschossen hat, dass er bestimmte Sachen nicht umgesetzt hat, die der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten von ihm forderte. Er hat sich also nicht total die Butter vom Brot nehmen lassen. Er hat sich aber auch - um nicht selber im Arbeitslager zu landen - systemkonform verhalten. Und war er denn wirklich so aufgeklärt und clever, dass er schon 1936 hätte sehen können, dass 1940 Auschwitz gebaut werden würde?

1936 gab es aber schon die Rassengesetze, die Nazis waren bereits mit der Forderung an Schmeling herangetreten, er möge sich von Frau und Trainer trennen. Insgesamt fehlt doch die kritische Auseinandersetzung mit dem Charakter.

Boll:

Das sehe ich ein. Es ist natürlich so, dass man - wie bei jeder Verfilmung - sehr verkürzen muss. Man hat gar keine andere Wahl, außer man macht einen Fünf-Stunden-Film.

Boll nimmt einen Schluck Saft, betont immer wieder, wie wichtig ihm die Darstellung der Kämpfe Schmelings gegen Jack Sharkey, Joe Louis und Richard Vogt sei. Ihnen räumt er viel Zeit ein, hat nicht nur seinen Protagonisten, sondern auch dessen Gegner von professionellen Boxern darstellen lassen. An sich gute Voraussetzungen für realistische Boxkämpfe vor beeindruckender Kulisse.

Die Kampfszenen sind ja alle zu Beginn hintereinanderweg gedreht worden. Das sieht man ihnen an. Ist es tatsächlich immer der gleiche Ring, das gleiche Setting?

Boll:

Klar, wir haben alles in der Arena Zagreb gedreht. Wir haben aber diverse Dinge komplett geändert, stellenweise andere Statisten eingesetzt, die Tische anders angeordnet und so.

Beim zweiten Louis-Kampf 1938 waren 70 000 Leute, beim ersten 45 000. Und im Film sieht man einige Reihen Zuschauer und dahinter nur Schwärze.

Boll:

Wir hatten bis zu 1000 Statisten da und Computereffekte für die großen Einstellungen. Denn für 5000 oder 7000 Statisten hätte das Budget nicht gereicht. Und ich finde es besser, mit Schwarz zu arbeiten, ehe man da Pappkameraden aufstellt. Der Rest ist dann eben Sound.

Henry Maske soll acht Monate Schauspielunterricht genommen haben. Davon merkt man gar nicht so viel.

Boll:

Da muss man mal eben zwei Sachen in den Raum stellen. Erstens: Wie war Schmeling? Kurz angebunden, hat nie großartig was gesagt, man konnte den kaum verstehen. Und dass ein Nicht-Schauspieler in der Lage ist, überhaupt so eine Rolle zu spielen, das finde ich an sich schon mal mehr als interessant. Ich denke, dass er dem Charakter von Schmeling nahe kommt, so wie er sich verhält. Wenn man sich von vornherein sagt, der Henry, der kann das nicht, dann findet man auch Bestätigung.

Auch Boll scheint auf der Suche nach Bestätigung zu sein. Er ist es leid, an seiner Vergangenheit gemessen zu werden, möchte einen Neuanfang. Tatsächlich kommt "Max Schmeling" ganz ohne verstörende Bilder aus, nimmt schon dadurch eine Sonderstellung ein. Besser ist der Film deswegen leider nicht.

Bolls nächstes Projekt teilt den historischen Rahmen mit "Max Schmeling", ist jedoch inhaltlich weit heikler. Spricht man den Regisseur darauf an, wird Boll einsilbig. Er möchte noch nicht über den Film reden, von dem bislang nur ein Trailer im Internet zu sehen ist. 50 Sekunden. Sein Titel: "Auschwitz".