Das Geheimnis ist gelüftet: Christian Kuhnt wird im Oktober 2013 Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Er folgt Rolf Beck nach.

Hamburg. Es war eins der bestgehüteten Geheimnisse des sonst so schwatzhaften Musikbetriebs. Doch nun ist es heraus: Der nächste Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals heißt Christian Kuhnt. Der 42-Jährige, derzeit Geschäftsführer der Hamburger Konzertdirektion Dr. Goette, folgt am 1. Oktober 2013 Rolf Beck nach, der das Festival seit 1999 leitet.

Kuhnt tritt in die Fußstapfen eines Gestalters mit durchaus umstrittener Machtfülle. Beck ist nämlich nicht nur Intendant des SHMF, sondern zugleich Klangkörperchef des NDR. Diese Personalunion nutzt er nach Kräften für Kooperationen. So bestreitet das NDR Sinfonieorchester traditionell Eröffnungs- und Abschlusskonzert, und der Sender berichtet großzügig. Wie die Zusammenarbeit mit dem NDR ohne diese personelle Verklammerung aussehen wird, muss sich zeigen.

In die Intendantensuche hat die Frage offenkundig mit hineingespielt. Klangvolle Namen sind gefallen in dem Rätselraten der letzten Monate um die Personalie, doch von denen wurde es keiner: Ilona Schmiel vom Beethovenfest Bonn, der Intendant der Essener Philharmonie, Johannes Bultmann, oder sein Leipziger Kollege Andreas Schulz waren im Gespräch. Sogar Thomas Hengelbrock, der seit seinem Antritt vergangenen September als Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters in Norddeutschland als eine Art Heilsbringer verehrt wird, hat man dem Vernehmen nach umworben.

Christian Kuhnt ist dagegen eher eine indirekte Hausberufung - eine profunde allerdings. Schließlich hat er nach dem Studium der Musikwissenschaft, nach Promotion und Arbeit für die Schallplattenfirma Teldec Classics bereits zehn Jahre beim SHMF gearbeitet, zuletzt als künstlerischer Direktor und stellvertretender Intendant. "Ich habe Christian Kuhnt als kreativen und tatkräftigen Menschen kennengelernt", sagt sein ehemaliger Chef Rolf Beck über ihn. "Ich bin sehr froh, dass er den Weg von Hamburg zurück zum Festival gefunden hat." Hans-Werner Funke, ehemaliger Chef bei Goette und gewissermaßen der Patriarch des Unternehmens, sieht das naturgemäß von einer anderen, wehmütigeren Seite: "Er ist 2007 beim Festival weggegangen, weil Becks Vertrag verlängert wurde. Er trug den Traum vom Intendanten immer in sich. Wir hätten ihn gern gehalten. Aber so einen Traum muss man leben."

+++++Zahlen und Fakten zum Schleswig-Holstein Musik Festival+++++

Kuhnts Freude spürt man auch am Telefon: "Da sind viele Emotionen dabei und viele Ideen, die mir auf die Distanz gekommen sind", sagt er. "Ich kehre zu meiner Liebe zurück. Dieses Festival ist nach wie vor ein Wunder."

Ideen wird Kuhnt auch brauchen, das Wunder ist nämlich etwas in die Jahre gekommen. Vom Charme und Aufbruchstimmung der frühen Jahre ist mancher Brauch geblieben; immer noch schmieren die örtlichen Beiräte ehrenamtlich Brötchen für die Künstler. Doch der Glanz, den der visionär-unordentliche Justus Frantz dem Festival mit viel zu teuren, aber sensationellen Künstlern und Programmen verschafft hat, ist hoch professioneller Routine gewichen. Von einer überregionalen Präsenz der Marke SHMF kann man zurzeit nicht sprechen. Dazu bräuchte es mehr Weltstars, deren Gesichter die Öffentlichkeit mit dem Festival identifizieren könnte. Auch programmatisch fehlt jenseits der Länderschwerpunkte häufig ein roter Faden.

Das künstlerische Profil des Goette-Flaggschiffs, der Konzertreihe ProArte, ist unter Kuhnts Ägide im Wesentlichen so gediegen geblieben, wie es war. Was der künftige Intendant mit dem Festival vorhat, dazu will er sich erst vom 1. Oktober 2013 an äußern: "Das gebietet mir der Respekt vor Rolf Beck und seinem Team." Interessant wird nicht nur sein Programmkonzept, sondern auch die Frage, welche Haltung er als Chef einer staatlich subventionierten Institution zur privaten Konkurrenz einnehmen wird. Die hat er nämlich schon einmal gewechselt: Von 2005 bis zu 2007 war Kuhnt neben seiner SHMF-Tätigkeit künstlerischer Berater der hauseigenen und damit städtisch subventionierten Konzertreihe der Laeiszhalle. Kein Jahr später sagte der neue Goette-Geschäftsführer dem Abendblatt: "Wenn der Staat genau das Gleiche mit Steuergeldern macht, was ein Privater ohne Subvention leisten kann, macht es keinen Sinn."

Als Goette-Geschäftsführer exponierte er sich bei dem Streit zwischen den privaten Konzertveranstaltern und der Stadt. Der Knatsch mündete in eine Klage des Verbands der Konzertveranstalter, die das Hamburger Landgericht im November abgewiesen hat. Einen Widerspruch zu seiner künftigen Position sieht Kuhnt nicht: "Ich bin ja nicht grundsätzlich gegen Subventionen." Christoph Lieben-Seutter, der als Generalintendant der Elbphilharmonie in dem Streit auf der Gegenseite stand, stimmt ebenfalls versöhnliche Töne an: "Diese Auseinandersetzungen waren eher unternehmenspolitischer als menschlicher Natur. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit."