Ein Kommentar von Maike Schiller

So viel ist schon lange nicht mehr über das Schauspielhaus gesprochen worden. Dass der Rücktritt des Intendanten die größte dramatische Wucht der laufenden und vergangenen Spielzeiten entfaltet, spricht auch Bände über dessen Amtszeit.

Denn der Vorgang ist so ungewöhnlich wie empörend. Nicht dass ein Theaterintendant vorzeitig aus seinem Vertrag geht. Auch nicht, dass ein künstlerischer Leiter gegen die Sparpolitik der für ihn zuständigen Regierung protestiert. Legitim, beides. Nicht wenige wünschten seit Langem, dass das größte deutsche Sprechtheater wieder etwas mehr künstlerisches Profil erhält, ein glanzvolleres Ensemble, Aufführungen, über die man spricht. Friedrich Schirmer hat es sich (und den anderen) in seiner scheuen, menschlich sehr sympathischen, aber im Theaterbetrieb oft kontraproduktiven Art nicht leicht gemacht. Anders als sein Vorgänger Tom Stromberg oder seine Thalia-Kollegen Ulrich Khuon und Joachim Lux war er in der Stadt praktisch nicht existent, mischte sich kaum in Debatten ein. Ein Rücktritt wäre oft genug konsequent gewesen.

So allerdings fühlt man sich ungut an Horst Köhlers Abgang erinnert.

Sollte dafür tatsächlich die Unterfinanzierung der Grund sein, warum dann jetzt, sofort, zum Beginn der laufenden Spielzeit, noch vor den Sparbeschlüssen - zumal Schirmer selbst sagt, er habe "seit Jahren" die Unterfinanzierung angemahnt?

Dass er sich jetzt praktisch fristlos aus dem Schauspielhaus verabschiedet, lässt Verantwortungsgefühl und jeglichen Respekt vermissen - gegenüber dem Publikum, gegenüber den Mitarbeitern, gegenüber dem Theater, gegenüber der Stadt. Der neue Kultursenator hat nun die undankbare Aufgabe, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Seine Reaktion auf den Rücktritt lässt leider darauf schließen, dass er dieser Aufgabe nicht gewachsen ist: Die Saison sei geplant, also habe er "ausreichend Zeit" für die Suche, ließ er gestern verkünden. Das ist mindestens naiv. Wer auch nur ansatzweise Ahnung vom Theaterbetrieb hat, weiß, dass kein Intendant ohne Vorbereitung ein solches Haus stemmen kann. Selbst wenn der Senator ad hoc einen Nachfolger aus dem Hut zaubern könnte, bliebe diesem haarsträubend wenig Zeit für eine Programmplanung und Teambildung, die dem Ruf und der Bedeutung des Deutschen Schauspielhauses angemessen wäre.

Es ist ein solches Trauerspiel.