In Luk Percevals “Hamlet“ teilen sich Josef Ostendorf und Jörg Pohl die Titelrolle. Am Sonnabend steigt die Premiere im Thalia Theater.

Thalia-Theater. So sieht harte Theaterarbeit aus. In der winzigen Raucherlounge neben der Kantine des Thalia-Theaters hocken Josef Ostendorf und Jörg Pohl mit zergrübelten Gesichtern und nebeln sich gegenseitig ein. Ab und zu heben sie den Kopf, tauschen Textfetzen aus, haben Fragezeichen auf der Stirn. Sie arbeiten dicht an dicht. Müssen sie auch. In Luk Percevals Inszenierung von William Shakespeares "Hamlet", die am Sonnabend im Thalia-Theater Premiere hat, teilen sie sich die Titelrolle. Auf den ersten Blick eine merkwürdige Vorstellung.

Ostendorf, Jahrgang 1956, Sohn eines Notschlachters. Ein Bühnenkoloss mit zartem Kern und Jahrzehnten arrivierter Bühnenerfahrung inklusive erfolgreicher Jahre am Schauspielhaus. Nach fünf Jahren als freier Schauspieler packte ihn die Sehnsucht nach einer richtigen Theaterfamilie, die er am Thalia-Theater fand. Und daneben Pohl, der blonde Newcomer, Jahrgang 1979, Akademikersohn, der nach vier Jahren am Schauspielhaus Zürich - "Da ist das Wasser sauberer" - in Hamburg sein zweites Engagement angetreten hat. Ein jugendlicher Bretterstürmer.

Verschiedener könnten zwei Mimen kaum sein. Und nun sollen sie im Duett den Hamlet im Alter von 30 Jahren verkörpern.

"Wir sind eins", brummt Ostendorf bedeutungsvoll mit seiner hohen Stimme. "Das Schizoide Hamlets, der innere Konflikt, ist bei uns durch die Antipoden gelöst." Und Pohl ergänzt: "Wir haben nicht lange gerätselt, entlang welcher Linien sich eine schlüssige Aufteilung ergibt. Es gibt den resignierten Melancholiker, der sich souverän auf dem Parkett bewegt und den kindlichen, affektgesteuerten Hamlet." Man muss nicht lange rätseln, wer hier welchen Part übernimmt.

Ausgedacht hat sich das Konzept Regisseur Luk Perceval. Mit dem Königsdramenepos "Schlachten" und einem drastischen "Othello" empfahl er sich für weitere Shakespeare-Abende. Wie im "Othello" arbeitet Percevals Inszenierung mit dem Pianisten Jens Thomas, der mit seinem expressiven Spiel fast als gleichberechtigter Darsteller auftritt, mit einer Neuübersetzung und gestrafften Bearbeitung der Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. Die kommt bei den Darstellern gut an: "Anders als im 'Othello' arbeitet sie mit einer sehr poetischen Kunstsprache, nahe an den Gedanken Shakespeares", sagt Ostendorf. "Sie ist grobkörniger, kräftiger, hat aber eine starke Form", so Pohl nachdenklich.

Ostendorf, eher als König Lear vorstellbar, spielt zum ersten Mal den Dänenprinzen, den großen Zauderer und Zögerer. Der den Mord am Vater durch den Onkel nicht rächen will, nicht rächen kann. Aber auf Geheiß seines als Geist wandelnden Vaters rächen soll. Schmählich muss Hamlet erleben, wie sich kurz nach dem Tod des Vaters die Mutter mit dem machtgierigen Onkel einlässt. Auf die Intrige des Hofes, ihn auszuschalten, folgt seine Gegenintrige. Hamlet radikalisiert sich, verrät seine Freundin Ophelia und seine Diener Rosencrantz und Güldenstern.

Die Ränkespiele in der verrotteten Machtzentrale des Hofes ziehen immer neuen Schmutz nach sich, für den sich in der Realität zahlreiche Beispiele finden. Hamlet nutzt die Intrige, er stößt Ophelia, die ihn ausspionieren soll, von sich, benutzt seine Mutter, indem er an ihr Gefühl zu ihrem toten Mann appelliert. "Es erscheint unmöglich, selbst sauber zu bleiben. Das ist schwer zu verkraften. Man kann das auch an Revolutionären wie Lenin oder Mao beobachten, aus denen Monster geworden sind", erregt sich Ostendorf. "Das führt jetzt zu weit", besänftigt Pohl. Eingespielt wie ein altes Ehepaar.

KRITIK AN DER ZUSAMMENLEGUNG VON INTENDANZEN

Die Figur Hamlets ist schwer greif- und spielbar, weil er sich zunehmend wahnhaft verhält. Die Grenzziehung, ob dieses pathologisch begründet ist oder nur gespielte Taktik, ist nicht eindeutig. Ostendorf faltet die Hände über seinem Bauch und streicht sich über seinen Haarkranz: "Er denkt äußerst scharf. Es ist alles wahr. Ich bemühe mich, das alles logisch in meinem Kopf stattfinden zu lassen." Pohl ergänzt: "Entscheidend ist die Frage, welche Umstände jemanden dazu treiben, zu radikalen Mitteln zu greifen. Der Wahnsinn ist für Hamlet zugleich eine Maske, um etwas vorzubereiten, zu täuschen." Zuletzt spitzen sich die Dinge dramatisch zu. Und auch der Nebel im Raucherzimmer wird immer dichter.

Ostendorf und Pohl jedenfalls hoffen, dass es ein lustvoll deprimierender, auch in leisen Momenten kraftvoller Abend wird. Deprimierend wird er auf jeden Fall. Es gibt keinen Ausweg, nirgends. Am Ende gilt der Satz: "Der Krieger wird König." Dem Zaudernden, Abwägenden ist kein Gewinn beschieden. "Das ist ungeheuer düster, aber sehr realistisch", sagt Ostendorf. "Ich glaube, dass unsere Welt so beschaffen ist."

Der Rest ist Schweigen. Ganz wie bei Shakespeare.

Hamlet Premiere Sa 18.9., 20.00, Thalia-Theater, Alstertor (S/U Jungfernstieg), Karten unter T. 32 81 44 44; Informationen im Internet unter www.thalia-theater.de